Ludwigshafen, Pfalzbau, NEUJAHRSKONZERT – Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, IOCO
Die musikalische Leitung des Abends lag in den Händen des versierten Gastdirigenten Gregor Bühl, der den gut gelaunten Musikern Frische, Farbigkeit und viel Orchesterglanz entlockte und darüber hinaus mit seinen humorvollen Moderationen für beste Stimmung sorgte.
von Uschi Reifenberg
Euphorisch ins neue Jahr
Neujahrskonzert am 3.01.25 im Pfalzbau Ludwigshafen
Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
Gregor Bühl, Dirigent
Sharon Kam, Klarinette
Mit „einer Handvoll Zaubersternen“ startete die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in ihrem Neujahrskonzert im Pfalzbau Ludwigshafen mit hochkarätiger Musik, Humor und vielen Überraschungen und brachte jeden einzelnen Programmpunkt des abwechslungsreichen Konzerts zum Glitzern. Die Kartennachfrage für das Neujahrskonzert war auch noch bis kurz vor Vorstellungsbeginn groß, die Aufführungen schon Wochen vorher ausverkauft, ein Beweis für die Qualität und die große Beliebtheit der Neujahrskonzerte. Das stilistisch vielfältige Programm bot eine reizvolle Palette von Solokonzert über die traditionellen Wiener Walzer bis hin zur Moderne und Jazz, für das Spitzenorchester also ein passgenaues Konzept, das sich an diesem ersten Konzertabend im Jahr in seiner Bestform präsentierte und das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. In charmantem Plauderton begrüßte Intendant Beat Fehlmann Publikum und Musiker, sprach allen Anwesenden seine herzlichsten Neujahrswünsche aus und versprach beste Aussichten für ein spannendes und erfüllendes Musikjahr 2025. Das Versprechen wurde sogleich mit der Ouvertüre zur komischen Oper „Donna Diana“ von Niklaus von Reznicek eingelöst, die als ideales Eröffnungsstück in Wunschkonzert- und Feierlaune versetzte. Die schwungvolle und melodienselige Ouvertüre wurde vor allem bekannt durch ihr populäres Thema, das der Quiz Sendung aus den Siebzigerjahren „Erkennen Sie die Melodie“, als Eingangsthema diente und zum absoluten Hit avancierte. In raschem Tempo wechseln hier in schwebender Leichtigkeit, warme Streicherklänge, die dem Hauptthema den perfekten Schmelz verleihen, kontrapunktiert von rhythmisch begleitenden Holzbläsern und witzig dazwischenfunkenden Fanfaren. Dynamische Kontraste werden spannungsreich angelegt, im durchbrochenen Satz glänzen die Holzbläser in rossinihafter Manier, wunderschön die höchsten Flötentöne, präzise und lebendig läuft der durchgehende Puls, bis im Mittelteil ein melancholisches Oboensolo die Stimmung eindunkelt. Das letzte Crescendo wird effektvoll aufgebaut und endet mit drei federnden Paukenschlägen. Die musikalische Leitung des Abends lag in den Händen des versierten Gastdirigenten Gregor Bühl, der den gut gelaunten Musikern Frische, Farbigkeit und viel Orchesterglanz entlockte und darüber hinaus mit seinen humorvollen Moderationen für beste Stimmung sorgte. Überraschend wurden auch einzelne Programmpunkte von verschiedenen Orchestermusikern anmoderiert, gewürzt mit interessanten und witzigen Anmerkungen.
In die Welt der frühen Romantik führte Carl Maria von Webers Konzert für Klarinette und Orchester in Nr. 2 in Es-Dur, das mit der ausgezeichneten Solistin Sharon Kam zu einem Höhepunkt des Programms wurde. Die israelische Klarinettistin, mit Preisen überhäuft, arbeitet mit den bedeutendsten Orchestern zusammen und ist seit über 20 Jahren weltweit eine der führenden Vertreterinnen ihres Fachs. Schon mit den ersten Tönen des Orchestervorspiels ist die Solistin völlig in der romantischen Welt Weberscher Prägung versunken, ihr gestisch belebtes Spiel ist von hoher Suggestionskraft, makellos und brillant ihre Technik, die Tiefe klingt erdig und voll, die Höhe hell, aber nie eng, ihr gesamter Ambitus verfügt über eine schillernde Farbpalette. Die Klarinette wird zur Singstimme, die im 2. Satz in höchster Phrasierungskunst innige Kantilenen spannt oder im 3. Satz gestochen scharfe Koloraturen formt und die kecken Spielfiguren des Ännchen aus dem „Freischütz“ vorausahnt. Später präsentierte sich die Klarinettistin mit George Gershwins „It ain‘t necessarily so“ aus „Porgy und Bess“ als idiomatische Jazzerin, die mühelos von Klassik auf Jazz switchte und mit modulationsfähigem, coolem Sound begeisterte. In der vor- und nachweihnachtlichen Zeit sind Sätze aus Tschaikowskys fantastisch-magischer „Nussknacker-Suite“ Fixpunkte, deren traumhafte Miniaturwelt die Staatsphilharmonie feinsinnig funkeln ließ. Zum Auftakt des 200-jährigen Johann Strauss Jubiläums 2025 kamen die heimliche Wiener Nationalhymne „An der schönen blauen Donau“ und - wie sollte es anders sein - die „Fledermaus-Ouvertüre“ zu Ehren, die Walzerseligkeit verbreitete und manche Zuhörer nur schwer auf den Sitzen hielt. Mit viel „Wiener Schmäh“ wurden die thematischen Ohrwürmer aufgetischt, die Gregor Bühl mit überlegtem Rubato, spritzig-tänzerischer Attitüde und gut disponierten Wechseln in rauschhafter Abfolge vorbeiziehen ließ. Glänzend! Freiheit und Tango verschmelzen zu „Libertango“ in Astor Piazzollas unsterblichem argentinischem Genre, des „neuen“ Tango, einer Mixtur aus Klassik, Moderne und Jazz. Rhythmus, Leidenschaft und Sinnlichkeit sprechen aus jeder Note, ebenso ein vitales Lebensgefühl voller Versprechungen und Glücksmomenten, dass die Musiker energiegeladen, mit süffigem Klang abrunden. Ein Abstecher in die russische Moderne führt zu Dmitri Schostakowitsch, der in seinen Werken - entweder verdeckt oder offen-Ironie, Satire und Groteske kunstvoll einflocht. In seiner einzigen Operette von 1958 darf man sich unverhohlen amüsieren: „Moskau-Tscherjomuschki“.
„Es beginnt harmlos, läuft aber - nach jeder Menge Alkohol - (etlichen Gläsern Wodka) so ziemlich aus dem Ruder“, wie Gregor Bühl humorvoll anmerkte. Aus einem kinderliedartigen Anfangsmotiv im Marschduktus, das sehr einfach und brav daherkommt, durchläuft das Thema verschiedene Instrumentengruppen und steigert sich mit frechen Holz- und Blechbläsereinwürfen in rasantem Tempo konvulsivisch zum lärmenden Tutti-Höhepunkt. Schostakowitsch at its best. Zum Abschluss ließ man noch einmal Champagnerkorken knallen, wenn auch nur musikalisch: Der „Champagner-Galopp“ von Hans-Christian Lumbye, dem dänischen Johann Strauss, mobilisierte noch einmal alle Energien, vor allem die der hervorragenden Schlagzeuger, und fungierte als idealer „Rausschmeißer“, nicht ohne drei Zugaben zum Besten zu geben: Mit der „Tritsch-Tratsch Polka“, der „Eugen Onegin“-Polonaise und dem „Radetzky Marsch“ verabschiedeten sich die Musiker endgültig vom euphorisch applaudierenden Publikum.