München, Bayerische Staatsoper, DIE LIEBE DER DANAE - Richard Strauss, IOCO
Claus Guth hat mit allem märchenhaften Geplänkel gründlich aufgeräumt. Die Bühne ist alles andere als die Darstellung einer Idylle.
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von Hans-Günter Melchior
„Lausche Danae!
Brich den Zauber! Der das Gold dir gebracht,
Mit dem Kleid dich gehüllt!
Lausche Danae!
Zerbrich den Zauber!“
Midas
Was für ein insgesamt geglückter Abend! Große Musik. Freilich manchmal erst beim sehr genauen Hinhören. Kein Abend für Anfänger im Strauss´schen Werk.
Ein Meisterwerk, das als Opernaufführung zu erleben, Strauss nicht mehr vergönnt war.
Eine mehr als sinnfällige Inszenierung. Ins Gedächtnis gerufene Bedenken, Nachdenken. In der Musik. In der Regie.
Dazu das sängerische und gestalterische Genie einer Manuela Uhl, die den Mut und das Können besaß, uneingeschränkt und spontan für die erkrankte Malin Byström einzuspringen. Und zwar nicht nur von der Seite als halbe Statistin und gleichsam in „Zivil“. Eben nicht als „Ersatzmitglied“ des Ensembles gerade nicht nur einspringend, sondern mit vollem Risiko und im gestalterischen und sängerischen Bereich der schwierigen Rolle mitspielend, als wäre sie von Anfang an bei Einstudierung dabei gewesen. Wobei sie mehr als wenig Zeit hatte, sich vorzubereiten und sich in die Inszenierung von Claus Guth einzufinden.
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Bravo. Dankbarer Beifall des am Schluss begeistert aufstehenden und applaudierenden Publikums
Claus Guth hat mit allem märchenhaften Geplänkel gründlich aufgeräumt. Die Bühne ist alles andere als die Darstellung einer Idylle. Zwar agieren die Hauptpersonen zuweilen wie Märchenfiguren im Vordergrund. Manchmal von hoch oben, von einer Empore herab argwöhnisch, aber unbehelligt beäugt (wohl von den ironischen Göttern?). Und das Geschehen ist durch eine dicke Glaswand von der Realität getrennt. Aber sie, die Realität, ist allgegenwärtig, und das ist keine Märchenwelt mit romantischer Landschaft, bizarren Felsen und ewiger Sonne. Gleich am Anfang merkt man: Hier wird mit der Moderne gehandelt und verhandelt.
Hinter der Glaswand „droht“ also die Moderne. Der nah heranrückende Zweifel. Das verlorene Paradies.
Das ist kein Märchen mehr. Wolkenkratzer ragen in den zuweilen vernebelten Himmel. Und selbst der am Schluss immer dichter werdende Nebel hängt vor einer nüchternen Realität, die nichts Märchenhaftes mehr hat.
Der Kapitalismus dringt vor. Er ist aggressiv. Es geht um Geld. Immer und nur ums Geld.
Da werden keine Bitten mehr vorgebracht, sondern es wird aggressiv gefordert. Die Betrogenen verlangen vom Schuldner (wohl ein Betrüger?), dem König Pollux (Vincent Wolfsteiner), das ihnen längst geschuldete Geld. Sie recken die Fäuste, ihr Gesang ist hart und nah am Geschrei. Ein aggressiver Auftritt. Höchst eindrucksvoll in die Wirklichkeit versetzend.
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Und es sind viele Fordernde. Die Bühne ist gleichsam von der Gläubigermasse überfüllt. Ein Chor gefährlicher, gereizter, hingehaltener Gläubiger.
Das ist kein Verhandeln mehr, keine eher juristisch zu klärende Forderungsangelegenheit mit geduldigem Argumentieren, sondern das kämpferische und mit Drohungen verbundene Verlangen an den Schuldner, ausgerechnet auch noch der König, seine Schulden endlich zu begleichen.
Da geht es also handfest zur Sache. Sodassder König sich nur mit dem Versprechen retten kann, eine Delegation zusammenzustellen, die zum König von Lydien, zu Midas (Andreas Schager) ziehen und um Geld betteln soll.
Vor allem aber auch und mit wirtschaftlichem Kalkül, um Midas als Bräutigam der Danae, Tochter des Königs Pollux, zu gewinnen. Begleitet werden die Damen Semele, Europa, Alkmene und Leda (Sarah Dufresne, Evgeniya Solnikova, Emily Sierra und Avery Amereau) von vier Königen, ihren späteren Ehemännern.
Midas ist sehr reich. Das hat eine Vorgeschichte: Hinter Danae ist nämlich Jupiter (Christopher Maltmann) her.
Jupiter ist ein Schlawiner, der die Frauen und nicht nur eine liebt. Er verhandelte mit Midas, der einmal ein Eselshirte war: Du hilfst mir, Danae zu gewinnen, indem du für mich um sie wirbst, und zwar, indem du als mein Bote unter dem Namen Chrysopher auftrittst. Während ich deinen Namen trage, also Danae als der steinreiche Midas gegenübertrete. Als Lohn für deine Dienste soll alles, was du anfasst, zu Gold werden.
Midas willigt ein. Er wird reich. Ein Goldkönig. Ein Verführter.
Nur dass Danae sich nicht in den als Midas auftretenden Jupiter, sondern in den wahren Midas, alias Chrysopher verliebt, als dieser für den vermeintlichen Midas wirbt.
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Sie wird dafür vom wütenden Jupiter in eine Statue aus Gold verwandelt, ausgerechnet als der wahre Midas sie umarmt. Später freilich wieder zum Leben erweckt, nachdem der ebenfalls in Danae verliebte wahre Midas vorschlägt, Danae doch frei wählen zu lassen, wissend, dass die Wahl auf ihn fallen wird.
Frei wählen! Eine Illusion angesichts der Macht des Goldes? Überhaupt: Gold und nochmals Gold. Im Gebrauch der Neuzeit: Kapital, Reichtum, unermesslicher Reichtum. Ein im verderbten Zeitalter der Sucht nach Geld, dem Kapitalschacher, ein fast schon treuherziges Unterfangen. Gold –, was denn sonst. Es gibt nur Gold.
Nein, eben auch die Liebe. Behauptet die Oper. Behauptete Strauss, der freilich ein Lustspiel im Sinn hatte.
Der wahre Midas macht nicht mehr mit. Er will lieber Danae als das Gold, nimmt die Armut um der Liebe willen in Kauf. Danae entscheidet sich ebenfalls, allen Versuchungen trotzend, für die Liebe zu Midas und verzichtet auf den Reichtum. Heilige Einfalt? Noch sind wir im Märchen, zumindest halb.
Merkur (Ya-Chung Huang), verspottet Jupiter wegen seiner Nachgiebigkeit. Aber es hilft nichts. Die Liebe siegt.
Hinter der Bühne kommt die Belehrung in Bildern der Verwüstung. Folgen der Sucht nach Macht und Gold. Kampf aller gegen alle. Der Krieg wütet. Die Zerstörungsbilder fallen fast auf die Bühne. München liegt in Trümmern. Als erlebte man es wieder und wieder und noch einmal.
Und über eine Wiese schreitet der greise Komponist Richard Strauss. Als Belehrender? Als Mahner? Als Geretteter? Oder gar als Schuldiger? Immerhin hat er zumindest teilweise mitgemacht, als die Verbrecher herrschten.
Er schreitet. Die Sonne scheint. Er sieht aus, wie wenn er sagen wollte. Ich zeige euch mal etwas. Nehmt es euch zu Herzen. Ihr Davongekommenen.
Eine Belehrung. Ein nachdenklicher Abend am Schluss.
Tröstlich: das wunderbare Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Sebastian Weigle. Perfekt die Stimmung umsetzend. Die nicht ganz leichte Musik, besonders am Anfang. Als täte sich die Musik noch etwas schwer mit den Einfällen.
Wenn man alt genug ist, kommen die eigenen Bilder, Erinnerungen steigen auf. Man kämpft mit der Rührung. Stattdessen steht man auf und klatscht und feiert das gesamte Ensemble und vor allem die erstaunliche Leistung der „ersatzweise“! eingesprungenen Manuela Uhl …