Wiesbaden, Hessisches Staatstheater, UWE ERIC LAUFENBERG - Intendanz beendet, IOCO Aktuell
Die LH Wiesbaden und das Land Hessen, Träger des Hessischen Staatstheater Wiesbaden haben die Konsequenzen aus den jahrelangen Streitigkeiten in der Theaterleitung gezogen: „Uwe Eric Laufenberg wird seine Arbeit am Hessischen Staatstheater Wiesbaden einstellen........ .“
von Ingrid Freiberg
Dieser Artikel ist der persönlichste, den ich für IOCO bisher geschrieben habe. Deshalb verwende ich die „Ich-Form“ und stelle mein Credo an den Anfang:
Geboren in Wiesbaden, bin ich mit der Stadt und dem Hessischen Staatstheater Wiesbaden stark verwurzelt. Mein Vater war Beleuchtungsmeister an diesem Haus, so dass ich von Kindesbeinen an Theaterleben hautnah vor und hinter der Bühne erleben konnte. Theater ist mein Leben – das Musiktheater meine Leidenschaft. Musik öffnet mein Herz, spiegelt sich in meiner Seele wider.
Für jeden Opernliebhaber ist das Theater Zeugnis einer kompromisslosen Intimität mit der Opernbühne, faszinierend und lehrreich, eine seltsame Magie der Tagträume. Denn Kunst ist mehr als Unterhaltung. Kunst kann man nur mit allen Sinnen erleben. Was wäre das Theater ohne körperliche Anwesenheit, ohne unmittelbare Reaktion, ohne Lachen und Weinen, ohne Diskussionen. All das hat Uwe Eric Laufenberg dem Wiesbadener Publikum gegeben.
Uwe Eric Laufenberg lebt für die Kunst
Wie seiner Vita zu entnehmen ist, lebt Laufenberg für die Kunst, für die Künstlerinnen und Künstler, für seine Inszenierungen, für seine Rollen. Da bleibt nicht genügend Raum, ein Haus mit 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu führen. Schon gar nicht, wenn die Führungsebene nicht an einem Strang zieht.
Geboren in Köln, war Laufenberg als Schauspieler und Regisseur am Schauspiel Frankfurt, Schauspiel Köln und Schauspielhaus Zürich tätig und anschließend als Oberspielleiter am Maxim-Gorki-Theater in Berlin engagiert. Schauspiel-Gastinszenierungen waren ab 1993 unter anderem am Deutschen Theater Berlin, Residenztheater München und Burgtheater Wien zu sehen. Operninszenierungen erarbeitete er u. a. am Landestheater Linz „Der Ring des Nibelungen“, an der Wiener Staatsoper „Elektra“, Semperoper Dresden und am Gran Teatre del Liceu Barcelona „Der Rosenkavalier“, Théâtre Royal de la Monnaie Brüssel, an der Komischen Oper Berlin sowie an der Staatsoper Hamburg. Die Bayreuther Festspiele 2016 eröffneten mit seiner Inszenierung des „Parsifal“. Die New York Times schrieb damals „Ein großartiger, provokanter Parsifal in Bayreuth". Zwischen 2004 und 2009 war er Intendant des Hans-Otto-Theaters Potsdam und von 2009 bis 2012 Intendant der Oper Köln. Dort kam es zu einem Auflösungsvertrag, weil der Neubau des Schauspielhauses von den Verantwortlichen gestürzt wurde, mit für die Oper grauenhaften Konsequenzen. Damals sagte Laufenberg voraus, dass sich die geplante Bausumme von 320 Mio. € verdoppeln und die Interimszeit, nicht wie vorgesehen 3 Jahre, sondern 10 Jahre dauern werde. In 2024 beläuft sich die Sanierung der Städtischen Bühnen Köln nun auf mindestens 1 Mrd. € und die Häuser sind auch nach 12 Jahren noch nicht eröffnet.
Besonders zu erwähnen ist, dass unter seiner Leitung die Oper Köln „Oper des Jahres“ wurde. Er war der Macher des künstlerischen Erfolgs.
Kreativer und streitbarer Intendant
Ich vermute, dass dies, obwohl die Entscheider bereits seinen kritischen Geist kannten, dazu führte, ihn mit Beginn der Spielzeit 2014.2015 als Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden zu verpflichten. Dort eröffnete er mit Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ und „Herzog Blaubarts Burg“, adaptierte seine Inszenierung von Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ für Wiesbaden, die bereits in Potsdam, Köln und im Irak (Sulaymaniyah) zu sehen war. Es folgten u. a. „Otello“, „Così fan tutte“, Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“, „Tannhäuser“, „Arabella“, ein Mozart-Doppel aus den beiden Opern „Idomeneo“ und „Titus“, „Carmen“, „Die Hochzeit des Figaro“, Puccinis „Trittico“, „Tristan und Isolde“, „Pique Dame“, „Don Carlo“, „Die Lustige Witwe“, Mozarts „Zauberflöte“ und Verdis „Falstaff“.
Für das Schauspiel inszenierte er Thomas Manns „Die Buddenbrooks“, Henrik Ibsens „Hedda Gabler“, Friedrich Schillers Drama „Don Karlos“, die Deutsche Erstaufführung von Tom Stoppards „The Hard Problem“ und Michel Houellebecqs „Unterwerfung“, Kleists „Zerbrochenen Krug“, eine „Beckett-Trilogie“, „König Lear“, „Die drei Schwestern“, „Tartuffe“ und in der Spielzeit 2023.2024 Shakespeares „Der Sturm“, wo er auch die Hauptrolle (Prospero) spielte.
Als Schauspieler war Uwe Eric Laufenberg Dr. med. Hiob Prätorius, Kreon in „Die Antigone des Sophokles“, Professor Henry Higgins in „My Fair Lady“, Sir Ridgeon in „Doktors Dilemma“ zu sehen, und spielte die Titelrolle in Hauptmanns „Michael Kramer“. Seine Vielseitigkeit bewies er u.a. als Sprecher beim 8. Sinfoniekonzert des Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden.
Laufenberg verpflichtete Sänger*innen von Weltniveau und beflügelte den Spielbetrieb auch gegen Widerstände
Schon beim Lesen dieser Aufzählung wird bewusst, dass Laufenbergs Schwerpunkt im künstlerischen Bereich lag. Es gelang ihm, Sänger*innen von Weltniveau zu engagieren, wie Andreas Schager, Klaus Florian Vogt, Michael Volle, Željko Lučić, Catherine Forster, Anna Netrebko u.v.a.m.
Er sorgte auch für Aufregungen. Während der Biennale 2018 wurde eine goldene Erdogan-Statue mit Blick auf die Wellritzstraße, dem „Klein-Istanbul von Wiesbaden“, aufgestellt, was zwischen Deutschen, Türken und Kurden nicht nur zu heftigen Diskussionen führte, sondern letztendlich auch zur frühzeitigen Entfernung der Statue.
Zur Corona-Zeit ist es ihm gelungen, den Spielbetrieb auch gegen viele Widerstände aufrechtzuerhalten. Ich denke dabei insbesondere an den grandiosen Ring des Nibelungen nur mit Klavierbegleitung. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass Wagners Gesamtkunstwerk ohne Orchesterbegleitung begeistern kann. Die Pianistin Alexandra Goloubitskaia bewältigte diese Mammutaufgabe mit einem Höchstmaß an Virtuosität. Selbst die New York Times berichtete: „Das Hessische Staatstheater Wiesbaden wiedereröffnet als erstes deutsches Theater unter Corona-Bedingungen.“
Äußerst umstritten war auch der Auftritt von Anna Netrebko als Sklavin Abigaille in Nabucco. Etwa 100 bis 300 ukrainische Demonstranten, laut Polizeiangaben sogar 450, taten blaugelb beflaggt ihrem Unmut vor dem Wiesbadener Staatstheater kund. Sie wandten sich gegen das Engagement der Starsopranistin und schafften es auch, etwa 25 Musiker des Hessischen Staatsorchesters vor das Hauptportal zu locken, um dort die ukrainische Nationalhymne und die Europahymne zu spielen. Auf Schildern sah man Leichen und ein Bild von Netrebko, der man vorwarf, den Krieg in der Ukraine unterstützt zu haben.
Aufkommender Konflikt in der Leitungsebene
Als 2021 der bisherige Geschäftsführer der Bayreuther Festspiele, Holger von Berg, die Funktion des Geschäftsführenden Direktors am Hessischen Staatstheater Wiesbaden übernahm, zogen dunkle Wolken auf. Die Leitungsebene konnte oder wollte nicht zum Wohle des Hauses zusammenarbeiten. Schwierig gestaltete sich auch der Dialog mit der Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Angela Dorn. Um vorhersehbaren Schaden vom Theater abzuwenden, hätte sie sich m. E. mehr einsetzen müssen. Auch Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Kulturdezernent Axel Imhof verhielten sich zu bedeckt.
Seit Monaten befindet sich Holger von Berg, der die Verträge der Künstler*innen unterschreiben muss, im Krankenstand. Damit war das Theater manövrierunfähig geworden. Einem großen Teil der Mitarbeiterschaft ist angesichts der Dauerkrise der zerstrittenen Leitung ihre Einsatzfreude längst vergangen. Tiefe Gräben taten sich auf - die Belegschaft rieb sich auf, offenbar zwischen der Forderung der Kunstfreiheit, die die künstlerisch Verantwortlichen vertreten, und den schwieriger werdenden finanziellen Rahmenbedingungen. Eine größere Gruppe, deren Sprecher der Schauspieldirektor Wolfgang Behrens und die Dramaturgin Anika Bardos waren, veröffentlichten eine Erklärung zur Krise des Hauses. Sie richteten scharfe Vorwürfe gegen den geschäftsführenden Direktor Holger von Berg. Er gefährde mit seinem Handeln die Grundlagen des Theaterbetriebs. Der Konflikt zwischen Laufenberg, dem Geschäftsführenden Direktor Holger von Berg, dem Ministerium und der LH Wiesbaden eskalierte mit einer Streichliste, mit der acht Produktionen abgesagt werden sollten. Hintergrund der Eskalation war ein Streit Laufenbergs mit Holger von Berg um die Umsetzung von Sparmaßnahmen im Spielplan.
„Man könne es leider nur als komplettes politisches Versagen ansehen, wenn die Staatssekretärin Ayse Asar und der Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl statt mit den betroffenen Leitungsmitgliedern und Künstler*innen des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, die sich in ihrer Not an sie gewandt haben, eine öffentliche Erklärung abgeben, die in keiner Weise den Tatsachen entspricht“, so Laufenberg. „Es sei falsch zu behaupten, dass es für vorgenommene Absagen von Proben und Aufführungen keinen Grund gebe.“ Auf der anderen Seite fordere das Ministerium, Produktionen zu streichen – und schaffe „die künstlerische Freiheit endgültig ab.“ Das sei, so Laufenberg, „ein markanter Rechtsbruch.“ Dazu Ayse Asar „Die Dienstanweisung, die die Aufgaben des Intendanten und des Geschäftsführenden Direktors als Bühnenleitung regelt, legt ihnen auf, ihre Aufgaben im Einvernehmen mit dem jeweils anderen zu erfüllen - dass dies in der aktuellen Bühnenleitung nicht optimal gelingt, ist kein Geheimnis.“
Intendanz von Uwe Eric Laufenberg endet mit einem Paukenschlag
Nun hat die LH Wiesbaden und das Land Hessen als Träger des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden die Konsequenzen aus den jahrelangen Streitigkeiten und den zerrütteten Verhältnissen in der Theaterleitung gezogen. Mit einem Paukenschlag, drei Tage nach seinem Amtsantritt, hat Timon Gremmels (SPD), neuer Hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, sich mit Uwe Eric Laufenberg zu einem Gespräch getroffen. Beide Seiten beschlossen, die gemeinsame Arbeit nach fast zehn Jahren zum 22. Januar 2024 zu beenden. „Uwe Eric Laufenberg wird seine Arbeit zu diesem Datum am Hessischen Staatstheater Wiesbaden einstellen und dort weder weiter spielen noch inszenieren.“
„Das ist noch nicht die Antwort auf alle Probleme – aber es kann die Möglichkeit schaffen, daraus Lösungen zu entwickeln“, sagt Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) zum Abgang von Theaterintendant Uwe Eric Laufenberg. „Das Theater soll sich jetzt wieder seinen Kernaufgaben widmen. Die ständigen Meldungen aus dem Theater haben uns sehr beschäftigt. Das war eine unerfreuliche Situation – eine Auflösung dieses Knotens ohne eine Intervention der Träger war nicht zu erwarten.“ Sein Wunsch sei, einen verlässlichen Spielplan zu entwickeln und die Weichen für neue Produktionen der künftigen Intendantinnen zu stellen. Von der Unternehmensberatung, die aktuell die Prozesse im Theater untersucht, erhoffe er sich „eine belastbare und von allen akzeptierte Faktenbasis. Der Schritt soll ermöglichen, dass Ruhe einkehrt und nun endlich wieder die künstlerische Strahlkraft des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden im Fokus steht.“ Man müsse schauen, was man von den von Laufenberg geplanten Produktionen realisieren könne oder absagen müsse – ohne dass mehr Kosten entstehen. Auf die Frage „Geht es bei der Vertragsauflösung auch um Abfindung oder bezahlte Freistellung?“ hüllen sich die Parteien in Stillschweigen.
Dr. Hendrik Schmehl, Nachfolger von Angela Dorn, „Ich gehe davon aus, dass die Internationalen Maifestspiele 2024 wie geplant stattfinden! Wie ich höre, sind die Verträge für den „Ring“ mittlerweile unterschrieben.“ Die Frage sei allerdings, ob das Theater von der Personalausstattung her dazu in der Lage ist, die Internationalen Maifestspiele zu stemmen, da zahlreiche Stellen in Produktion und Technik nicht besetzt sind. „Es muss möglich sein, diese systemisch relevanten Positionen zu besetzen.“ Schmehl hofft auf die Ergebnisse der Unternehmensberatung. Dieser Auftrag koste die Stadt 180.000 Euro – der Anteil des Landes komme noch hinzu. Aktuell laufen Gespräche mit der zweiten Führungsebene des Theaters. „Wir gehen davon aus, dass sie das Haus interimistisch bis zur neuen Intendanz überführen.“ Schmehl würdigte die Verdienste Laufenbergs: „Bei den beiden Biennalen war das Staatstheater in aller Munde. Auch der klassische Kanon mit Wagner hat nach Wiesbaden gezogen.“
Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Kulturausschusses, Nicolas Jacobs (CDU), habe sich die Kontroverse innerhalb des Theaters in den letzten Wochen immer weiter zugespitzt, „die Situation war schwer erträglich für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und hat dem Ansehen des Hauses massiv geschadet.“ Daher begrüße er ausdrücklich, „dass nun eine schnelle und einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Ich erwarte, dass die Verantwortlichen von Stadt und Land das Haus neu aufstellen und tragfähige Lösungen für den Übergang finden.“ Für Ernst Szebedits, Vorsitzender des Kulturbeirates, ist es klar, „dass die Situation für alle Beteiligten in der letzten Zeit sehr schwierig war.“ Aus der Diskussion im Beirat könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass auch vonseiten des Kulturbeirats begrüßt werde, dass die Träger einen Ansatz zur Konfliktlösung gefunden haben. Für die Theaterfreunde Wiesbaden stellt der Vorsitzende Helmut Nehrbaß fest: „Wir bedauern, dass die Intendanz von Uwe Eric Laufenberg nach künstlerisch erfolgreichen Jahren nun dieses Ende gefunden hat. Wir hoffen sehr, dass die kulturell wertvolle Arbeit des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden nun wieder in ruhigen Bahnen verlaufen wird.“ Timon Gremmels dankt Laufenberg für „gute künstlerische Arbeit. Ich freue mich, dass in dem lang schwelenden Konflikt nun einvernehmlich ein Lösungsansatz gefunden werden konnte.“ Laufenberg dankt dem Minister für seine Initiative: „Ich hoffe, durch diesen Schritt dazu beitragen zu können, dass für das Publikum und die Mitarbeitenden des Theaters eine gute Perspektive geschaffen wurde.“
Und ich danke Uwe Eric Laufenberg für zahlreiche aufregende und beglückende Theaterabende in „meinem Theater“. Ich werde diese Jahre nicht vergessen!