München, Staatsoper, DIE LIEBE DER DANAE - Essay - Hintergründe der Inszenierung

DIE LIEBE DER DANAE: Heute gilt dieses Werk als Rarität und der Name des Librettisten Josef Gregor ist bedeutend auch für ukrainische Geschichte. Josef Gregor wurde auf dem Territorium der Ukraine in Czernowitz geboren (1888 unter Österreich-Ungarn) .....

München, Staatsoper, DIE LIEBE DER DANAE - Essay -  Hintergründe der Inszenierung
BAYERISCHE STAATSOPER @ W. Woesl

Essay von Adelina Yefimenko

"Die Liebe der Danae" von Richard Strauss an der Bayerischen Staatsoper: "Vielleicht sehen wir uns in einer besseren Welt wieder".

Richard Strauss in Walhalla Foto IOCO

Im Februar 2025 feierte die Bayerische Staatsoper die Premiere von Richard Strauss' Oper "Die Liebe der Danae" in der Inszenierung des bekannten deutschen Regisseurs Claus Guth. Die Neuinszenierung ist ebenso interessant wie die Leidensgeschichte dieses Werkes - nach Definition des Komponisten eine "heitere Mythologie".

Librettisten und Inszenierungsgeschichte

Bekanntlich kam die Idee, eine Operette nach einem neuen griechischen Stoff zu schaffen, indem zwei antike Mythen über Midas mit der goldenen Gabe und über Danae und der Goldregen verbunden wurden, von Hugo von Hofmannsthal. Im Jahr 1920 war das Libretto fertig. Der Komponist war aber nicht zufrieden. Nach Hofmannsthals Tod (1929) wandte sich Strauss an Stefan Zweig. Nach Zweigs Emigration (1934) und Strauss' Konflikt mit Goebbels um die Dresdener Premiere der Oper "Die schweigsame Frau" (1935) brach die Zusammenarbeit abrupt ab. Stefan Zweig schlug Strauss jedoch einen anderen Librettisten vor – den Theaterwissenschaftler Josef Gregor. Strauss und Gregor lernten sich 1919 kennen. Zu dieser Zeit arbeitete Gregor in der Österreichischen Hofbibliothek.

Es ist bekannt, dass Strauss Gregors literarischen Stil nicht schätzte. In Zusammenarbeit mit Gregor wurde dennoch "Friedenstag" und "Daphne" komponiert. Für Hugo von Hofmannsthals Text von "Die Liebe der Danae" nahm Gregor einige wichtige Änderungen in der Handlung vor (wie das Erscheinen von Jupiter auf der Bühne oder das Liebesdreieck Jupiter-Danae-Midas). Im Großen und Ganzen schien das Libretto von "Die Liebe der Danae" – einer "politisch-satirischen Parodie" (nach Strauss' Definition) - dem Komponisten zu melancholisch, philosophisch und dramaturgisch schleppend zu sein. Daher zog Strauss andere Kollegen zur Mitarbeit heran. Schließlich waren an der Entstehung des "Danae"-Textes nicht weniger als sechs Mitautoren beteiligt: Neben Gregor und dem Komponisten selbst - die Regisseure Lothar Wallerstein, Rudolf Hartmann und der Dirigent Clemens Krauss.

DIE LIEBE DER DANAE youtuebe Bayerische Staatsoper

Der Beitrag des Librettisten Josef Gregor

Heute gilt dieses Werk als Rarität und der Name des Librettisten Josef Gregor ist bedeutend auch für ukrainische Geschichte. Josef Gregor wurde auf dem Territorium der Ukraine in Czernowitz geboren (1888 unter Österreich-Ungarn), studierte Deutsch, Musikwissenschaft, besuchte Klavier- und Kompositionsunterricht in Wien; studierte Regie an der Wiener Hofoper. Der Künstler und Wissenschaftler sammelte große Erfahrung als Regieassistent des Gründers der Salzburger Festspiele Max Reinhardt in Berlin und München. In Wien promovierte Gregor mit einer Dissertation über "Die musikalische Entwicklung der Ausdrucksprobleme". Nach seiner Rückkehr nach Czernowitz lehrte er bis 1914 an der Universität Czernowitz. Während des Ersten Weltkriegs musste Gregor in Wien als Kommissar für Militärwirtschaft dienen. Während des Zweiten Weltkriegs vollendete er seine Monographie "Kulturgeschichte der Oper. Ihre Verbindung mit dem Leben, den geistigen Werken und der Politik". Das Buch enthielt jedoch keine weiteren Hinweise, die das tragische Schicksal der Oper "Die Liebe der Danae" bestimmten. Bei einem Luftangriff auf Leipzig verbrannte die Partitur von "Die Liebe der Danae" in der Druckerei, und kurz darauf verbrannten bei einem Luftangriff auf München das Nationaltheater und ein Teil der Bühnenbilder und Kostüme der Inszenierung von "Die Liebe der Danae". Bekanntlich überredete der Chefdirigent der Bayerischen Staatsoper und Direktor der Salzburger Festspiele Clemens Krauss nach diesen Ereignissen im Jahr 1944 Strauss nach Verhandlungen mit den Nazi-Politikern zur Aufführung der Oper bei den Salzburger Festspielen anlässlich des 80. Geburtstags des Komponisten. Nach der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 und dem Attentat auf Hitler erklärte die nationalsozialistische Führung den "totalen Krieg". Wenige Tage später wurden die Premiere und die Salzburger Festspiele abgesagt. Nach der Generalprobe informierte der Jubilar traurig über "Die Liebe der Danae" als "letzten, unvergesslichen, schönsten Abschluss seines künstlerischen Lebens". Strauss wandte sich an die Musiker des Orchesters der Wiener Philharmoniker und sprach prophetische Worte, die er zusammen mit seinem unaussprechlichen Blick von der Leinwand von Klaus Guth heute für das Publikum der Bayerischen Staatsoper aktualisierte: "Vielleicht sehen wir uns in einer besseren Welt wieder ".

Strauss' Utopie und die hoffnungslose Botschaft des Regisseurs

Die utopisch "bessere Welt" zeichnete Strauss in der Musik der Oper "Die Liebe der Danae" über die Wahl für die Liebe und nicht fürs Gold, Reichtum und Macht. Die Oper besingt auch das letzte erfolglose Liebesabenteuer des Jupiters. Wieder einmal verliebt sich Jupiter (tiefer, lauter, einzigartig in ausdrucksstarken Parallelen zu Wagners Wotan-Wanderer-Bariton Christopher Maltman). in eine irdische Frau. Die Danae ersetzte blitzschnell die erkrankte Malin Byström die Sopranistin Manuela Uhl. Sie hat ein Traum über den goldenen Regen und geniesst die pure Schönheit des Goldes. Das von Strauss illustrativ instrumentierte Motiv des Goldregens (Celesta, Flöte, Triangel, Glöckchen) erinnerte symbolisch an Wagners Idee des reinen Goldes - des Rheingoldes.

Jupiters Abenteuer werden von dem armen Eseltreiber Midas (brillanter Startenor Andreas Schager) unterstützt, den Jupiter mit der Gabe belohnt, alles, was er berührt, in Gold zu verwandeln. Für Midas ist dies Segen und Fluch zugleich. Der Held durchläuft eine große Entwicklung. Zuerst verzichtet er auf Freiheit für Reichtum und Macht, dann auf Reichtum und Macht für die Liebe. Midas erkennt, dass der Pakt mit Jupiter unehrlich ist. Jupiters einziges Ziel ist es, sich ein weiteres Mal den Körper und das Herz einer irdischen Frau anzueignen und seine eifersüchtige Frau, die Göttin Juno, zu betrügen. Dazu braucht er einen irdischen Doppelgänger Midas, mit dem sich Jupiter abwechselnd in Danaes Gemächern abwechselt.

Zur Zeit des Paktes ist Midas der reichste Mensch der Welt. Und er ist der begehrte Gast und Retter des bankrotten und lügnerischen Königs-Geschäftsmanns Polux, Danaes Vater. Letzterer flieht in der Gestalt von Donald Trump (ein feuriger, durchdringender Tenor: Vincent Wolfsteiner) vor seinen Gläubigern und hofft, dass der reichste Mann der Welt die Schulden seines Landes begleicht, wenn er seine Tochter heiratet.

"Die Liebe der Danae" beginnt mit einer Chorszene wütender Angestellten, die Polux' Büro stürmen. Doch er setzt das Spiel des "Vertrauens" fort und beschwichtigt die naiven Gläubiger aufgrund Danaes Verlobung mit dem reichsten Mann der Welt. Das für die romantische Oper typische Motiv der "verkauften Braut" realisiert Claus Guth im Kontext der Geschichte von Kriegen und politischen Zusammenbrüchen. In dem Bewusstsein, dass Äußerungen über die Verbindung der Oper mit der Politik für Strauss eine wichtige Ausnahme darstellen, erinnert der Regisseur daran, dass Kritiker "Die Liebe der Danae" als "griechische Götterdämmerung" bezeichnet haben. So stellte sich Strauss politische Satire im spätgriechischen Gewand in der Oper vor.

"Die Liebe der Danae" zeugt vom totalen Fiasko von Göttern und Menschen: Alle vergöttern Gold als Garant für Reichtum und Macht. Zu Beginn der Oper singt goldtragenden Jupiter triumphierend. Am Ende hören wir einen enttäuschten Gott, ähnlich dem Wotan-Wanderer, der sich mit den Verlust Danaes, der Kraft, der Jugend, der Schönheit, sogar des listigen Ratgebers Merkur abgefunden hat, dessen Partie nicht zufällig an Wagners Loge erinnert. Selbst die zauberhaften, wohlklingenden Königinnen aus vergangenen Eskapaden Jupiters können den Gott nicht trösten. Sie sind alle politisch engagiert. Europa (Evgenia Sotnikova) erinnerte an Margaret Thatcher, Leda (Avery Amereau) an Julia Timoschenko. Zusammen mit Semele (Sarah Dufresne) und Alkmene (Emily Sierra) demonstrierten sie ein makelloses Quartett des politischen Konformismus.

Eine wichtige Erwähnung betrifft die Metamorphosen des Operntitels von "Danae oder die Vernunftehe" über "Jupiters letzte Liebe" bis zur heutigen Version von "Die Liebe der Danae". Diese Oper war die erste, in der Strauss den Akzent nicht auf den Namen, sondern auf die Liebe legt. Vergleichen wir sie mit Titeln wie "Salome", "Elektra", "Daphne", "Arabella", "Ariadne auf Naxos", "Die ägyptische Helena" oder "Die schweigsame Frau" bzw. "Die Frau ohne Schatten". Offensichtlich sieht Strauss zum Zeitpunkt der Entstehung des Werkes vor dem Hintergrund der Kriegsruinen in seinem Titel die Liebe als den Sinn des menschlichen Lebens.

Die Liebe der Danae - Richard Strauss und Ensemble C. M. Rittershaus

Danae als Symbol für die Entwicklung einer starken, unabhängigen Frau

Gerade in der Gestalt der Danae zeigte Strauss den Weg der Prüfungen und der Entwicklung einer jungen Frau zu einer starken, souveränen Persönlichkeit. Zuerst in ein orangefarbenes, dann in ein goldenes Tuch wie in eine Bonbonverpackung mit einer rosa Schleife gehüllt, muss Danae, begeistert von der Schönheit und dem Glanz des goldenen Regens im Traum, in Wirklichkeit Selfies machen, als Werbung für einen wohlhabenden Bräutigam posieren und auf ihn warten. Klaus Guth zeigte Danae deutlich als ein Objekt, eine Handelsware an der New Yorker Wall Street. Sie träumt jedoch von aufrichtiger Liebe und wählt nach den Metamorphosen von Tod und Wiedergeburt (denn bei der Berührung von Midas verwandelt sich Danae in eine goldene Statue, aber Jupiter gibt ihr das Leben zurück) den verarmten Midas, der die Tragödie des Verlusts von Danae erlebt und die Vergänglichkeit des Reichtums erkannt hat. Mit dieser Oper wollte Strauss offensichtlich den nachfolgenden Generationen die Hoffnung auf eine "bessere Welt" und ein Vermächtnis des Humanismus hinterlassen, das auf der menschlichen Liebe basiert.

Klaus Guth entlarvte jedoch in seiner Inszenierung die Strauss’schen Hoffnungen auf diese "bessere Welt". Der retrospektive Bogen vom Beginn der Inszenierung bis zum Finale wirft die Frage auf: Warum lernen die Menschen nicht aus der Geschichte? Anspielungen auf die Realitäten der modernen Geschäftswelt (Börsenhandel, Korruption, politische Intrigen), Hinweise auf konkrete Politiker und Milliardäre (Trump, Musk), Projektionen von verrauchten New Yorker Wolkenkratzern - ein Echo des Terroranschlags vom 11. September auf das World Trade Center), Interieur-Perversionen von Reichen (in der Szenografie von Michael Levine - Midas' goldenes Flugzeug hinter dem Fenster, ein riesiges goldenes Bett im Zentrum der Bühne, ein goldener Zweig, eine goldene Rose (ein Anklang an die silberne Rose aus der Oper "Der Rosenkavalier"), ein goldener Spiegel ..., zu dem kompletten Set fehlte nur noch die goldene Toilette von  ehemaligen kriminellen Präsident der Ukraine Janukowitsch – all dies endet mit einer Retrospektive der Tragödien des Krieges. Klaus Guth zeigt einen Film von den schrecklichen Münchner Ruinen (Video – rocafilm). Die dokumentierte Zeit der Entstehung von "Die Liebe der Danae" ist erschreckend.

Klaus Guths Inszenierung des Finales als Spiegel der Hoffnungslosigkeit

"Die Liebe der Danae" wurde neben "Capriccio" und "Metamorphosen" zu Richard Strauss' Abschiedswerk. Die Uraufführung der Oper fand nach Strauss' Tod bei den Salzburger Festspielen 1952 statt, in den gleichen und den folgenden Jahren in Wien, München, Zürich, London. Deutschland, wie viele Städte Europas, war ein Gebiet der Nachkriegszerstörung. Die Lösung des Finales erwies sich für Klaus Guth als Rätsel. In einem Interview erinnert sich der Regisseur amdritten Akt, in dem die Handlung zum Stillstand kommt: „Das hat mich am Anfang, als ich mich vorbereitet habe, sehr geschreckt, dass ich mir dachte: Wie soll ich denn diesen dritten Akt um Gottes Willen inszenieren? Da passiert ja gar nichts mehr. Bis ich dann irgendwann für mich verstanden habe, dass vielleicht das genau das Wesen ist. Der dritte Akt ist plötzlich ein Gemälde. Das hat wahrscheinlich mehr mit einem Oratorium oder einem Klangbild zu tun, mit einer Symphonie. Das ist ein ganz anderes Genre, was er da plötzlich aufmacht. Und das habe ich eigentlich jetzt als Chance genutzt, dass auch ich stilistisch völlig anders reagiere. Ich versuche da eigentlich einen Bogen zu schlagen. Einerseits eine Perspektive in eine düstere Zukunft und gleichzeitig auf die Entstehungszeit, weil das vielleicht relativ ähnlich ist. Es geht um Zeiten, die kriegsgeprägt sind, um Zeiten, wo kulturelle Werte zusammenbrechen, wo Glaube, zumindest hier in der westlichen Region, massiv an Bedeutung verliert.“

Klaus Guth bezog zu Recht dokumentarische Aufnahmen der Ruinen der Bayerischen Staatsoper, der zentralen Straßen, der Frauenkirche, von Strauss' Villa in Garmisch-Partenkirchen –  in das Finale der Inszenierung ein. Wahrscheinlich suchte Strauss, der diese Zerstörungen erlebt hatte, im Zustand der inneren Isolation Fragmente der Schönheit in der Musik. Das von der grandiosen Dur- in die Moll-Tonart transponierte Jupiter-Motiv, die meisterhafte Orchestrierung, die Intensität der Orchestersoli - eine würdige Arbeit des Dirigenten Sebastian Weigle. Die Identifizierung von Strauss mit Jupiter? Offensichtlich. In der Gestalt des Alter Ego des enttäuschten Gottes blickt der Komponist von der großen Leinwand auf das heutige Publikum und unsere moderne, angespannte Welt am Scheideweg des Dritten Weltkriegs, wahrscheinlich ohne noch auf Frieden, Gnade, Evolution oder Verstand zu hoffen.

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