Mannheim, OPAL, OPER AM LUISENPARK - CRÉATION(s), IOCO

CRÉATION(s): Endlich ist es soweit: die neue Opern-Ersatzspielstätte des Nationaltheaters Mannheim OPAL, die „Oper am Luisenpark“ konnte nach über zwei Jahren Wartezeit festlich eröffnet werden.

Mannheim, OPAL, OPER AM LUISENPARK - CRÉATION(s), IOCO
OPAL - Oper am Luisenpark, Mannheim @ Uschi Reifenberg

OPAL -`Oper Am Luisenpark´ - Eröffnung mit CRÉATION(s) - 12.10.24. 

 

von Uschi Reifenberg

Das Funkeln im Opal

Endlich ist es soweit: die neue Opern-Ersatzspielstätte des Nationaltheaters Mannheim OPAL, die „Oper am Luisenpark“ konnte nach über zwei Jahren Wartezeit festlich eröffnet werden.

Eine umfassende Generalsanierung macht derzeit die Schliessung des unter Denkmalschutz stehenden Hauses am Goetheplatz bis zur Spielzeit 2028/29 nötig, nun können in der neu errichteten OPAL wieder die sehnsüchtig erwarteten größeren Musiktheater -und Tanzproduktionen stattfinden.

Seit im Sommer 2022 nach Wagners „Götterdämmerung der Vorhang im Haus am Goetheplatz zum letzten Mal fiel, hat sich nicht nur viel Neues ereignet, es galt auch, mit unvorhersehbaren Schwierigkeiten zurechtzukommen.

Das anfängliche Bauunternehmen der neuen Spielstätte OPAL meldete Ende 2022 Insolvenz an und brachte damit nicht nur die Planungen des NTM komplett zum Erliegen, auch die Kosten wurden noch einmal stark in die Höhe getrieben. Aus den anfangs veranschlagten 16,1 Millionen sind 25,4 Millionen Euro Gesamtkosten geworden. Es folgte ein umgehender Baustopp des halbfertigen Gebäudes, der geplante Eröffnungstermin im April '23 war nicht umzusetzen und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die Enttäuschung war groß, nicht nur auf Seiten des Publikums.

Das NTM formulierte im März '23 das Ziel, die Interimsspielstätte OPAL in Eigenregie fertig zu stellen und damit die schnellstmögliche Aufnahme des Spielbetriebs zu ermöglichen.

Gemäß dem NTM Slogan „Die ganze Stadt ist unsere Bühne“ wurde der Spielbetrieb in attraktiven Ausweichspielstätten weitergeführt wie beispielsweise der „Alten Schildkrötfabrik“ in Neckarau, dem Rosengarten Mannheim, dem Kino Franklin, aber auch dem Rokokotheater im Schwetzinger Schloß oder dem Pfalzbau in Ludwigshafen.

Der Weg bis zur endgültigen Fertigstellung war mühsam: Nach eineinhalb Jahren Baustress und immenser Vorbereitungszeit hat das NTM ein beeindruckendes Ergebnis  vorzuweisen.

CRÉATION(s) @ Christian Kleiner

Bis kurz vor der Eröffnung wurde noch gehämmert und gebohrt, nun kann ins fertige Opernhaus wieder Kunst einziehen. Das äußerlich funktional anmutende  Theatergebäude OPAL besteht aus einer Leichtbauhalle mit Foyer, einem Zuschauerraum mit 780 Plätzen, dem Orchestergraben für über 90 Musiker*innen, sowie einer Bühne mit Hinterbühne.  Ein zweistöckiger Backstage Bereich umfasst ca 140 Standard Container, die als Büros, Einsingräume oder Garderoben dienen.

Der Innenbereich wartet mit einem „eleganten und modernen Ambiente“ auf, geschmackvoller Beleuchtung, einer Seitenbühne mit Flügel, zwei Ebenen und einer Theke für gastronomische Angebote.

Ein ansehnliches Theater ist zwischen Carl-Benz-Stadion und Technoseum entstanden, sowohl in naturnaher als auch in verkehrsgünstiger Umgebung. Vier Jahre mindestens wird hier gespielt, dann muss die Leichtbauhalle wieder zurückgebaut werden und das Ensemble zieht zurück ins Haus am Goetheplatz, das wieder in altem „neuen Glanz“ erstrahlen soll.

Nun wurde erst einmal Premiere gefeiert: gemeinsam mit dem  Ensemble, Orchester, Chören und allen künstlerischen und technischen Mitarbeitern hat Regisseur Lorenzo Fioroni mit seinem Team das Stück  CRÉATION(s), das ganz große Schöpfungstheater“, entwickelt. Christian Dellacher fügte die musikalischen Nummern zu einer Collage mit „narrativem roten Faden“ zusammen, die passend zur Entstehung des neuen Opernhauses vielfältige  Schöpfungsmythen beleuchten und die Geschichte der Oper von 1.600 bis heute in einem „utopisch-poetischen“ Bilderreigen erzählen will.

Regisseur Lorenzo Fioroni, Bühnenbildner Paul Zoller und Kostümbildnerin Sabine Blickenstorfer haben diesen nach dem Urknall aus dem Chaos entstehen lassen. Sie zeigen lustvolles Musik-Theater in vielen Facetten: chaotisch, skurril, absurd, verfremdend, dramatisch.

CRÉATION(s) @ Christian Kleiner 

Im Anfang war die Stimme!

Schon vor Beginn der Vorstellung sitzt Marie Smolka (Sopran) als diverse Gottfigur, mit weißem langen Haar und Bart inmitten des Welten-und Theaterchaos und macht sich an der Genesis des Menschen zu schaffen. Ein schwieriges Unterfangen, das in Endlosschleife erlebt wird: Geburt, Wachstum und Vergehen. Zufrieden mit dem Ergebnis ist sie nicht geworden: Sie greint, brabbelt, hüpft umher, hört Radio, liest, isst oder zieht sich um. Spätestens jetzt sieht jeder: Gott ist eine Frau!

Sie wird das Geschehen begleiten, zusammen mit ihrem „Widerpart“ dem Teufel, der mit langem Schwanz und Louis XlV. Perücke als gefallener Engel vom Bühnenhimmel geplumpst ist. Patrick Zielke (Bassbariton) ist dieser Beelzebub, eigentlich ein gemütvoller Geselle, mit dem man sich gut unterhalten kann.

Eine lemurenartige Menschenmasse nähert sich aus dem Dunkel und singt a capella, ohne Text, in weihevoller Stimmung ein Lamento von Monteverdi.

Sie legen den Teufel in einen Sarg, aus dem er sich wieder befreit; nun sind die widerstreitenden Elemente in der Welt und mit ihnen das Theater als deren Abbild.

Ein roter Theatervorhang wird aufgehängt, Orchesterinstrumente kommen dazu, 10 Bläser und ein Kontrabass  gestalten auf der leeren Bühne ein Stück „absolute Musik“ von Mozart, wunderbar! Dann steigen sie auf einer Leiter von der Bühne in den Orchestergraben.

Sängerinnen und Sänger bevölkern die Bühne, Szene reiht sich an Szene, Zitate von Haydn, Beethoven, Mozart, Schubert, Rossini, Wagner, Verdi, Puccini, Mahler, Janaček, Bizet u.a. werden in unerwartete Kontexte gebracht: Manchmal geistreich, oft aber eher verwirrend und „durch den Klamauk gezogen“

Eine spaßige Idee ist „die Konferenz der Saurier“, eine Persiflage auf gewichtige Komponisten und ihre „Greatest Hits“, die  allerdings auch bald die Spannung verliert und in Langeweile ausartet. Da erscheinen u.a. Musiker mit Saurierköpfen wie Bach, Beethoven, Mozart, Liszt oder Wagner. Dieser krabbelt gar als wanzenartiges Insekt umher und ruft immer mal wieder ins musikalische Geschehen. Er kann sich wirklich nicht beklagen: an diesem Abend erklingen viele seiner populären Dauerbrenner; die Mannheimer Wagner Begeisterung hält selbstverständlich auch Einzug in die Opal. Schade, dass die Stimmen der Sänger*innen durch die Masken oft mulmig klangen und als Begleitung Orgel statt Orchester eingesetzt wurde.

Die Kostüme von Sabine Blinkenstorfer mit ihrer Opulenz und stilistischen Vielfalt waren eine Augenweide. 

Der zweite Teil des Abends wartete mit längeren Opernszenen auf, die unter der musikalischen Leitung von Clemens Heil jene mitreißende Musizierfreude präsentierten wie man sie in der kommenden Zeit in der OPAL mit seiner hervorragenden Akustik zu hören wünscht. 

Donizettisuna furtiva lagrima“, ein ergreifendes Duett aus  JanaceksKatja Kabanowa“, eine schmissige Operetten-Szene von Arthur Sullivan oder das Finale aus Bizets „Carmen“ wurden zu einer Lachnummer verwurstelt,  in denen Instrumentalisten, Bühnentechniker und Sängerinnen und Sänger zeigen durften, was sie können: Yaara Attias, Fréderique Friess, Manon Jürgens, Shachar Lavi, Marie- Belle Sandis, Anke Schubert, Amelia Scicolone, Christopher Diffey, Uwe Eikötter, Jordan Harding, Rafael Helbig-Kostka, KS Thomas Jesatko, Dietmar Schubert, Jonathan Stoughton, Intendant Albrecht Puhlmann, Bartosz Urbanowicz, Raphael Wittmer und Patrik Zielke.

CRÉATION(s) @ Christian Kleiner 

Wir treffen auf Adam und Eva, die den Apfel vom (BUGA)- Baum der Erkenntnis essen, ausserdem wissen wir nun  -wie Oberbürgermeister Christian Specht in seiner Rede am Ende der Vorstellung treffend sinnierte: „das Paradies liegt in Mannheim“, wo sich die Bürger mit ihrem Theater identifizieren und Poesie im Benzin -Kanister getankt wird. Aber auch im Paradies gab es bekanntlich Mord und Totschlag, was im 2. Teil der „Créations“ genüsslich ausgeschlachtet und in die Nonsens-Ecke verfrachtet wird.

Am Ende geht nochmal alles drunter und drüber: Heldentenor Jonathan Stoughton als Don Jose ersticht im Butterfly-Kostüm Octavian aus dem Rosenkavalier, ein umgedrehter Flügel schwebt vom Himmel herab und gebiert ein Kind, das den Namen „Poesie“ erhält.

Am Ende tönt strahlend der Chor aus Rossinis Wilhelm Tell Freiheit, komm vom Himmel herab“, dessen Botschaft an diesem Abend allerdings einen etwas säuerlichen Beigeschmack annahm. 

Anrührende  Momente der Innerlichkeit entstehen, wenn  Sachar Lavi dem „Urlicht“ aus Mahlers 2. Sinfonie ergreifende Töne verleiht und sich weltabgewandt in zartestem Piano an die silberne Weltkugel schmiegt. Oder wenn Patrick Zielke auf dunkler leerer Bühne Schuberts „Doppelgänger“ singt und  sich selbst mit sanften Akkorden am Flügel begleitet. .

Zu guter Letzt betritt nach einem fulminanten Blechbläsersignal aus den „Planeten“ von Holst Darth Vader aus „Star wars“ in schwarzer Rüstung und Lichtschwert den Zuschauerraum und stampft nach vorne zu den „Stadtoberen“.

Stimmgewaltig und agil füllten Chor, Extrachor und Alphabetchor, von Alistair Liliey bestens einstudiert, den Zuschauerraum.

In den Schlussjubel wurde das Publikum mit einbezogen, es  beklatschte rhythmisch und zuversichtlich die kommende Ära in der schönen neuen Oper am Luisenpark.

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