Wiesbaden, Hessisches Staatstheater, RICHARD WAGNER CHARITY GALA - Opera meets nature e.V., IOCO
Staatstheater Wiesbaden - Richard Wagner Gala: Wald und Klimapolitik sind in aller Munde... es wird demonstriert, diskutiert, gestritten .... Anreiz für den Heldentenor Andreas Schager und Rechtsanwalt Turgay Schmidt, den Verein Opera meets nature e.V. zu gründen und .....
Hessisches Staatstheater - Internationale Maifestspiele Wiesbaden 2024, Richard Wagner Charity Gala von Opera meets nature e.V.
von Ingrid Freiberg
„Lasst uns Millionen Bäume pflanzen!“
Wald und Klimapolitik sind in aller Munde... es wird demonstriert, diskutiert, gestritten, aber nicht ausreichend gehandelt. Anreiz für den Heldentenor Andreas Schager und Rechtsanwalt Turgay Schmidt, den Verein Opera meets nature e.V. zu gründen und sich vonseiten der Oper mit Benefiz-Aktionen für Wald und Klimaschutz einzusetzen. Ein solcher Impuls aus dem Bereich der Oper, der Kunst, überrascht, ist aber hervorragend geeignet mitzuhelfen, bestehende Belastungen zu beseitigen und notwendige Herausforderungen zu meistern: Es gibt kein Land, in dem es so viele Opernhäuser gibt wie in Deutschland, und wo die Möglichkeit besteht, Menschen anzusprechen, die sich für die Lebenserhaltung unserer Wälder einsetzen. In den vergangenen Jahren entstand ein Nibelungenwald von etwa einem Hektar, auf dem ca. 1 m hohe Eichen- und Weißtannensetzlinge, mit zugesagter Pflanzgarantie, auf geschädigten Waldflächen eingebracht wurden. Mittlerweile sind es 60.000 Bäume, die zu einem artenreichen Mischwald heranwachsen. Mit dem Erlös aus dieser Charity-Gala sollen weitere belastete Brachflächen aufgeforstet werden.
Opera meets nature war es vergönnt, im Rahmen der Internationalen Maifestspiele 2024 mit Werken von Richard Wagner in einer festlichen Gala herausragende Künstlerinnen und Künstler zu präsentieren: die Geigerin Lidia Baich, Dorothea Herbert, Magdalena Anna Hofmann, Mika Kares, Tomasz Konieczny, Andreas Schager, Corby Welch und das Hessische Staatsorchester Wiesbaden unter der Musikalischen Leitung von Michael Güttler ließen es sich trotz übervollem Terminkalender nicht nehmen, aus allen Ecken der Welt anzureisen, um das lebenswichtige Projekt zu unterstützen und damit ein Zeichen zu setzen. Zahlreiche Opernhäuser haben bereits ihr Interesse signalisiert. Auch an Naturschauplätzen wie der Waldoper in Sopot, Polen, mit ihrer hervorragenden Akustik und den über 5.000 Sitzplätzen, sollen klassische Konzerte von Opera meets nature in Kooperation mit dem Künstlerischen Leiter des Baltic Opera Festivals, Tomasz Konieczny, stattfinden. Hier bietet sich eine Riesenchance, gemeinsam etwas für den Klimaschutz zu tun.
Ein Hauch von Grüner Hügel in Wiesbaden...
Turgay Schmitt stellte ein beeindruckendes Programm zusammen, mit Ausschnitten aus Der fliegende Holländer, Tannhäuser, Lohengrin, Die Meistersinger von Nürnberg, Tristan und Isolde und dem Ring des Nibelungen.
Das selten aufgeführte Albumblatt ES-Dur „Lied ohne Worte“, gespielt von der fesselnden Lidia Baich auf einer Violine von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1860, nahm das - zum Teil von weit angereiste – Publikum bereits nach einem Wimpernschlag gefangen. Baich ist eine der vielseitigsten Geigensolistinnen der Gegenwart, die weltweit Zuhörer durch ihre intensiven Interpretationen fasziniert. Bereits 1998 erhielt sie die Auszeichnung Europäischer Musiker des Jahres, die ihr Yehudi Menuhin persönlich überreichte.
Es folgt die Ouvertüre aus Der fliegende Holländer mit einer aufwühlenden Naturschilderung der dämonischen Welt, gebildet aus Streicher- und Holzbläserklängen, und das von Hörnern, Englischhorn, Wagnertuben und anderen Instrumenten vorgetragene Erlösungsthema von Senta. Mit dem großen Monolog des Holländers „Die Frist ist um…“ aus dem 1. Aufzug begeistert Tomasz Konieczny, trifft mitten ins Herz, lässt charismatisch erschaudern. In der Senta-Ballade legte Richard Wagner den Keim zur ganzen Oper nieder, sie ist das verdichtete Bild des gesamten Dramas. Die junge Sopranistin Dorothea Herbert ist dem durchaus gewachsen, ihre schöne große Stimme ist raumgreifend, ohne jegliches Forcieren. Schon beim Betreten der Bühne gewinnt der hochgewachsene Finne Mika Kares als Dahland. Szenisch von ihm aufgewertet, beeindruckt er mit der Arie „Mögst du mein Kind den fremden Mann willkommen heissen?“ Kares ist einer der international gefragtesten Bässe der heutigen Zeit mit breitgefächertem Repertoire. Seine subtile Körpersprache betont seinen ausdrucksvollen Gesang, er ist in jeder geforderten Tonlage höchst souverän.
Mit „Dich teure Halle, grüß ich wieder…“ begrüßt die polnisch-österreichische Sopranistin Magdalena Anna Hofmann als Elisabeth die Sängerhalle, die sie nach dem Weggang von Tannhäuser nicht mehr betreten hat und schildert den tiefen Eindruck, den seine Lieder auf sie ausübten. Ihre Verwirrung lässt ihre Liebe ahnen. Ihre strahlenden Höhen bezaubern. Hofmann gehört aktuell zu den spannendsten Künstlerinnen auf der Opernbühne, die u.a. mit mitreißenden Rollenportraits von Schönberg, Hindemith, Henze, Rihm und Glanert zu überzeugen weiß. Tannhäuser hat in Rom keine Vergebung gefunden. Corby Welch erzählt in der sogenannten Romerzählung von seiner Büßerfahrt, seiner Bußwilligkeit, und dass ihn der Papst mit dem Satz vernichtet habe, für ihn gäbe es so wenig Vergebung, wie der Stab in der Hand des Pontifex je wieder Blätter tragen werde. „Inbrunst im Herzen…“ wird von Welch erschütternd vorgetragen, herrlich timbriert, mit eindrucksvoller Disposition, ohne konditionelle Einbußen.
Elsa, gesungen von Dorothea Herbert, erzählt von einem ihr im Traum erschienenen Ritter, ihn wähle sie als Streiter für ihre Unschuld aus und werde ihm dafür angehören „Einsam in trüben Tagen…“. Die Sängerin, die in diesem Jahr als Helmwige in Bayreuth debütieren wird, berührt mit anrührender Seelentiefe und Klangschönheit. Mit Andreas Schager als Lohengrin gibt sie sich im Duett ihrem gemeinsamen Glück hin „Das süße Lied verhallt, wir sind allein – Fühl ich zu dir so süß mein Herz entbrennen…“. Elsas Wunsch wird übermächtig, ihren Mann beim Namen zu nennen. Obwohl er sie bittet, ihm zu vertrauen, stellt sie die verbotene Frage. Schager verkündet als Liebe suchender Mann mit schonungsloser Emphase, mit heldischen Ausbrüchen das Frageverbot. Herbert schöpft aus dem Vollen und drückt ihre Gefühlsschwankungen ergreifend aus.
Das Vorspiel, Tanz der Lehrbuben, Aufzug der Meistersinger und Gruß an Hans Sachs, zum 3. Aufzug Die Meistersinger von Nürnberg erklingt. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden unter der Musikalischen Leitung von Michael Güttler geht weit über eine Reminiszenz hinaus und gewinnt ein eigenes, unkonventionelles Profil. Die Tempi wirken nie gehetzt, der Klang ist schlank, von federnder Eleganz und Transparenz. Das Preislied „Morgendlich leuchtend im rosigen Schein…“ des Walther von Stolzing ist für den hell-strahlenden Tenor von Corby Welch wie nach Maß, ist Edelmetall zum Erblühen, schenkt betörenden Wohlklang.
In seinem Monolog „Tatest du’s wirklich? Wähnst du das?“ zeigt sich König Marke tief betroffen vom Treuebruch seines Freundes Tristan. Der prachtvolle Bass von Mika Kares ist sicher im Ton und angenehm im Klang, wuchtig und sonor. Mit seiner stimmlichen Urgewalt überzeugt er. Schmerz und Enttäuschung sind hörbar. Magdalena Anna Hofmann als Isolde sinkt mit einer Vision, in der sie sich mit Tristan vollkommen vereint sieht, wie verklärt in den Tod „Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet, seht ihr, Freunde? Seht ihr's nicht? Immer lichter, wie er leuchtet!“ Hofmanns Hingabe, die Intensität und Tiefe ihres Gesangs ergreifen. Auch konzertant gelingt es ihr, sich mit Isoldes „Verklärung“, dem Liebestod, dem Liebessehnen zu verschmelzen.
Am Vorabend des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, Das Rheingold, fesselt der österreichische Kammersänger von Weltrang, Tomasz Konieczny, als Wotan mit „Abendlich strahlt der Sonne Auge; in prächtiger Glut prangt glänzend die Burg. In des Morgens Scheine mutig erschimmernd, lag sie herrenlos hehr verlockend vor!“ Seinem kraftvollen Bass-Bariton sind viele Schattierungen abzugewinnen. Er ist der alle Aufmerksamkeit auf sich ziehende Gott.
In Die Walküre gestehen sich Siegmund und Sieglinde empathisch ihre Liebe und erkennen sich als Geschwister. „Winterstürme wichen dem Wonnemond, in mildem Lichte leuchtet der Lenz…“, ein Liebesduett, das Dorothea Herbert mit Glut und Leidenschaft belebt, mit sinnlichen Tönen in warmer Mittellage. Die Stimme von Corby Welch ist von beseeltem Klang, zutiefst innig, in schwelgendem Werben überzeugend. Sein Gesang schwingt mühelos in den Raum. Dass Tomasz Konieczny auch Schauspiel studiert hat, wird spätestens bei „Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind! Du meines Herzens heiligster Stolz! Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl! Muss ich dich meiden…“ offensichtlich. Überwältigt, tief ergiffen, blickt er gerührt (fiktiv) seiner nicht auf der Bühne stehenden Lieblingstochter Brünnhilde ins Antlitz. Das verstärkt die achtsamen Piani, die auf allerhöchstem Gesangsniveau aufleuchten, lässt große Ernsthaftigkeit zu. Der Schmerz, den ihm der Ungehorsam seiner Tochter bereitet, ist mehr als deutlich spürbar. Es ist einer der Glanzpunkte des Abends.
Eines der stärksten Orchesterstücke der Opernliteratur ist Siegfrieds Trauermarsch aus Wagners Die Götterdämmerung... Unter den attraktiven Orchester-Vor- und -Zwischenspielen des Ring-Zyklus ist er wie kein anderes ein Feuerwerk der Leitmotive. Da sich die Musik zum Triumphzug wandelt, ist mit Wagner das auf Beethoven zurückgehende sinfonische Prinzip "Durch Nacht zum Licht, per aspera ad astra" in der Oper angekommen. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden unter der Musikalischen Leitung von Michael Güttler erreicht bestechende Klangmischungen, soghaft wirkendes Musizieren voller Intensität, durchsetzt von fabelhaft gestalteter Klangdramaturgie. Brünnhilde „entzündet das Feuer“ und schickt Wotans Raben nach Walhall, damit sie den Göttern das Ende verkünden „Fliegt heim, ihr Raben! Raunt es eurem Herren, was hier am Rhein ihr gehört!“ Mit wissendem Ausdruck, mitfühlend und bewegend, beseelt in den Kantilenen besticht Magdalena Anna Hofmann zum großen Schluss.
Dieses Programm erforderte vom Orchester Unvergleichliches. Umso mehr sind die emotionalen Höhepunkte und die traumhaften Melodiebögen hervorzuheben, geschliffen und energiegeladen präsentiert, immer wieder klangrednerisch geschärft. Bei einem so anspruchsvollen Gala-Konzert (mit ungenügender Probenzeit) auf der Wellenlänge des Dirigenten zu sein, ist mehr als zu bewundern.
Es gab tosenden Beifall mit Standing Ovations!
Ein Résumé sei noch erlaubt: Es wurde zu einem großen Abend, weil Mitwirkende, das Hessische Staatstheater Wiesbaden mit Staatsorchester und Personal, teils unter enormem Zeit- und Termindruck, und Sponsoren, sich für die Verbesserung unserer Umwelt einsetzten. Ein großer Dank gilt allen! Die Unterstützung für das Wachstum unserer Wälder ist von unschätzbarem Wert. Gemeinsam kann Großartiges erreicht werden, und: Ein Baum kostet € 10.