YAJIE ZHANG - Mezzosopran - im Interview, IOCO

Prof. Adelina Yefimenko und Getong Feng: Interview mit YAJIE ZHANG, Mezzosopran - aktuell auf der Bühne als Rheintochter Floßhilde, Hüterin des Rheingoldes in der Bayerischen Staatsoper München und dem NCPA, National Opera, Peking

YAJIE ZHANG - Mezzosopran - im Interview, IOCO
THE GRAND NATIONAL THEATER - NCPA - Peking @ wikimedia commons

Prof. Adelina Yefimenko und Getong Feng: Interview mit YAJIE ZHANG, Mezzosopran - aktuell in München auf der Bühne als Rheintochter Floßhilde, Hüterin des Rheingoldes in der Bayerischen Staatsoper München; zuvor aber auch auf der Bühne des NCPA, National Opera, Peking

Am 28. August 2024 wurde eine neue Inszenierung von Das Rheingold im Nationalen Zentrum für Darstellende Künste (NCPA) in Peking, China, uraufgeführt. Der italienische Opernregisseur Stephano Poda fungierte als Regisseur sowie als Bühnenbildner, Choreograph, Lichtgestaltung, Kostümbild und Videodesign. Die insgesamt vier Aufführungen waren ausverkauft und wurden vom chinesischen Publikum mit Begeisterung aufgenommen. Sängerinnen und Sänger aus Deutschland wurden eingeladen:  Bettina Ranch als Fricka, Tanja Kuhn als Freia und Christian Franz als Loge. In ihrer Rede zum Tag der Deutschen Einheit würdigte Dr. Patricia Hildegard, die deutsche Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Peking, den Beitrag der Aufführungen zum kulturellen Austausch zwischen Deutschland und China.

THE GRAND NATIONAL THEATER - NCPA - Peking @ wikimedia commons

Zwei Monate später, am 27. Oktober kehrte der Regisseur Tobias Kratzer nach seiner erfolgreichen Premiere im März von Mieczysław Weinbergs Oper Die Passagierin an der Bayerischen Staatsoper zurück und präsentierte dem Münchner Publikum seine Neuinszenierung von Das Rheingold. Er wird in den kommenden vier Jahren die Regie der vierteiligen Opernproduktionen Der Ring des Nibelungen an der Bayerischen Staatsoper führen.

Rheingold - Oper Peking hier die Rheintöchter @ Xiaojing WANG - NCPA

Stephano Poda versuchte in seiner Pekinger Rheingold-Inszenierung, das Publikum visuell und akustisch in eine "Welt" Richard Wagners zu versetzen. Es lag großen Wert auf die Darstellung der natürlichen Elemente in Wagners Opern. Obwohl seine Darstellungsweise noch umstritten ist, versuchte er, eine Atmosphäre zu schaffen und mit dem Publikum ein gemeinsames Erlebnis aufzubauen. Tobias Kratzer mischte religiöse Elemente aus unterschiedlichen Kulturkreisen und bettete nicht nur Wagners Musiktheater in einen zeitgenössischen gesellschaftlichen Kontext ein, sondern fügte der Operninszenierung auch eine Interpretation hinzu, die eine tiefgehende religionskritische und philosophische Diskussion provozierte.  

Im Interview mit Prof. Adelina Yefimenko und Getong Feng sprach die chinesische Mezzosopran Yajie Zhang über ihre Teilnahme an den Inszenierungen von Das Rheingold als Floßhilde in der NCPA Peking und an der Bayerischen Staatsoper, München.

In der Saison 2021/22 war Yajie Zhang an der Bayerischen Staatsoper engagiert, deren Opernstudio sie bis 2022 angehörte. In der Spielzeit 2024/25 kehrte sie an die Bayerische Staatsoper zurück und gab als Aouda in In 80 Tage um die Welt von Jonathan Dove, an der Oper Zürich ihr Debüt.

DAS RHEINGOLD im / youtube China National Opera House

Prof. Adelina Yefimenko / Getong Feng: Liebe Yajie Zhang, Was ist die musikalische Schwierigkeit des Trios der Rheintöchter?

Yajie Zhang: Es ist nicht einfach, Rheintöchter zu singen und zu präsentieren, nicht nur, weil die Passagen voller rhythmischer und musikalischer Ausdrucksänderungen sind, sondern auch, weil sie charaktervolle und literarische Texte enthalten. Es ist eine große Herausforderung für uns, diese komplexen Texte und dabei jeder Konsonant in der deutschen Sprache mit Wagners Musik in Harmonie zu bringen, und gleichzeitig noch die Figur mit voller Emotion darzustellen. Herr Jurowski hat uns einen Tipp gegeben, dass wir unsere Stimmen nicht absichtlich abdunkeln, puschen oder eine künstliche „Wagner-Farbe“ schaffen sollten. Stattdessen sollten wir mit unseren eigenen natürlichen, organischen Stimmen singen.

Rheingold - Oper Peking hier Yajie Zhang als Rheintochter @ Xiaojing WANG - NCPA

Getong Feng: Warum ist die ganze erste Szene in Stefano Podas Inszenierung im Wasser, siehe Foto oben? Die Rheintöchter sollen im seichten Wasser absichtlich Geräusche machen. Viele vom Publikum meinen, dass diese dauernhaften Geräusche störend sind. Wie ist die Idee von Stefano Poda?

Yajie Zhang: Ich denke, dass alles sein erster Versuch ist. Ich war auch bei seiner Inszenierung Romeo und Julia und glaube, dass seine Arbeitsweise sehr ähnlich zu Wagners ist. Wenn Wagner etwas schreiben will, muss er einen ganzen Zyklus schreiben und genau planen: Bühnenbild, die Handlung, die Protagonisten etc. Er ist wie ein Maler, der genau die richtige Farbe für seine Gemälde sucht. Poda kümmert sich nicht nur um die Inszenierung. Er macht auch Kostüm, Bühnenbilder, Licht, einfach alle Details. Für uns Sänger/innen ist es praktisch, weil man über alles direkt mit ihm sprechen und diskutieren kann. Das Bühnenbild ist schlicht bei Poda. Für ihn ist es wichtig, nicht nur die Geschichte zu erzählen, sondern auch, eine Atmosphäre zu schaffen und mit dem Publikum ein gemeinsames Erlebnis aufzubauen. Das meint er nicht nur optisch, sondern auch akustisch. Wenn es möglich wäre, auch mit dem Geruch im Opernhaus. In diesem Fall ist der Klang der Natur in seiner Opernproduktion wichtig. Die Oper beginnt, dann kommt der Klang der Erde, des Wassers, des Universums. Es ist genau wie die Hintergrundgeräusche in einem Film. Wir denken mit und fühlen mit. Ich glaube, dass er den Klang so behalten will, aber vielleicht wird es für den Zuschauer bei unserer Wiederaufnahme einfacher.

Prof. Adelina Yefimenko: Wenn wir schon auf das Thema der Natur gekommen sind, muss man sich daran erinnern, dass es noch echte Tiere in Tobias Kratzers Inszenierung gibt. Was bedeutet die Ziege in der ersten Szene?

Yajie Zhang: Für mich ist die Ziege nicht nur ein Tier, sondern sie hat in dieser Inszenierung auch mehrfache Bedeutungen. Auf den ersten Blick denkt man, dass Wellgunde sich als Ziege verkleidet, aber es ist nicht nur märchenhaft gemeint. Die Ziege könnte auch eine tierische Seite in jedem Menschen bedeuten, einen Trieb, eine Wildheit in der Menschheit, was nicht leicht kontrolliert werden kann.

Getong Feng: Tobias Kratzer (Rezensions link HIER!) unterscheidet die Opernfiguren zwischen ihrer Sterblichkeit und Unsterblichkeit. Sind die Rheintöchter sterblich.

Rheingold - Oper Peking hier Yajie Zhangals Rheintochter @ Xiaojing WANG - NCPA

Yajie Zhang: In Kratzers Münchner Inszenierung sind die Rheintöchter energiegeladene Teenager. Sie werden später vielleicht altern können und sterblich werden.

Getong Feng: Alberich schießt eine Rheintochter und sie ist verletzt. Die Bühne dreht sich um, Erda ist eine Nonne und sitzt in der Kirche. Die Zuschauer wissen noch nicht, dass sie Erda ist. Du gehst zu Erda und willst etwas mit ihr sprechen? Was ist hier gemeint?

Yajie Zhang: Eigentlich sieht die Floßhilde einfach einen Menschen, sie hat keine Ahnung, wer sie ist. Sie ist total in diesem Schock, dass ihre Freundin erschossen wurde. Es ist für Floßhilde nicht zu erwarten, dass es da in der Kirche noch jemanden gibt. Das ist ein Abenteuer für die drei Mädchen. Plötzlich sehen sie eine alte Dame, die so ernst sitzt. Man sieht nur ihre Rücken. Für Floßhilde ist es völlig egal und unwichtig, wer sie ist. Sie macht sich keinen weiteren Gedanken darüber.

Prof. Adelina Yefimenko: Erda trägt den Ring in dieser Inszenierung. Das ist aber sehr selten. Wieist das zu verstehen?

Yajie Zhang: Erda ist eine Prophetin, die dann zwischen unterschiedlichen Zeitdimensionen reist, wenn sie den Ring trägt und dreht. Das ist die Idee in Kratzers Inszenierung.

RHEINGOLD - youtube Bayerische Staatsoper

Getong Feng: Was bedeutet das Gold in dieser Inszenierung? Das ist in einem Abfallsack. Und wie ist das Konzept bei Kratzer, dass Rheintöchter als Teenager auftreten?

Yajie Zhang: In diesem Loch auf dem Boden gibt es eigentlich kein echtes Gold. Es gibt auch kein Wasser, keinen Rhein. Es ist ein Zauber. Wir - als Rheintöchter - gehen rein und merken, dass es dort etwas Besonderes gibt. Aber anscheinend war Woglinde schon einmal alleine da, das meint Kratzer. Woglinde erzählt Wellgunde und Floßhilde davon, sie gehen zusammen dorthin und machen ein Abenteuer. Es ist das erste Mal, dass die Rheintöchter den Zauber sehen und ihn irgendwie ausprobieren möchten. Langsam merken sie, dass sie den Zauber nicht richtig kontrollieren können. Die ganze Situation geht schief. Alberich weiß vielleicht auch nicht genau, was das ist, oder wie stark der Zauber ist, als er das Gold von uns genommen hat.

Prof. Adelina Yefimenko: Was ist für dich besonders bei Kratzers Inszenierung?

Yajie Zhang: Für mich ist Kratzers Inszenierung visuell atemberaubend. Als Zuschauer ist jede Sekunde fesselnd, weil Kratzer alle disparaten Elemente logisch und überzeugend zusammenführt. Es ist natürlich auch anspruchsvoll für die Darsteller, seine komplexen Ideen in der Opernproduktion durchzuführen, aber gleichzeitig ist dieser Prozess leidenschaftlich, energetisch und erwartungsvoll. Die ganze Zeit habe ich sehr genossen.

Das Rheingold, München, Regie Kratzer - hier die Rheintöchter @ Wilfried Hösl

Getong Feng: Vielleicht können wir am Ende noch die zwei Inszenierungen vergleichen und über das Konzept Regieoper diskutieren. Stephano Poda spielt ohne Zweifel eine zentrale Rolle bei allen Aspekten der Inszenierung. Aber man sieht anscheinend nicht seine inhaltliche Modernisierung der originalen Geschichte. Wie versteht man dann das Konzept Regieoper im Kontext von Stephano Poda?

Yajie Zhang: Das ist Podas Besonderheit. Er hat für jedes Bühnenbild eine genaue Vorstellung im Kopf. Es gibt viele illustrative und konzeptuelle Ideen von ihm. In Podas Produktion gibt es mehrdimensionale Atmosphären der künstlerischen Darstellung. Es ist eine andere Perspektive und ein Konzept der„Regieoper“. Die Inszenierung ist eine abstrakte Vorstellung über Wagners Welt. Als Zuschauer hat man auch immer Räume für seine eigene Fantasie und Idee. Er bleibt auf dieser präsentativen Ebene.

Die Produktion von Kratzer gibt dem Publikum die Möglichkeit, in das Geschehen einzutauchen, die Geschichte zu „erleben“, anstatt die Oper nur zu „schauen“, sowohl als Zuschauer als auch als Darsteller.

Prof. Adelina Yefimenko: Wie sieht Dein Kalender für die Saison 24/25 aus? Was ist zu erwarten?

 Yajie Zhang: Nach Das Rheingold an der Bayerischen Staatsoper werde ich als Aouda in Jonathan Doves neue Oper In 80 Tagen um die Welt im Opernhaus Zürich debütieren. Danach gebe ich mein Hausdebüt mit Mahlers 8. Symphonie im Wiener Musikverein. Im April debütiere ich in der Berliner Philharmonie mit dem Verdi-Requiem. Mit dem wunderbaren Pianisten Hartmut Höll werde ich mehrere Liederabende in Kanada und Deutschland geben. Im Sommer 2025 fliege ich nach Beijing und singe Cherubino in Le Nozze di Figaro in NCPA. Die Saison 24/25 endet mit einer Rückkehr an die Bayerische Staatsoper bei den Münchner Festspielen Das Rheingold.

Prof. Adelina Yefimenko: Danke, liebe Yajie, für das informative Interview. Für Deine zukünftigen Projekte wünscht IOCO und wünschen wir Dir viel Erfolg.

 

Die Veröffentlichung von Bilder erfolgt mit freundlicher Genehmigung Yajie Zhang.