Nachruf, PETER SEIFFERT, IOCO

Nachruf, PETER SEIFFERT, IOCO
Peter Seiffert copyright Patrik Klein

15.04.2025

Peter Seiffert ist mit 71 Jahren verstorben.

Seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war Peter Seiffert einer der weltweit umjubelten deutschen Tenöre. Gefeiert wurde er als Lohengrin, Stolzing, Bacchus, Tannhäuser, Tristan und in vielen weiteren Partien. Seine klangschöne, intensive und strahlende Stimme vereinte Metall und lyrische Emphase. Er stand in der Tradition der großen Sänger des vergangenen Jahrhunderts wie Franz Völker, Peter Anders und Fritz Wunderlich.

Einen seiner letzten international im Fernsehen ausgestrahlten Erfolge feierte er 2017 als Siegmund in der Walküre unter Christian Thielemann in Salzburg. Seinen Rang und seine Bedeutung für das deutsche Tenorfach belegen eine Vielzahl von Gesamtaufnahmen, Arienportraits sowie Konzertaufnahmen auf CD und DVD.

Peter Seifferts Eltern waren Pächter eines Künstlerlokals in Düsseldorf. Der Vater selbst sang Tenor und hat Schallplatten mit Karnevalsshlagern eingespielt. Als Mitglied eines Knabenchores hat er schon als Kind in der der Oper mitgesungen und dort seine Leidenschaft dafür entdeckt.

Als er dem Vater seinen Wunsch mitteilte Tenor an der Oper zu werden, beschied der ihn: "Oben nichts, unten nichts, das wird nichts." Das stachelte seinen Ehrgeiz an, aber zunächst machte er ein Ausbildung als Physiotherapeut. Bei einer Behandlung lernte er seine erste Lehrerin kennen und studierte später an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf.

Sein Ideal war es, seine Höhe mit einem männlichen Tenorklang zu verbinden und immer die Bedeutung der Musik wiederzugeben. Kennzeichnend für ihn waren heldische Farbe und Metall in der Stimme. Auch das Hören von Platten von Peter Anders, Giuseppe di Stefano und vielen anderen hat ihn geprägt. Dabei wollte er Andere nicht imitieren, sondern lernen, Fehler zu erkennen und einen Weg zu finden, wie man Rollen stimmtechnisch, aber auch stilistisch gestaltet.

 

In Düsseldorf hat er zu Beginn den Marquis Chateauneuf in Lotzings Zar und Zimmerman, den Rodolfo in Boheme, den Hoffmann in Hoffmanns Erzählungen und den Lensky in Eugen Onegin gesungen. Zwei Jahre nach seinem Debut wurde er an die Deutschen Oper Berlin engagiert, wo er bis 1992 im Ensemble war. Mit der Rolle des Lohengrin kam er an der Deutschen Oper in das Wagner-Fach. Strahlkraft und Poesie waren auch in dieser Rolle seine prägenden Eigenschaften. Bejubelt wurden auch als Parsifal in London und in Hamburg unter Ferdinand Leitner.

Seine spätere Frau Lucia Popp lernte er in München bei einer Produktion der Lustigen Weiber von Windsor kennen und beim neckischen Verstecken im Waschkorb lieben. Später war das Paar ein gesuchtes Duo in Richard Strauss Arabella.

Lucia Popp, Peter Seiffert, Arabella, Hamburg 1985 copyright Peter Schünemann

Den Weg zur Weltkarriere bahnte eine Lohengrin Premiere in Berlin im Jahre 1990. Der damals renommierte Berliner Kritiker Klaus Geitel bezeichnete seine Darstellung als Weltereignis des Wagnergesangs.

Wolfgang Wagner holte ihn dann nach Bayreuth, wo er von 1996 bis 2000 den Walter von Stolzing in den Meistersingern und von 2001 bis 2005 den Lohengrin gesungen hat.

Auf diese Rollen folgte der Tannhäuser. Durch seine flexible Stimme besaß er genug Metall für die Ensembles und konnte Romerzählung intensiv gestalten. Sein Geheimnis war, den Ton ausklingen lassen, winzige Schluchzer einbauen um dann die höheren Noten zu erreichen. Seine Töne klangen oft wie Sonnenstrahlen und bewundernswert waren seine gestützte und schlank klingende Tongebung und der große Atem. Ehrliches Singen und bei den Ensembles nicht tricksen war eines seiner Markenzeichen und die Grundlage seiner langen Karriere.

Ein Höhepunkt seiner Karriere war der Tristan mit Daniel Barenboim. Diese Rolle hat er als Mount Everest bezeichnet. Neben der Schwierigkeit des Textes bestand für ihn die Herausforderung darin, seine ganze Gefühlswelt zu entfalten. Wegen der Ausdrucksmöglichkeiten war es für ihn eine der erfüllendsten Tenorpartien.

In vielen weiteren Rollen hat er in allen wichtigen europäischen Opernhäusern brilliert. Zentrale Partien waren neben Lohengrin. Tannhäuser. Tristan, Stolzing auch Kaiser (Frau ohne Schatten), Rienzi, Pedro (Tiefland ), Matteo (Arabella) Bacchus (Ariadne auf Naxos), Max (Freischütz), Othello, Siegmund (Walküre) und Florestan (Fidelio).

Letzte große Auftritte vor der Corona Pandemie und der Schließung der Theater waren 2019 Florestan in Köln, Erik in Japan, im Sommer ein Open Air Konzert in Dresden, Tannhäuser in Berlin und im September Tristan in Köln.

Peter Seiffert, Barbara Krieger, Dresden 2019 copyright Christian Fritsch

Über dreihundert Auftritte in 26 Partien kamen allein in Berlin zusammen. Zum geplanten Tannhäuser an der Mailänder Scala und dem Florestan in Graz 2020 ist es nicht mehr gekommen. 

Wer Peter Seiffert im Gespräch erlebte, lernte ihn als bodenständige Frohnatur und Menschenfreund kennen. Das Publikum war für ihn eine große Familie und er strahlte immer eine unbändige Freude am Leben und Singen aus.

 

Peter Seiffert war ein Sänger, der seine Rollen suggestiv, männlich, stark und intensiv durchlebte. Die Stimme war klangschön, ausgezeichnet geführt und unglaublich leuchtend. Sein Parsifal war ein tumber Tor mit ungemeiner Ausdruckskraft und Strahlkraft. Im Lohengrin entfaltete er auch durch seine helle Tongebung und die betörende Tongebung eine unvergleichliche Wirkung. Durch sein Textverständlichkeit, seine immense Rollenidentifikation und seine Emphase war er immer ein Fels und ein Garant für grandiose Aufführungen.

Seine Wagnerrollen liegen in zahlreichen Aufnahmen auf CD oder DVD vor. Unbedingt hörenswert sind Lohengrin, Stolzing, Tannhäuser, Kaiser und Tristan. Empfehlenswert ist auch sein Siegmund aus München bei FARAO. Seine Recitals bei EMI und Orfeo zeigen ihn auch in italienischen Rollen und anderem Repertoire in Bestform. Als persönliche Favorit wäre darüber hinaus noch Mendelssohn - Sinfonie Nr. 2 "Lobgesang" unter Wolfgang Sawallisch zu nennen.

Peter Seiffert, Parsifal, Hamburg 1988, copyright Peter Schünemann

Mit Peter Seiffert ist ein Sänger gegangen, für die Wort, Gesang und Schönklang ein Dreigestirn in der Oper waren. Durch den grandiosen Gesang und die fulminante Gestaltung fieberte er als Tannhäuser und Tristan in jeder Faser des Herzens mit. Für ihn war Singen Leben.

In der Gesangsgeschichte wird er als der herausragende Wagner-Tenor seiner Generation einen singulären Platz einnehmen.

Peter Seiffert war verheiratet mit der bedeutenden Sopranistin Petra Maria Schnitzer. Ihr und seinen Söhnen gilt unsere Anteilnahme.

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