Lübeck, Theater Lübeck, Gespentersonate - Aribert Reimann, IOCO Kritik, 05.06.2021

Lübeck, Theater Lübeck, Gespentersonate - Aribert Reimann, IOCO Kritik, 05.06.2021
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Theater Lübeck

Theater Lübeck © Olaf Malzahn
Theater Lübeck © Olaf Malzahn

Gespenstersonate -  Aribert Reimann

  - verwirrendes, verworrenes - voller Morbidität, Mystik, Okkultismus -

von Wolfgang Schmitt

Nachdem dieser unsägliche Corona-Lockdown aufgrund der jetzt endlich fallenden Inzidenzwerte nunmehr in der zweiten Mai-Hälfte gelockert werden konnte, durften auch die Theater ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen. Allerdings gibt es für den interessierten Theaterbesucher etliche Hürden zu überwinden. Im Bundesland Schleswig-Holstein, welches mit einem gewissen Stolz die niedrigsten Inzidenzwerte aufweisen konnte, müssen die Besucher einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Am Theatereingang muß man sich per „Luca-App“ registrieren, als nächstes muß man an einem weiteren Eingangs-Kontrollpunkt ein mit seinem Namen, Adressen, Telefon- und Handyummern ausgefülltes Formular vorlegen und abgeben, am letzten Kontrollpunkt wird schließlich der Personalausweis mit der personenbezogenen Eintrittskarte verglichen. Nach diesem „Hürdenlauf“ ist man nun endlich drin im Theater und darf sich auf die Vorstellung freuen. Sicherlich wird dieses Verfahren viele Operngänger von einem Theaterbesuch erstmal abschrecken, aber zur Zeit besteht wohl noch immer die Notwendigkeit solcher Maßnahmen, und wir können nur hoffen, daß dieser Corona-Albtraum recht bald vorbei sein wird.

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Theater Lübeck / Gespentersonate - hier : Direktor Hummel, links, und Ensemble © Olaf Malzahn
Theater Lübeck / Gespentersonate - hier : Direktor Hummel, links, und Ensemble © Olaf Malzahn

Die Gespenstersonate von Aribert Reimann (*1936) - nach dem surrealistischen Schauspiel von August Strindberg - ist eine verwirrende, verworrene Geschichte voller Morbidität, Mystik und Okkultismus, eine schwer nacherzählbare Geschichte zweier schicksalhaft miteinander verbundenen Familien. Da ist zunächst der Alte, Direktor Hummel, in seinem Rollstuhl langsam aus dem Bühnenhintergrund nach vorn an die Rampe fahrend, ein Intrigant und Bösewicht, dämonisch deklamierend und intensiv dargestellt von

Otto Katzameier mit markantem Bassbariton.Der Oberst ist ein Hochstapler mit geschönter Vergangenheit, ein Betrüger, weder ist er Oberst noch adlig, gesungen von Wolfgang Schwaninger mit heldentenoralen Ausbrüchen, seine Gratwanderung zwischen dem mit Orden dekoriertem Offizier und enttarnter tragisch-bloßgestellter Kreatur großartig darstellend. Karin Goltz ist seine Frau, die – aufgrund ihres damaligen Ehebruchs mit Hummel - traumatisierte Mumie, in diesem Rahmen auch optisch an Martha Mödl erinnernd, ausgestattet mit einem satten, pastosen Alt, während Andrea Stadel, ihre Tochter, das „Fräulein“, die auch die Tochter des Direktors Hummel ist, als Blumenliebhaberin – insbesondere liebt sie Hyazinthen - in ihrem bunten blumenbestrickten Kleid und glockenhellem Sopran eine fröhlich-optimistische Note in das Bühnengeschehen bringt.

Arkenholz, dessen Vater einst von Direktor Hummel in den Ruin getrieben worden ist, beeindruckte mit seinem hellen, kraftvoll eingesetzten lyrischen Tenor und seinen nahezu hybriden Tönen in extremer Höhenlage bis hinauf zum „e“, wie vom Komponisten gefordert. In den weiteren Partien hörten wir

Daniel Schliewa als Johanssen, den unterwürfigen Diener des Direktors Hummel, Steffen Kubach als Bengtsson, den bestens über alle Geheimnisse informierten Diener des Oberst, Julia Grote als unheimliche Köchin, Milena Juhl in ihren kurzen Auftritten als „die dunkle Dame“, sowie Iris Meyer als quiekende, gurrende Papageien-Imitation der Mumie.
Theater Lübeck / Gespentersonate von Aribert Reimann © Olaf Malzahn
Theater Lübeck / Gespentersonate von Aribert Reimann © Olaf Malzahn

Julian Pölsler

ist mit seiner Ausdeutung der Gespenstersonate ein genialer Coup gelungen, seine stimmungsdichte und präzise Inszenierung zog den Zuschauer vom ersten Moment an in seinen Bann, auch das geschmackvolle Bühnenbild von Roy Spahn, der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnete,sowie die ausgefeilte Lichtregie von Falk Hampel hatten hieran einen erheblichen Anteil.

Die ansprechenden Bühnenbilder zeugen von aparter Ästhetik: Das erste Bild zeigt das Anwesen des Oberst, in welchem er mit seiner Frau – der Mumie - und seiner vermeintlichen Tochter – dem „Fräulein“ - lebt. Ein links angebrachter, von der Decke herunterhängender, bedruckter Vorhang dient als der „Wandschrank“, in dem die Mumie lebt und in dem sie später dem Direktor Hummel befiehlt, sich umzubringen. Im zweiten Bild sehen wir den Salon von schlichter Eleganz mit der Statue seiner Frau, der Mumie, als diese noch jung war, und in dem das alljährliche „Gespenstermahl“ stattfindet. Von der Decke herunter hängen Blumenzwiebeln, die von der Tochter so geliebten Hyazinthen. Im dritten Bild befinden wir uns in dem Zimmer der Tochter, dem Hyazinthenzimmer, in dem sie und Arkenholz sich näher kommen und wo ihr Schicksal seinen unvermeidlichen Lauf nimmt.

Andreas Wolf

und die ca, 18 Mitglieder des bestens einstudierten, kammermusikalisch klein besetzten Lübecker Philharmonischen Orchesters begleiteten das Bühnengeschehen unglaublich spannungsreich, die Violinen, die Bratsche, Oboe, Fagott, Bassklarinette, Trompete und Kontrabass, dazu Harfe und Klavier, jedes dieser Soloinstrumente untermalte spannungsreich und präzise die Emotionen, die Konflikte, die Dramatik, die Atmosphäre, die gesamte Psychologie dieser Geschichte auf faszinierende Weise, auch war Andreas Wolf den zehn hochkarätigen Solisten ein sicherer und einfühlsamer Begleiter. Natürlich sind moderne Opern, Zwölftonkompositionen des 20. Jahrhunderts, nicht jedermanns Sache, und so verließen einige wenige Zuschauer bei der ersten sich bietenden Gelegenheit nach dem ersten Bild den Saal, dennoch lohnt sich ein Besuch dieser hervorragenden, spannenden Inszenierung, die das Lübecker Theater auch in der nächsten Spielzeit, wenn der Corona-Albtraum hoffentlich vorüber sein wird, im Spielplan behalten sollte.

---| IOCO Kritik Theater Lübeck |---

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