Mannheim, Musikalische Akademie, Saisonvorstellung 2025/26, IOCO

Auch die Musikvermittlung spielt weiterhin eine tragende Rolle: sehr gefragt sind die Einführungsveranstaltungen vor jedem Akademiekonzert, in denen Künstlerinnen und Künstler Einblicke in die Probenarbeit geben.

Mannheim, Musikalische Akademie, Saisonvorstellung 2025/26, IOCO
Der Rosengarten von Mannheim, Spielstätte der Musikalischen Akademie © Ben van Skyhawk

von Uschi Reifenberg

Saisonvorstellung der 247. Spielzeit 2025/26.
Pressekonferenz am 3. April 2025 in der Geschäftsstelle der MAM

Blockbuster und selten Gehörtes

„Musik ist nie losgelöst von der Zeit“, betont der 1.Vorsitzende der Musikalischen Akademie und Cellist des Nationaltheater Orchesters Fritjof von Gagern beim Pressegespräch zur neuen  Saisonvorstellung der MAM 25/26 in der Geschäftsstelle der Musikalischen Akademie. Also hat als unverzichtbare Instanz unserer Gegenwart Künstliche Intelligenz am fantasievollen Layout des Programmheftes mitgemalt, das auch als Plakat ein echter Hingucker ist und nun die Stadt Mannheim mit seinem ausdrucksvollen und farbstarken Design an vielen Stellen schmückt. Mensch, Maschine und Musik scheinen hier zu einer kreativen Allianz verflochten, wozu -, wie jedes Jahr -, auch ein aufschlussreiches Essay im Programmheft Stellung nimmt.

Viele sind der Einladung zur Vorstellung der neuen Konzertsaison gefolgt: an erster Stelle Generalmusikdirektor Roberto Rizzi Brignoli, der die vielfältigen Konzertprogramme ausführlich erläutert. Aber auch Vorsitzende, Mitarbeiter und Freunde der Musikalischen Akademie, Geschäftsführerin und Harfenistin Eva Röthke, zwei Ehrenmitglieder und selbstverständlich die Verantwortlichen des Nationaltheaters Mannheim, allen voran Opernintendant Albrecht Puhlmann sind erschienen.

Fritjof von Gagern hebt besonders die Kooperation mit dem NTM, das beiderseitige Zusammenwachsen hervor, die Mitwirkung des NTM Chores bei Chorwerken sowie beim Mannheimer Mozart Sommer.

Überhaupt sorgen vorwiegend die „Blockbuster“ der Klassik für einen ausverkauften Mozart Saal (2000 Plätze), so von Gagern, während selten gespielte Werke „schwerer vermittelbar“ seien. Ein Spagat zwischen „bekannt“ und „unbekannt“, den es jedoch immer wieder zu wagen gilt. Dabei verstehen sich die MAM als „Breitbandkulturversorger“, was das vielfältige Programm mit international renommierten Dirigentinnen und Dirigenten, Solistinnen und Solisten und Musik aus fünf Jahrhunderten aufs Schönste beweist.

von links: 1. Vorsitzender der MAM: Fritjof von Gagern, Roberto Rizzi Brignoli, GMD, Eva Röthke, Geschäftsführerin © Uschi Reifenberg

Besonders gefragt sind die „Chefkonzerte“: Roberto Rizzi Brignoli, der nun in seine dritte Amtszeit startet, wird vier der acht Doppelkonzerte leiten, die das Motto einer Klang-Farb-Vision eint, was dem GMD besonders am Herzen liegt und dem Wagner- und Strauss erfahrenen NTM Orchester einen „special sound“, so der Dirigent, hinzufügen soll. Wie jedes Jahr darf man sich auf eine Uraufführung freuen: Als Auftragskomposition der Musikalischen Akademie wird das erste Violinkonzert von Thorsten Encke zu erleben sein. Die schöne Tradition der Kammerakademie wird ebenfalls weitergeführt. Sie steht im nächsten Jahr ganz unter dem Motto „Italienischer Barock“ und wird Meisterwerke des 17. und 18. Jahrhunderts im Schwetzinger Schlosstheater präsentieren.

Das 1.Akademiekonzert am 06./07. Oktober 2025 eröffnet Rizzi Brignoli mit Jubilar Maurice Ravel: Mit Daphnis et Chloé und La Valse entführt er in impressionistische Klangwelten. Für Saint -Saëns berühmtes Cellokonzert konnte Weltklassesolist Daniel Müller-Schott gewonnen werden. Den Abschluss bilden Mussorgskis Bilder einer Ausstellung in Ravels brillanter Instrumentierung.

Das 2.Akademiekonzert am 17./18. November wird ebenfalls GMD Roberto Rizzi Brignoli leiten. Konzertmeisterin des NTO Olga Pogorelova wird als Solistin in Bartóks 2. Violinkonzert zu hören sein. Das Werk verbindet volkstümliche Elemente mit komplexen Strukturen und besonderen Anforderungen an Solistin und Orchester. Rachmaninows 2. Sinfonie gilt als eines der Hauptwerke der russischen Spätromantik und ist prädestiniert für den vollmundigen Klang des NTO.

Im 3.Akademiekonzert am 08./09. Dezember trifft Tschaikowskys ikonisches 1.Klavierkonzert auf die schillernde Märchenwelt Stravinskys. Pianist Barry Douglas bringt die funkelnden Kaskaden des Soloparts zum Strahlen, während Dirigent Ingo Metzmacher und das NTO mit dem Feuervogel die Magie der russischen Klangwelt zum Leben erwecken.

Im 4.Akademiekonzert am 02./03. Februar 2026 wird die geballte Wucht des Schicksals mit legendären Hammerschlägen hereinbrechen: Gustav Mahlers 6. Sinfonie, auch als „Tragische“ bezeichnet, wird von GMD Rizzi Brignoli in seiner vollen Dramatik entfaltet werden. Zwischen heroischer Kraft und tiefstem Schmerz erwächst eine Sinfonie von zeitloser Intensität.

Im 5.Akademiekonzert am 02./03. März tauchen wir ein in Böhmens Klangwelt: Während Smetanas Moldau Natur, Menschen und Geister sehnsuchtsvoll miteinander verbindet, zeichnet Dvorák in seiner 8. Sinfonie ohne jedes Programm ein frappierend ähnliches Bild seiner geliebten Heimat.

Dem gegenüber steht erstmals ein Solokonzert als Auftragswerk der Musikalischen Akademie: Das erste Violinkonzert von Thorsten Encke.

Das 6.Akademiekonzert am 13./14. April präsentiert Rossinis spritzige Semiramide-Ouvertüre, Webers virtuoses Fagott - Konzert und Beethovens ekstatische 7. Sinfonie. Rie Koyama, Solofagottistin der Bamberger Sinfoniker und Geheimtipp in der Fagottwelt, zeigt, wie faszinierend dieses wunderschöne Solo-Instrument ist.

Im 7.Akademiekonzert am 11./12. Mai bilden Sinfonische Dichtungen von Richard Strauss den Rahmen: Till Eulenspiegel treibt seinen Schabernack, dazwischen bringt der Pianist Alfredo Perl Mozarts 24. Klavierkonzert mit tiefgründiger Intensität zum Leuchten. Den krönenden Abschluss bildet Also sprach Zarathustra mit seinem eindrucksvollen Sonnenaufgang. Ein Programm, das Humor, philosophische Tiefe und orchestrale Pracht vereint.

Das 8.Akademiekonzert am 22./23. Juni hat endlich wieder eine Mozart Sinfonie im Programm: seine „40.“ gilt als melancholisch gefärbtes Werk und passt damit zu seinem sagenumwobenen Requiem. Rinaldo Alessandrini und der Chor des NTM sorgen für einen tröstend-bewegenden Saisonabschluss, erstmals im Rahmen des Mannheimer Sommer.

Die Kammerakademie am 25./26. Juli im Schwetzinger Schlosstheater verspricht Barocke Pracht im historischen Ambiente: Gottfried von der Goltz, Konzertmeister des berühmten Freiburger Barockorchesters, präsentiert italienische Meisterwerke des 17.und 18. Jahrhunderts. Eine Hommage an die klangvolle Virtuosität und den lebensfrohen Glanz des italienischen Barocks.

Auch die Musikvermittlung spielt weiterhin eine tragende Rolle: sehr gefragt sind die Einführungsveranstaltungen vor jedem Akademiekonzert, in denen Künstlerinnen und Künstler Einblicke in die Probenarbeit geben, Anekdoten erzählen, oder fundiertes Hintergrundwissen zu den gespielten Werken bieten. Dass Kultur kein Luxus sein darf, ist ein Allgemeinplatz. Die Akademiekonzerte sind deshalb auch für diejenigen zugänglich, die über ein geringes oder gar kein Einkommen verfügen. In Zusammenarbeit mit der Initiative Kulturpakett Rhein-Neckar e.V. macht sich das Orchester für eine gleichberechtigte kulturelle Teilhabe aller stark. Auf Anmeldung erhalten Inhaberinnen und Inhaber des Kulturpasses freien Eintritt in die Akademiekonzerte.

Schulklassen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 erhalten generell kostenfreien Eintritt zu den Konzerten. Ab Stufe 11 können Schüler, Azubis sowie Studierende ermäßigte Konzertkarten für 9 Euro erwerben.

Generalprobenbesuch für Schulklassen: bis zum Konzert durchlebt jedes Programm einen langen Weg des disziplinierten Probens: Schulklassen haben die Möglichkeit, in dieser spannenden Phase den Musikerinnen und Musikern beim Proben über die Schulter zu schauen und den Arbeitsalltag eines Orchesters zu erleben.

 

Wirtschaftliche Situation der MAM - Saison 2025/26

Nach wie vor sieht sich die Konzertreihe der MAM inflationsbedingt vor finanzielle Herausforderungen gestellt. In allen Segmenten sind die Ausgaben gestiegen. Die Bemühungen, durch gezieltes Marketing und ein professionell betreutes Erscheinungsbild neues Publikum zu gewinnen, sind kostenintensiv, haben sich aber auch bezahlt gemacht. Erfreulicherweise steigen die Einzelticketverkäufe stetig weiter.  Auch die Zahl der Abonnenten wächst, derzeit ist die Akademie bei einem Stand von 2.508 aktiven Abos. Das entspricht annähernd der Zahl aus der Spielzeit 2018/19. Die durchschnittliche Auslastung des Mozartsaals liegt bei den bisherigen sechs Konzerten bei 81,94 % (zum Vergleich: in der letzten Spielzeit betrug die Auslastung nach dem 6. Konzert 76,29 %). Besonders hervorzuheben ist das 3. Akademiekonzert mit Beethovens 9. Sinfonie, bei welchem die Akademie an beiden Abenden komplett ausverkauft war. Bei dem Aufwärtstrend bleiben die Ausgaben hoch und steigen nach wie vor. Die Akademie rechnet mit einem Verlust zum Ende der Spielzeit und sieht sich gezwungen, die Ticket- und Abonnentenpreise zur nächsten Saison leicht zu erhöhen. Dabei wurde versucht, maßvoll vorzugehen: Die Erhöhungen liegen zwischen 3-3,5 %. Letztmalig kann die Akademie ihr negatives Eigenkapital durch die Auflösung der Rückstellung aus Ticketverkäufen zu Pandemiezeiten zum 01.01.25 ausgleichen.Die MAM ist künftig mehr denn je auf die Institutionelle Förderung angewiesen.

Ganz herzlichen Dank an die Stadt Mannheim für diese Unterstützung.

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