ROBIN ADAMS, Bariton - im Interview mit IOCO, Adelina Yefimenko
Dr. Adelina Yefimenko interviewte für IOCO den englischen Bariton Robin Adams, der nun in Genf sein Debüt in der Titelrolle von Saint François d'Assise von Oliver Messiaen gab .....
Der englische Bariton Robin Adams, bekannt für sein Engagement für ein zeitgenössisches Repertoire (John Adams, Hans Werner Henze, György Ligeti, George Benjamin), gab nun sein Debüt in der Titelrolle Saint François d'Assise von Oliver Messiaen. Le Figaro schrieb über den Sänger: "Ein Erfolg im Ganzen, getragen von dem Bariton Robin Adams und einem ausufernden Bühnenbild".
Robin Adams hat schon alle wichtigen Werke des Opernrepertoires gesungen (von Mozarts Don Giovanni bis Alban Bergs Wozzeck). Für seine Interpretation der Hauptrolle des „Prinz von Homburg“ von Hans Werner Henze in Stuttgart wurde Robin Adams von den deutschen Zeitschriften als bester Sänger 2021 ausgezeichnet. Robin Adams lebt in Bern, wo er viele seiner großen Rollen schon gesungen hat. Er singt auch Pop, Musicals und ist zudem ausgezeichneter Jazzpianist.
Die langjährige IOCO - Korrespondentin Dr. Adelina Yefimenko besuchte die Premiere des Saint François d'Assise von Oliver Messiaen im April 2024 im Grand Théâtre de Genève und sprach mit dem Adams über seine Partie und auch über den Schwerpunkt der Neuinszenierung (Regie, Bühnenbild, Kostüme, Video, u.a.) des algerisch-französischen Künstlers Adel Abdessemed.
Adelina Yefimenko: Robin, Deine Bühnen-Performance überraschte nicht nur mit einer starken vokalen Präsenz, sondern waren auch stets mit einer extremen physischen Leistung verbunden. Beispielsweise, die gefährlichen Stürze auf dem Boden der apokalyptischen Erde in „Sycorax“ in der Oper von Georg Friedrich Haas des Staatstheaters Bern, Foto folgend, gab es in der Neuinszenierung „Saint François d'Assise“ im fünften Bild, als der Heilige François in Ohnmacht fällt. Deine Erfahrung mit den Hauptrollen in Wagners „Rheingold“ (Alberich in Stuttgart) und Bergs „Wozzeck“ (Wozzeck in schickem Damenabendkleid in Freiburg) kann nicht jeder Sänger ausführen. Wenn Du als Alberich, fest-gebunden auf dem riesigen Holzrad, ausdrucksvoll singst, das dann auch noch schnell gedreht wird, ist nicht nur bewundernswert, sondern auch sehr gefährlich. Bist Du gut krankenversichert? Und im Ernst, wie stark war die physische Herausforderung in der Hauptrolle Saint François d'Assise für Dich?
Robin Adams: Lachend - ja ich bin gut versichert. Ich arbeite tatsächlich sehr gerne mit meinem Körper, und versuche dadurch stets eine hoffentlich ‘untypische’ performative Freiheit für die Oper zu erlangen.
Die physische Herausforderung von Saint François ist hauptsächlich nur die Länge des Abends. Es geht um die Ausdauer.
Adelina Yefimenko: Wie lange hast Du für diese Mammut-Rolle geübt? Welche effektiven Methoden kannst Du für die Interpretation dieser komplexen Figur verraten und Deinen Kollegen empfehlen?
Robin Adams: Ich habe on and off ein Jahr lang dafür geübt, hauptsächlich auswendig gelernt. Ich habe mich mal stimmlich mal inhaltlich damit befasst.
Ich habe mich auch sehr genau mit der französischen Sprache befasst, um möglichst akzentfrei singen zu können. Bei der Interpretation dieser Figur habe ich versucht, möglichst menschlich ranzugehen.
I wanted to show him as a human being with humility and empathy, and not as a superhero saint. I also did not want to show the catholic side of him so much, but thought it is necessary to have a more universal spiritual view of the world also using elements of Buddhism in my interpretation.
Ich wollte ihn als menschliches Wesen mit Demut und Einfühlungsvermögen zeigen, und nicht als einen Superhelden und Heiligen. Ich wollte auch nicht so sehr die katholische Seite an ihm zeigen, aber ich dachte, es sei notwendig, eine universellere spirituelle Sicht der Welt zu haben und auch Elemente des Buddhismus in meiner Interpretation zu verwenden.
Adelina Yefimenko: Als Kirchenmusiker, der ca. 60 Jahre lang an der Dreifaltigkeitskirche (La Trinité) in Paris tätig war, betrachtete Messiaen seine Kreativität als Liturgie und schöpfte seine musikalischen Ideen vom christlichen Glauben, von seiner täglichen liturgischen Praxis und aus der Natur und dem Vogelgesang. Die abstrakten Konstruktionen seiner Kompositionen (Symmetrie, die simultane Zeit, quantitative Metrik) zeugen weniger von der innovativen Haltung des Avantgarde-Komponisten als von seinem Wunsch, die transzendenten Bestimmungen der göttlichen Ordnung in der Musik zu offenbaren. Diese Inszenierung war nicht katholisch oder überhaupt christlich, sondern pluri-religiös. Im siebten Bild, in dem François die Stigmata empfängt, wirkte die Inszenierung auf der Bühne nicht nur mit dem dunklen Kirchengebäude ohne Kirchenfenster sogar religionskritisch. Sollte die Figur des François im Wort, Klang und im Verhalten christlich, pantheistisch, buddhistisch oder vielleicht auch naturwissenschaftlich sein? Hast Du deine Saint François Verkörperung als Ausdruck Deines persönlichen Glaubens dargestellt?
Robin Adams: as I touched on in my last answer…yes I wanted to make it a personal interpretation because I feel that is the most honest way to be on stage. It was important to me to show a modern kind of spirituality and not a limited religious worldview. So, for me, he is Buddhist, Hindu, Muslim, Christian, all in one.
(Wie ich bereits in meiner letzten Antwort erwähnte... ja, ich wollte eine persönliche Interpretation, weil ich glaube, dass das die ehrlichste Art ist, auf der Bühne zu stehen. Es war mir wichtig, eine moderne Art von Spiritualität zu zeigen und nicht eine begrenzte religiöse Weltanschauung. Für mich ist er also Buddhist, Hindu, Muslim, Christ, alles in einem).
Adelina Yefimenko: Eine Frage über die Gattungsmerkmale dieses spirituellen Werks, das die Grenze der Gattung Oper sprengt. Für mich ist das Werk Messiaens ein musikalisches Äquivalent oder ein Kommentar zum Leben mystischer Philosophen und Heiliger wie Thomas von Aquin, Bernhard von Clairvaux, Katharina von Siena und auch François d'Assise. Auf der Suche nach einer neuen Gattungsdefinition benannten Musikwissenschaftler „Saint François d'Assise“ als Fabel, Mysterium, Liturgie, Hagiographie, Meditation etc. Wie würdest Du diese von Messiaen einfach bezeichneten „Franziskanerszenen in drei Akten und acht Szenen“ definieren?
Robin Adams: For me it’s a kind of anti-opera, eine Aneinanderreihung von Zuständen, each tableau is a representation of a human condition, suffering, empathy, love, spiritual ecstasy. There is no “roter Faden” im herkömmlichen dramaturgischen Sinn. It’s a kind of “rituelles Spiel“, there is a lot of freedom to interpret this work, this is an advantage but can also be a disadvantage, one has to be very clear about what one wants to say with it , as it leaves so much open.
(Für mich ist es eine Art Anti-Oper, eine Aneinanderreihung von Zuständen, jedes Tableau ist eine Darstellung eines menschlichen Zustands, Leid, Mitgefühl, Liebe, spirituelle Ekstase. Es gibt keinen "roten Faden" im herkömmlichen dramaturgischen Sinn.
Es ist eine Art "rituelles Spiel", es gibt eine große Freiheit, dieses Werk zu interpretieren, das ist ein Vorteil, kann aber auch ein Nachteil sein, man muss sich sehr klar darüber sein, was man damit sagen will, weil es so viel offen lässt).
Adelina Yefimenko: Jetzt speziell zur Neuinszenierung. „Saint François d'Assis“: Es war die erste Opernerfahrung des bekannten zeitgenössischen bildenden Künstlers Adel Abdessemed. Er ist ein Neuling in der Theaterregie. Trotz seiner illustrativen Deutung des Werks war seine Lesart nicht nur eine Bebilderung der Oper. Durch die gigantische Skulptur der Taube, durch seine Installationen des David-Sterns, buddhistischen und islamischen Mosaiken, durch gigantische Grafiken, die das Thema »sein Kreuz tragen« betonten, und die Videoinstallationen exotischer Vögel auf den riesengroßen hängenden Metallringen hat der Regisseur viele parallele Kontexte angedeutet, die sich mit zeitgenössischen Problemen auseinandersetzen. Welche Akzente dieser Inszenierung waren für Dich als Hauptdarsteller optimal oder bereichernd und welche vielleicht überflüssig?
Robin Adams: das ist eine sehr schwierige Frage, Adel ist haupt-sächlich ein bildender Künstler, ich musste meinen Weg durch seine installativen Elemente finden und suchen. Das war für mich sehr bereichernd, weil ich Abstraktion in der Oper sehr mag, und versuche immer Naturalismus zu vermeiden. In diesem Fall haben wir ein Art “naturalistic abstraction” gefunden. Die Dimensionen seiner installativen Bühnen-Elemente waren so groß, dass es schön war zu spüren, was für eine Energie auf der Bühne entsteht, wenn man daneben steht oder fliegt…. Ich fand das Element vom Fliegen im 6ten Bild sehr effektiv, ich war tatsächlich mit den Vögeln da oben…
Adelina Yefimenko: Heute, wird die Oper in Operninszenierungen bedeutender zeitgenössischer Künstler oft als Kunstausstellung mit originärem Soundtrack wahrgenommen (beispielsweise die Inszenierungen von Georg Baselitz, Neo Rauch, Marina Abramovic, Markus Lüpetz, auch „Saint François d'Assise“ von Hermann Nitsch und Daniel Libeskind). Dem setzen die Sänger entgegen, dass sie die Opern mit anderen fachlichen Methoden inszenieren, die die vokale Spezifik der musiktheatralischen Gattung in den Mittelpunkt stellen. Die besten Beispiele wären die Inszenierungen von Brigitte Fassbänder. Dachtest Du schon mal daran, eine Oper nicht nur zu singen, sondern auch zu inszenieren?
Robin Adams: ich würde sehr gerne inszenieren, aber nicht um als Sänger „Revanche” zu nehmen, sondern ganz im Gegenteil! Ich würde weiter gehen, noch radikaler, noch theatralischer, noch abstrakter, NICHT OPERNHAFT!
Adelina Yefimenko: Die wichtigste Person nach François war für Messiaen der Engel () – die einzige weibliche Figur in der Oper, nicht aber in dieser Inszenierung. Die engelhafte kristallklare und sanfte Claire de Sévigné in einem seidenleichten, schönen weißen Kleidchen wirkte sehr weiblich. Auf der Suche nach François klopfte sie symbolisch dreimal an die Tür des Franziskaner-klosters, um die geistlichen Väter mit drei Rätseln zu beschäftigen. Ernsthaft dachte Pater Bernardo (tiefsinnig: William Meinert) einen Moment nach: "Vielleicht war es ein Engel?" Dein Ausdruck drückte aber auf der Bühne ein tiefes Vertrauens-verhältnis aus (sowohl musikalisch als auch körperlich) und strahlte eine fast erotische Verbundenheit des Künstlers mit der Muse. War dies auch die Absicht des Komponisten, die der Regisseur verstärkte oder war es Deine eigene Interpretation?
Robin Adams: Dies ist meine eigene Interpretation, ich wollte damit zeigen, dass François trotzdem ein Mann ist, und nicht irgendein Wesen ohne körperliche Gefühle, für mich ist diese Begegnung eine Sublimation von Eros, a kind of spiritual eroticism.
Adelina Yefimenko: Warum gibt es so viele Frauen in dieser Inszenierung? Eine nackte junge Frau trägt ihr Kind, ein Mädchen trägt eine Kirchen-Nachbildung vorbei, dann sehen wir auf der Bühne Frauen in einem Hamam?
Robin Adams: das müssen Sie den Regisseur fragen. Das kann ich nicht beantworten. Die Frauen im Hamam sollen etwas Heilendes und Reines darstellen, aber das könnten Männer genauso in my opinion. Ideal would have been women and men in that scene together. I think that often these are images out of the artist’s subconscious mind, strong images which somehow go past the intellect.
(Ideal wäre es, wenn Frauen und Männer in dieser Szene zusammen wären. Ich denke, dass dies oft Bilder aus dem Unterbewusstsein des Künstlers sind, starke Bilder, die irgendwie am Intellekt vorbeigehen).
Adelina Yefimenko: einige Symbole und assoziative Figuren konnte ich in dieser Inszenierung nicht entschlüsseln. Wie würdest du die Videoinstallation von zwei tanzenden Robotern, beleuchtet mit der Lämpchen Figur des Leprakranken (beeindruckend der weiche feinsinnige Tenor Aleš Briscein) und die Figur des Heiligen auf der Titelseite des Programmheftes erklären. Deine Erklärung wäre sehr hilfreich.
Robin Adams: Das einfachste zuerst…das Foto auf der Titelseite ist Teil eines Gesamtkonzepts von GTG. Ein Fotograf hat die gesamte Spielzeit-Grafik gemacht und deshalb ist diese Figur da, es hat nichts mit unserer Inszenierung direkt zu tun, sondern mit dem Marketing des Hauses.
Die Roboter im Video sind dabei, Weintrauben zu treten, das ist eine Zukunftsvision, eine Aussage über die Zeit und die Digitalisierung. Wissen Sie, wie ich vorhin erwähnt hatte, viele solche Elemente entstehen aus dem Unterbewusstsein eines Künstlers, die sind oft kein intellektueller Prozess. Ich mag es, wenn im Theater ein Fragezeichen entsteht. Wir brauchen doch nicht alles erklärt zu bekommen, sondern können auch Images und Poesie auf uns wirken lassen, um Assoziationen zu wecken und sie spürbar zu machen.
Die Lampen auf dem Leprakranken Kostüm sollen seine Wunden und seine Hautpustel.. auf abstrakte Art darstellen. Im Moment absoluter Heilung wird er sein Kostüm los und damit seine Wunden
Adelina Yefimenko: Was fasziniert dich und was bewunderst Du an der Musik Messiaens? Hast Du auf der Bühne in „Saint François d'Assise“ eine mysteriöse Erfahrung erlebt?
Robin Adams: Ich liebe Messiaen’s Klangwelt, vor allem, ist sie unglaublich colourful (farbig). Faszinierend ist auch die relativ strenge Form gekoppelt mit viel Chaos. Ich mag diese Mischung sehr.
Es ist schon an sich eine mysteriöse Erfahrung, dieses Stück singen und verkörpern zu dürfen. Die Momente der Begegnung mit dem Engel waren für mich eine Art erhöhter Bewusstseinszustand. Ich habe in diesen Momenten in jeder Vorstellung tatsächlich geweint, das war sehr schön.
Adelina Yefimenko: So wie der Gralsritter Gurnemanz im „Parsifal“ über die Verwandlung des Kultraums spricht: "Hier wird der Raum zur Zeit". Für Messiaens Musik scheint mir die umgekehrte Metapher treffend zu sein: "Hier wird die Zeit zum Raum". Dadurch nehme ich die sakrale Dimension des Werkes als "Klangtheologie" wahr. Saint François d'Assise ist in dieser Inszenierung nicht die historische Figur des Heiligen aus dem Mittelalter. Warum ist es wichtig, Saint François d'Assise als unseren Zeitgenossen zu verstehen?
Robin Adams: Ich glaube, es ist wichtig jede “Oper” zeitgenössisch zu bearbeiten und zu verstehen. Wir brauchen heutzutage doch Relevanz auf der Bühne, VOR ALLEM weil wir in solche schwierigen Zeiten leben, wo Kunst oft als Luxusgut gesehen wird. Wir haben die Pflicht, relevant zu arbeiten. Es kann nicht sein, dass Krieg herrscht, es politisch einen Rechtsrutck gibt und das Theater einfach nur “Unterhaltung” bietet. Diese Zeiten sind meiner Meinung nach vorbei. Wir müssen Fragen stellen, relevante Bilder darstellen, wahre Emotionen zeigen, und vor allem ! EMPATHIE WECKEN !