Mannheim, OPAL, KONZERT DER EUROPEAN YOUTH ORCHESTRA ACADEMY, IOCO
Der weltweit gefragte Pianist Fabian Müller konnte als Solist gewonnen werden. Jan-Paul Reinke und das EYOA Orchester trugen den Pianisten auf Händen, ließen ihm alle Freiheiten, den virtuosen Klavierpart auszukosten.

von Uschi Reifenberg
Europa Konzert der EUROPEAN YOUTH ORCHESTRA ACADEMY am 19. April in der Mannheimer OPAL
Johann Christian Cannabich (1731-1789)
Les Fêtes du Serail (Auswahl)
Ludwig von Beethoven (1770–1827)
Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37
Solist: Fabian Müller
Sinfonie Nr.5 c-Moll op. 67
Jan-Paul Reinke, Dirigent
EYOA - Gefeiertes Europa Konzert in Mannheim
Der Altersdurchschnitt des EYOA - Orchesters liegt in diesem Jahr bei gerade mal 16 Jahren, erklärte Michel Maugé, EYOA-Gründer und Spiritus Rector des exponierten Mannheimer Europa-Projektes, kurz vor Beginn des Konzerts in der Mannheimer OPAL. Umso mehr beeindruckte an diesem Abend das Niveau des Jugendorchesters mit seinem Elan, der ansteckenden Begeisterung und einem ambitionierten Programm. Viele waren erschienen: Förderer, Sponsoren und Freunde des EYOA Projekts, um die 55 jungen Musikerinnen und Musiker aus 17 europäischen Ländern, Großbritannien und der Ukraine zu erleben und mit ihnen die europäischen Maximen Frieden, Freiheit und Freundschaft zu feiern. Oberbürgermeister Christian Specht begrüßte das Orchester sowie das Auditorium sehr herzlich und brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass - neben weiteren namhaften Förderern - auch durch die Unterstützung der „Mannheim UNESCO City of Music“ seit nunmehr 6 Jahren ein solch hochkarätiges Projekt ermöglicht werden könne. „Orchestererfahrung, kultureller Austausch und Freundschaften sind wichtige Meilensteine für die Heranbildung der nächsten Generation europäischer Musikerinnen und Musikern“, betonte Specht. „So findet die Traditionslinie der bedeutenden „Mannheimer Schule“ in unserer Gegenwart mit EYOA ihre Fortsetzung. Durch die Sprache der Musik wird gelebtes EUROPA lebendig.“, so der Oberbürgermeister und gab den jungen Musikerinnen und Musikern die besten Wünsche für ihre musikalische Laufbahn mit auf den Weg. Welcher Komponist wäre besser geeignet, die Leitwerte Europas zu repräsentieren als Ludwig van Beethoven mit seiner Ode an die Freude, der Europahymne, mit welcher das Orchester unter der Leitung ihres Dirigenten Jan-Paul Reinke das glanzvolle Konzert einleitete, zu der sich das Publikum respektvoll von den Sitzen erhob. Integraler Bestandteil der 10-tägigen Probenphase ist alljährlich die Einstudierung eines Werks der „Mannheimer Schule“, die in diesem Jahr mit der Ballett-Suite „Les Fêtes du Serail“ des Mannheimer Komponisten J. Christian Cannabich eine Auswahl vielgestaltiger Tänze präsentierte. Die Stilrichtung der „Mannheimer Schule“, vom kunstsinnigen Kurfürsten Carl Theodor (1743-1778) maßgeblich gefördert, gilt als eine der bedeutendsten europäischen Musikrichtungen des 18. Jahrhunderts, die herausragende Musiker in ihrer Hofkapelle vereinte und als Wegbereiter der Klassik fungierte.

Die Suite entstand um 1770 und wartet mit ihrer Faszination für den „Orient“, das „Fremde“ auf, das in seltenen orientalischen Instrumenten, insbesondere vielfältigem Schlagwerk, Einzug hält. Jan Paul Reinke ließ die „Alte Musik“ lebendig aufblühen und entlockte dem Orchester bunt schillernde Farben, mit groß auffahrenden Crescendi, mal anmutig im Rokoko Stil, weich homogenem Streichermelos, dann wieder wuchtig auftrumpfend; schön gestaltete Holzbläsersoli ließen Mozartischen Geist entstehen. Die exotisch anmutenden enervierenden Schlagzeugeinsätze, von den jungen Musikern virtuos dargeboten, beschworen eine Vision des frühen „Orient“ herauf. Im Zentrum des Konzerts standen zwei Werke von Ludwig van Beethoven: das 3. Klavierkonzert und die populäre 5. Sinfonie, die nicht nur die „Schicksalstonart“ c-Moll gemeinsam haben. Zwei bedeutende Schwellenwerke der Romantik, in denen das Individuum den heroischen Kampf gegen „das Schicksal“ aufzunehmen scheint, um „per aspera ad astra“, „durch das Dunkel zu den Sternen“ zu gelangen, mit dem der bedeutende ästhetische Topos der europäischen Kultur Beethovens konkrete Utopie beschreibt. Der weltweit gefragte Pianist Fabian Müller, vielfacher Preisträger bedeutender Wettbewerbe wie dem ARD-Wettbewerb oder dem Ferruccio-Busoni-Klavierwettbewerb, konnte als Solist gewonnen werden. Jan-Paul Reinke und das EYOA Orchester trugen den Pianisten auf Händen, ließen ihm alle Freiheiten, den virtuosen Klavierpart auszukosten, was in den Orchesterzwischenspielen bisweilen zu einem leichten Tempo- und Spannungsabfall führte. Müller besticht mit packendem Zugriff, klarer Linienführung und legte die Strukturen Beethovenscher Architektur fast sezierend frei, was in der etwas dumpfen Akustik des Saales teilweise trocken wirkte. Im Spannungsfeld zwischen Dramatik und Kantabilität werden die Kontraste geschärft, lotet der Pianist feinste Klangnuancen aus, die ausgedehnte Kadenz mit ihrer weiträumigen hochvirtuosen improvisativen Anlage gestaltet Müller mit unbändiger Energie, Freude an den brillanten Spielfiguren, in denen die Grenzen instrumentaler und pianistischer Möglichkeiten zu Beethovens Zeit evident werden. Ganz versunken in einer innerlichen Welt erweist sich Müller als Poet am Klavier, weit ausschwingend erklingt das Largo Thema, verträumt spinnen sich die Klavier-Arabesken fort, nun im schönsten Einklang mit dem Orchester. Das heitere Rondo-Thema des letzten Satzes wird zum tänzerischen Fanal, das mit lebendigem Fugato, Läufen und Trillern im C-Dur Taumel in einem überschäumenden Finale endet. Fabian Müller dankte mit einer verhaltenen Zugabe: Brahms' Wiegenlied „Guten Abend, gut' Nacht“; intim, hingehaucht, träumerisch. Stand im letzten Jahr Beethovens 9. Sinfonie auf dem Programm der EYOA, so klopfte diesmal mit der 5. Sinfonie das „Schicksal an die Pforte“.

Die ersten vier wohl bekanntesten Themennoten einer klassischen Komposition verfehlen ihre Wirkung selten; zum Symbol geworden, lassen sie den immanenten revolutionären Geist des Werks erfahrbar werden und sind konstituierendes Element im 1. Satz. Die Sinfonie eröffnet dem Zuhörer eine Welt, in der Beethoven - ganz im Sinne der Romantik - die großen Menschheitsthemen verhandelt: der Kampf des Individuums gegen undurchschaubare Mächte, gegen Ungleichheit und Unterdrückung und letztendlich den Sieg der Freiheit und Humanität. Jan-Paul Reinke und sein Orchester musizierten mit großer Leidenschaft und Hingabe und zeigten eine Interpretation, die tiefes Verständnis für das ikonische Werk erkennen ließ. Der Beginn faszinierte durch seine lebendige Energie, Puls und klare Dynamik. Die spielfreudigen Hörner beeindruckten mit Ausdrucksstärke, homogen der Streichersatz, sehr klangschön das Oboensolo, das Orchester spielte sich zunehmend frei, wobei sich der Klang bestens entfaltete. Reinke formt einen großen Spannungsbogen, lässt das Hauptmotiv variantenreich aufscheinen, die rhythmische Prägnanz und schroffen Akzente gaben dem Satz klare Kontur. Schön phrasiert erklingen die Cello-Kantilenen am Beginn des 2. Satzes, das Thema erhält tänzerische Anmut, die großen Tutti-Stellen kompaktes Format, scharfe dynamische Kontraste werden eindrucksvoll in Szene gesetzt. Fein artikuliert und sensibel ausgestaltet, die Variationen transparent, gut balanciert und atmosphärisch dicht. Wirkungsvoll gelingt der Aufbau des 3. Satzes mit intensiv aufspielenden Bässen, expressiven Blechbläsern, ebenso spannend angelegt die retardierende Stelle mit untergründigen Paukenschlägen. Im Finalsatz empfängt die Zuhörer überbordender C-Dur-Jubel, die Freude tönt aus jedem Instrument, der Dirigent lässt den Klangkörper in einer hymnischen Schlussapotheose in vereinter Zuversicht erstrahlen. Viel Jubel, stehende Ovationen für das EYOA Orchester, Jan -Paul Reinke, Fabian Müller und für Michel Maugé.