Hamburg, Staatsoper, TRIONFI - Carl Orff, IOCO

TRIONFI - Hamburg: Mit einer phänomenalen Neuproduktion eröffnete die Hamburger Staatsoper die Spielzeit 2024/25: Trionfi, ein Triptychon aus Carl Orffs szenischen Kantaten Catulli carmina, Trionfo di Afrodite, und Carmina burana.

Hamburg, Staatsoper, TRIONFI - Carl Orff, IOCO
Hamburger Staatsoper @ Michael Westermann

von Wolfgang Schmitt

Mit einer phänomenalen Neuproduktion eröffnete die Hamburger Staatsoper die Spielzeit 2024/25: Trionfi, ein Triptychon aus Carl Orffs szenischen Kantaten Catulli carmina, Trionfo di Afrodite, und Carmina burana.

Das Publikum war einhellig begeistert von dieser szenischen Realisation. Es gab Ovationen für sämtliche Mitwirkenden einschließlich des Noch-GMDs Kent Nagano, der sonst eigentlich stets mit 'Buhs' bedacht wird.

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Was der spanisch-katalanische Regisseur Calixto Bieito hier auf die Bühne gestellt hat ist schlichtweg ein sensationelles Happening und ein wahres Bacchanal. Er ist ja bekannt für seine sexuell aufgeladenen Inszenierungen, und bei diesen drei Werken von Carl Orff, deren gemeinsame Themen hauptsächlich Liebe, Sex, Begierde, Leidenschaft und Sinnlichkeit sind, konnte er sich im wahrsten Sinne des Wortes austoben, seinen Ideen und erotischen Phantasien freien Lauf lassen und das Publikum auch mit nackten Tatsachen konfrontieren, für die diese drei Werke Carl Orffs ja  reichlich Stoff bieten.

So entwickelte Orff für „Catulli carmina“ eine Handlung aus Gedichten des römischen Schriftstellers Catull über die Vergänglichkeit der Liebe. Während die jungen Leute sich an ihrer Sinnlichkeit laben und sich an der Schönheit ihrer Körper erfreuen, sind die Älteren abgeklärter aufgrund ihrer Lebenserfahrungen und amüsieren sich über die Blauäugigkeit der Jungen, die noch an ewige Liebe und Treue glauben. Catull hat mit seiner Geliebten Lesbia alle Höhen und Tiefen der Liebe erlebt: Begehren, Sinnlichkeit, Leidenschaft, Untreue, Eifersucht. Doch die Jungen wollen in ihrer Einfalt  nicht an die Vergänglichkeit der Liebe glauben und geben sich weiter ihren Sinnenfreuden und leiblichen Genüssen hin.

„Trionfo di Afrodite“ ist quasi ein Rückblick auf die Hochzeitsfeier von Catull und Lesbia. Orff  bearbeitete den Text hierzu auf lateinisch und altgriechisch, basierend auf den Dichtungen von Catull sowie von Sappho und von Euripides.

Carmina burana schließlich sind Vagantendichtungen und Dramentexte aus dem Kloster Benediktbeuern, entstanden im 11. und 12. Jahrhundert und 1803 wiederentdeckt. Orff wählte 24 dieser Texte aus und entwarf ein Libretto, welches er nach bekannten Stilmerkmalen des Mittelalters vertonte. Die Texte seines Librettos umfassen Themen wie Wollust, Völlerei, Trinken,  Glücksspiel, Wohlstand, die Allmacht des Eros, die Flüchtigkeit des Lebens und die stete Rückkehr des Frühlings.

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Carl Orff  (1895-1972) schrieb Carmina burana 1936, die Uraufführung fand 1937 in Frankfurt statt. Bereits 1930 vertonte Orff sieben Gedichte Catulls und nannte sie  „Catulli carmina“. 1943 entwarf er eine Rahmenhandlung dazu, die sich auf die Geschichte von Catull und Lesbia bezieht und schrieb das Libretto auf lateinisch. Uraufgeführt wurde dieses Werk 1943 in Leipzig.

Der dritte Teil seiner Trilogie Trionfi di Afrodite entstand zwischen 1949 und 1951 und wurde 1953 an der Mailänder Scala unter keinem geringeren als Herbert von Karajan uraufgeführt, der auch die Regie führte und hier erstmals alle drei Werke als Trilogie präsentierte.

Meistens werden diese drei Werke lediglich konzertant aufgeführt, und so ist es der Hamburger Staatsoper zu danken, daß dieses Triptychon nunmehr in seiner Gesamtheit auf der Bühne zu erleben ist, noch dazu in dieser packenden, faszinierenden und erotisch aufgepeitschten Inszenierung von Calixto Bieito.

Der große, von Rebecca Hingst konzipierte Bühnenraum ist hell und wird von bunten Videos umrahmt. Der Orchestergraben ist abgedeckt, das Orchester befindet sich auf einem hohen breiten Podest im hinteren Teil der Bühne. Unter der Leitung von Kent Nagano spielte das Philharmonische Staatsorchester hoch engagiert und präzise, voller elementarer Kraft und Pathos, entfaltete meisterhaft die musikalische Dynamik und die gravitätische Wucht von Orffs genialen Kompositionen.

Im ersten Teil „Catulli carmina“ - hier besteht das Orchester aus vier Klavieren, vier Pauken und weiteren Schlaginstrumenten - beeindruckt Oleksiy Palchykov nicht nur mit seinem sowohl kraftvoll als auch sehr lyrisch und falsettiert eingesetztem klangvollem Tenor als Catullus, sondern er hat auch darstellerisch so einiges zu leisten. So muß er zu Beginn seiner Szene einen Flügel hinter sich her ziehen, dem dann Nicole Chevalier als Lesbia entsteigt und mit ihrem silbrigen höhensicheren lyrischen Sopran beeindruckt. Auch sie hat starke szenische Momente, z.B. wenn sie von einem halben Dutzend nackter Statisten bedrängt wird und dabei noch schön zu singen in der Lage ist.

TRIONFI - Ensemble beim Schlußapplaus: von links Yasmin Saleh (Fortuna), Cody Quattlebaum (Bariton), Sandra Hamaoui (Soprn), und Jake Arditti (Countertenor als Schwan) - Copyright Wolfgang Radtke

Auch der für diesen ersten Teil extra engagierte ukrainische Chor Liatushmynski Capella aus Kiew wartete, neben großartigem Gesang, auch mit intensiver Darstellung und perfekt einstudierter Choreographie auf. Die Damen trugen leichte bunte Kleider, die Herren weiße Hemden mit Krawatte (Kostümentwürfe in Anja Rabes).

Für den zweiten Teil, „Trionfi di Afrodite“, wurden weitere Podeste für das jetzt große Orchester auf den hinteren Teil der Bühne geschoben. Zelebriert wird hier eine antike Hochzeitsfeier. Catull und Lesbia waren das Brautpaar (Oleksiy Parchykov und Nicole Chevalier), daneben ein Dutzend weitere Brautpaare, und – wie bereits im ersten Teil auch hier – eine kleine Statistin als Fortuna, Yasmin Saleh, die das Geschehen durch Mimik und Gestik kommentierte.

Auch in diesem Teil war Nacktheit angesagt, sogar der Bariton Cody Quattlebaum präsentierte sich nackt im Glaskasten, aber dann trat auch er im Brautkleid auf und ließ sich mit Blut beschmieren.

Den fulminanten Abschluß  dieses Triptychons bildete „Carmina burana“, sensationell in Szene gesetzt als überbordendes Bacchanal, in welchem sich sämtliche Choristen, Statisten, sowie der Kinder-, Jugend- und Knabenchor austoben konnten in einem ausufernden Gelage, wo der Rotwein in Strömen floß und die Zuschauer in der ersten Reihe mit Plastikcapes ausgestattet wurden, damit die Garderobe keine Spritzer abbekommt. Auch zwei recht beleibte Herren, Bacchus und Dionysos, traten auf und machten es sich links auf der Bühne gemütlich.

Cody Quattlebaum mit dunklem, warm timbrierten Bariton hatte in diesen nahezu unübersichtlichen, und dennoch irgendwie geordnet wirkenden Massenszenen seine großen Momente, z.B. als dem Alkohol heftig zusprechender Abt, oder wenn er die Sopranistin singend auf seinen Schultern trug.

Dann Sandra Hamaoui, die ihren glockenhellen lyrischen Sopran auch kopfüber singend perfekt zur Geltung bringen konnte, und deren „Dulcissini“ wie ein 'Gruß vom Himmel' klang, um sich zu guter Letzt in orgiastischen Zuckungen zu ergehen.

Schließlich Jake Arditti, er wurde als Schwan am Bratenspieß auf die Bühne getragen, sang mit strahlendem, geschmeidigem, technisch perfektem Countertenor sein Lamento, während man an ihm herum zupfte und seinen gegrillten Leib anknabberte.

Die Ovationen, die das begeisterte Publikum am Ende sämtlichen Mitwirkenden entgegen brachte,  währten etwa 15 Minuten. Dieses grandiose Happening, dieses Trionfi war für die Hamburgische Staatsoper zu Beginn dieser neuen Spielzeit wahrlich ein Triumph.

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