Hamburg, Staatsoper, EUGEN ONEGIN - P. Tschaikowsky, IOCO
EUGEN ONEGIN an der Staatsopr: Auch nach 45 Jahren hat Adolf Dresens meisterliche Inszenierung von Peter I. Tschaikowskys Eugen Onegin in den wunderbar anzusehenden Bühnenbildern von Karl-Ernst Herrmann noch keinen Staub angesetzt und nichts von ihrem Charme verloren.
von Wolfgang Schmitt
Auch nach 45 Jahren hat Adolf Dresens meisterliche Inszenierung von Peter I. Tschaikowskys Eugen Onegin in den wunderbar anzusehenden Bühnenbildern von Karl-Ernst Herrmann noch keinen Staub angesetzt und nichts von ihrem Charme verloren. Die rustikale Veranda von Larinas Landhaus in der ersten Szene mit dem Obstgarten, die Eingangshalle, in der sich Tatjanas Geburtstagsfeier abspielt, oder die letzten beiden Bilder im prächtigen Ballsaal Gremins, noch immer sind diese Bilder beeindruckend und verleihen ihnen ein authentisches Flair, nicht zuletzt auch durch die der damaligen Zeit entsprechenden zünftigen bis eleganten, von Margit Bardy entworfenen Kostüme.
Die Wiederaufnahme am 14. April 2024 wirkte denn auch liebevoll und detailgetreu aufbereitet. Auch musikalisch war der Abend eine Erfüllung. Die hochsensible Leitung des Abends lag in den Händen des jungen britischen Dirigenten Finnegan Downie Dear. Mit dem Philharmonischen Orchester konnte er ein klar umrissenes Tschaikowsky-Bild präsentieren und bot eine wunderbare emotionale Intensität, besonders was die Streicherbegleitung und die Einbettung der Holzbläser betraf. Es spielte schwungvoll und akzentuiert in den Chorszenen, aber auch dramatisch unheilvoll wie im dritten Bild, der Konfrontation zwischen Tatjana und Onegin im Garten, und natürlich im düsteren Duellbild. Doch die romantische Melancholie von Tschaikowskys Komposition überwog in jeder dieser sieben „lyrischen Szenen“.
Wie in den vergangen Spielzeiten war auch jetzt wieder Alexey Bogdanchikov als hochmütiger Onegin zu erleben, als ein reicher Dandy, der das Treiben dieser Leute vom Lande distanziert und gelangweilt betrachtet und der schließlich als der große Verlierer dasteht. Sein markanter Kavaliersbariton klingt elegant und geschmeidig, dramatisch ausdrucksvoll in seiner Verzweiflung. Darstellerisch gefiel er besonders in den letzten beiden Bildern als getriebener und schließlich gebrochener Lebemann.
Ihr Rollendebüt als Tatjana gab an diesem Abend Elbenita Kajtazi. Diese junge aus dem Kosowo stammende Sopranistin ist Ensemblemitglied der Hamburger Staatsoper, feierte hier ihre Erfolge als Micaela, Manon, Violetta, Mimi, und gastiert bereits in Berlin, Dresden und Paris. Als Tatjana gelang ihr ein anrührendes Portrait. Ihrem in allen Lagen sicher geführtem großen lyrischen Sopran konnte sie eine Vielfalt von dunklen melancholischen Farben abgewinnen, und so bestach sie vor allem in ihrer auch darstellerisch gelungenen Briefszene sowie im letzten Bild mit Onegin, in dem sie ihre Stimme zu dramatischen Ausbrüchen befähigte und mit wunderbaren Spitzentönen krönte.
Wie schon in den vergangenen Spielzeiten bestach Dovlet Nurgeldiyev auch jetzt wieder als Lenski mit seinem makellos geführten lyrischen Tenor von edlem Timbre bei perfekter lupenreiner Intonation und melancholischem Ausdruck. Sowohl im ersten Bild bei seinem Duett mit Olga, als auch zu Beginn des Ensembles im vierten Bild bot er allerschönste Lyrik, die er schließlich mit seiner großen innig empfundenen Arie „Kuda Kuda“ im fünften Bild krönte, in der er die Angst vor dem Vergessen werden und eine nahende Todesahnung ausdrückt. Diese Arie gerät immer zu einem der Höhepunkte des Abends und sicherte ihm auch jetzt wieder minutenlangen Szenenapplaus.
Erstmals in dieser Inszenierung sang Alexander Roslavets den Fürsten Gremin. Seine große Arie gestaltete er umwerfend schön, nobel und voller Wärme mit tiefschwarzer bassiger Klangfülle.
Kristina Stanek als stets fröhliche Olga brillierte gleich im ersten Bild in der Arie „Oh Tanya Tanya“ mit ihrem dunklen dramatischen Mezzosopran und machte durchaus glaubhaft, daß sie für Schwermut nicht zu haben sei.
Katja Pieweck überzeugte als distinguierte Larina sowohl stimmlich als auch mit darstellerischer Gewandheit neben der gemütlich wirkenden Amme Filipjewna von Janina Baechle.
Peter Galliard verließ sich beim Couplet des Monsieur Triquet in der Ballszene auf seine Charakterisierungskunst, während in den kleinen Partien André Nevans als Vorsänger, Mateusz Lugowski als Hauptmann, und Liam James Karai als Saretzki das erstklassige Solistenensemble ergänzten.
Der von Christian Günther perfekt einstudierte und von Rolf Warter noch immer eindrucksvoll choreographierte Chor erfüllte seine diffizilen tänzerischen Aufgaben in dieser Inszenierung wie immer phänomenal und fehlerfrei.
Am 14. April war es die 94. Vorstellung seit dem 11. Februar 1979, dem Tag der Premiere unter der Leitung von Christoph von Dohnanyi mit Bernd Weikl und Anja Silja in den Hauptpartien.
Es folgen noch zwei Vorstellungen in dieser Spielzeit. Nur 96 Vorstellungen dieser wunderschönen Eugen Onegin-Produktion innerhalb von 45 Jahren sind eigentlich ziemlich wenig....