München, Bayerische Staatsoper, DIE FLEDERMAUS - Johann Strauß
Was Regisseur Barrie Kosky wollte, ist ihm gelungen: ein durchtriebener Spaß, bei dem die Wellen der Fröhlichkeit hoch schlugen und beste Laune im Publikum verbreiteten. Und Dirigent Vladimir Jurowski lieferte mit seinem wunderbaren Staatsorchester das musikalische Feuer dazu.
Ausgelassenes Faschingstreiben - Regie Barrie Kosky
Was Barrie Kosky offenbar wollte, ist ihm gelungen: ein durchtriebener Spaß, bei dem die Wellen der Fröhlichkeit hoch schlugen und beste Laune im Publikum verbreiteten. Und Dirigent Vladimir Jurowski lieferte mit seinem wunderbaren Staatsorchester das musikalische Feuer dazu. Da stimmten die Nuancen, die Stimmungswechsel, die dramatischen Steigerungen, dass man manchmal meinen konnte: vielleicht hätte der Komponist – hätte er denn gewollt – daraus noch mehr machen können.
Eine Musik etwa, die durch die Schlüssellöcher der verschlossenen Seelen kriecht und einen leichten Trauerflor über die Gesellschaft legt. Und über eine Gesellschaft, die doch, misst man sie an ihren eigenen bürgerlichen Maßstäben, fröhlich trällernd ihren vom eigenen Moralkodex geforderten Platz verlässt und lachend, frech, bedenkenlos ins Verlogene, ja in ein etwas Ruchlose gleitet. Eben –, als wäre die von ihr selbst postulierte Moral nichts weiter als ein Angebot unter vielen gleichwertigen Möglichkeiten der Lebensgestaltung, je nachdem eben und wie es halt so kommt.
Streitet da zumindest heute die Tradition mit der Moderne? Jedenfalls ist der Kampf noch nicht entschieden. Zumindest nicht rechtlich. Die Rechtsfolgen der Ehekonflikte sind fast unübersehbar geworden.
Hier verbirgt sich wohl der kritische Einwand an dieser Inszenierung. Obwohl andererseits die Ausgelassenheit und ein wahres Feuerwerk der Ideen alle (miesepetrischen?) Bedenken mit Slapstickeinfällen und erotischen Einlagen geradezu überschwemmt.
In der Tat: Barrie Kosky bevorzugt die fröhliche Seite der Operette und er hält sein Konzept durch bis zum Ende.
Alles ist am Anfang öffentlich. Das Ehebett steht auf der Straße, dahinter dominiert die Kulisse eines Wiener Viertels mit imposanten Bürgerhäusern. Im Doppelbett räkelt sich die Ehefrau.
Es geht turbulent weiter. Die kleinen Anzüglichkeiten des Ballabends und die Anmachereien auf dem opulenten Ball. Die knappen Kostüme von Gefängnisdirektor Frank und Gabriel von Eisenstein im Gefängnis.
Allenfalls die Architektur des Gefängnisses, in das v. Eisenstein wegen Beamtenbeleidigung ganz am Ende doch „einzurücken“ hat, ist düster, deprimierend und kompliziert konstruiert. Es handelt sich um eine verwirrende Kathedrale aus Stahl- oder Eisengestängen. Wie die ernüchternden Rückseiten der protzerischen Bürgerhäuser.
Und erst die barocke Geschichte:
Gabriel von Eisenstein (Georg Nigl) hat seinen Freund, den Notar Dr. Falke (Markus Brück) düpiert. Er hat den total Betrunkenen im Fledermauskostüm auf die Straße geschickt und dem Gespött der Leute ausgesetzt. Seitdem heißt Falke in der Stadt Dr. Fledermaus.
Ein Ballett im Fledermaus-Kostüm tritt auf. Fast schon gespenstisch.
Und eine verdrechselte Geschichte. Dr. Falke will sich rächen. Er überredet von Eisenstein, die an sich bereits fällige Gefängnisstrafe erst am nächsten Tag anzutreten und mit ihm auf ein Souper zu gehen, das der Prinz Orlofsky (Andrew Watts, ein Countertenor; er tritt als Dragqueen auf) veranstaltet. Es soll ein Ball der Verführungen werden.
Das Stubenmädchen Adele (herausragend Katharina Konradi im durchwegs auf hohem Niveau singenden Ensemble) ist, ebenfalls wie alle anderen unter einem hochtrabenden Falschnamen auftretend, eingeladen.
Im nun vom Ehemann und dem Stubenmädchen verlassenen Haus empfängt von Eisensteins Ehefrau Rosalinde (Diana Damrau) ihren Liebhaber Alfred (Sean Panikkar). Als Gefängnisdirektor Frank (Martin Winkler) den Delinquenten von Eisenstein zum Strafantritt zu Hause abholen will, trifft er auf den Liebhaber Alfred. Dieser gibt sich, von der Geliebten Rosalinde angefleht – der Schein muss gewahrt werden –, als Ehemann von Eisenstein aus und wird inhaftiert.
Das Fest bei Orlofsky ist eine einzige Orgie. Ein tanzender Chor heizt die Stimmung auf. Alle Eingeladenen treten unter hochtrabenden Adelstiteln auf. Das Stubenmädchen Adele nennt sich Künstlerin.
Die Zweifel von Eisensteins, es könne sich bei dieser um sein Stubenmädchen Adele handeln, werden von Dr. Falke und Adele zerstreut. Er flirtet mit der schönen, betörend singenden Frau. Eine Paraderolle für Katharina Konradi, die den Abend sängerisch beherrscht. Wie kann, argumentiert sie gegenüber dem misstrauischen von Eisenstein, eine Frau ihres Aussehens und Auftretens ein Stubenmädchen sein. Intelligent, witzig und die Übersicht bewahrend ist sie die Einzige, die gegenüber den dumpf durch den Abend taumelnden Männern den Überblick behält.
Als dann noch von Eisensteins Ehefrau Rosalinde verkleidet den Ball besucht, flirtet der Ehemann, ihre Identität verkennend, auch mit ihr. Sie stibitzt ihm die Uhr: als Beweismittel seiner Untreue.
Der dritte Akt wird durch einen brillanten Steptanz von Max Pollak eingeleitet. Er ist der Chef einer Truppe von sechs weiteren Fröschen.
Der Verurteilte von Eisenstein stellt sich zum Strafantritt. Er ist perplex, als er Alfred, an seiner Stelle inhaftiert sieht. Der Ehebruch seiner Frau Rosalinde wird jetzt offenbar.
von Eisenstein erkennt im Gefängnisdirektor den Saufkumpanen der vergangenen Nacht. Frosch beweist ihm seine Chefposition, indem er die sechs Frösche befehligt. Warum von Eisenstein und Frosch in lasziver Aufmachung, halb nackt, erscheinen, bleibt unerfindlich. Soll dies ihre Entlarvung, die Bloßstellung, verdeutlichen?
Rosalinde und Adele betreten die Haftanstalt. Es kommt zur Konfrontation zwischen den Eheleuten. von Eisenstein empört sich, spielt den betrogenen Ehemann, als er erfährt, dass Alfred der Geliebte seiner Frau ist. Diese zeigt ihm allerdings seine Uhr als Beweisstück dafür, dass er auf dem Ball mit ihr, sie für eine Fremde haltend, geflirtet hat.
Die Idee: Untreue steht gegen Untreue.
Na ja. Die Geschichte versandet am Ende etwas dünn. Der Champagner, heißt es, sei an allem schuld. Die Eheleute versöhnen sich. Vor Gericht hieße es mit Sicherheit, der Hinweis auf den Champagner sei eine unglaubwürdige, „unbehelfliche“ Einlassung.
Gleichwohl – und am Ende zu Recht: begeisterter Beifall des Publikums. Aufgeräumt verließ man die Oper. Champagnerdurst verspürend.
DIE FLEDERMAUS - Bayerische Staatsoper - alle Termine, Karten - link HIER