Lübeck, Theater Lübeck, Madame Butterfly - Giacomo Puccini, IOCO Kritik, 04.02.2022
Madame Butterfly - Giacomo Puccini
- Cio-Cio-San - und ihre Leiden in einer oberflächlichen Männerwelt -
von Wolfgang Schmitt
Madame Butterfly von Giacomo Puccini zählt zu den beliebtesten Werken der gesamten Opernliteratur. Wenn dieses traurig-schöne Musikdrama auf dem Spielplan eines Theaters steht, kann man damit rechnen, daß die Vorstellungen ausverkauft sein werden; auch jetzt und trotz der Zeiten der Pandemie.
Daß dieser Neuinszenierung am Lübecker Theater ein großer Erfolg beschieden sein wird, wird in erster Linie der Titelheldin zugeschrieben werden können: Mit Maria Fernanda Castillo steht eine phänomenale Cio-Cio-San auf der Bühne, die mit ihrem leuchtenden, voluminösen, jugendlich-dramatischem Sopran und berührender, intensiver Darstellung vollends überzeugen konnte.
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Ezio Toffolutti war der Regisseur, Bühnenbildner, und er entwarf auch die authentischen Kostüme. Auf übertriebenen fernöstlichen Kitsch wurde in seiner Inszenierung weitestgehend verzichtet, wenn man mal vom riesigen, blutroten Mond während des Summ-Chors im zweiten Akt absieht, wobei dies eigentlich ganz stimmungsvoll angemutet hätte - ein etwas kleinerer Mond hätte es auch getan.
Das schlichte Bühnenbild mit blau-weißem Hintergrund und der beigefarbenen gefalteten Origami-Hütte verfehlt nicht seine Wirkung, und dies besonders am Ende, wenn diese Hütte aufgefaltet wurde und zu einem großen Frauenkopf-Portrait, Bild links, am Bühnenhintergrund geriet. Laut eigener Aussage hatte Tuffolutti dieses Bild in seiner Jugend gemalt und es hatte ihn nunmehr inspiriert, es auf diese Art zu verwenden. Dieses Bild hatte allerdings auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Cio-Cio-Sans Kind - hier eine bewegliche, blond gelockte große Puppe - die liebevoll von ihr und von Suzuki herumgetragen wurde. Tuffoluttis Kostümentwürfe, die aufwendig kunstvoll bestickten Kimonos und auch die traditionellen Kostüme für die Herren waren durchaus geschmackvoll. Es ist sicherlich ungewöhnlich, mal wieder eine traditionelle Inszenierung angeboten zu bekommen in diesen Zeiten, in denen die meisten Regisseure meinen, alle Opernstoffe unbedingt aktualisieren zu müssen, aber diese Inszenierung hatte ihre Wirkung beim Lübecker Publikum nicht verfehlt.
In der Titelpartie sah Toffolutti nicht das scheue fünfzehnjährige Mädchen, sondern eine starke, energische junge Frau, die weiß was sie will, nämlich die Ehefrau eines amerikanischen Marineleutnants zu werden, dem sie offen und selbstbewußt, ohne Scheu und Unterwürfigkeit gegenüber tritt. Für diesen ist die arrangierte Heirat mit der weiß geschminkten jungen Geisha jedoch nur ein amüsanter Zeitvertreib während seiner Stationierung in Japan. Yoonki Baek war sehr bemüht, im Rahmen seiner stimmlichen Möglichkeiten der Partie des Pinkerton gerecht zu werden, doch noch fehlt es seiner Stimme an Volumen, Dramatik und vor allem an der nötigen Durchschlagskraft, diese Partie gesanglich auszufüllen. Darstellerisch legt er Pinkerton als einen oberflächlichen, sorglosen, offenbar dem Alkohol zugetanen Marineleutnant an. Baek war stets bühnenpräsent, jedoch klang er in manchen Passagen schlicht überfordert, im Forte grell, besonders auffällig im Duett mit Maria Fernanda Castillo und ihrer ausdrucksvollen Stimme mit dem strahlendem Höhenregister, für die er hier kein gesanglich gleichwertiger Partner war. Mit einem kraftvollen, angenehm timbrierten Bariton wartete Johan Hyunbong Choi als väterlicher, gutmütiger Konsul Sharpless auf. Als die treu umsorgende Dienerin Suzuki bot Wioletta Hebrowska mit ihrem warmen, ausdrucksvollen Mezzosopran eine ansprechende Leistung. Tadellos besetzt war die Partie des umtriebigen, aufdringlichen Heiratsvermittlers Goro mit dem lyrischen Tenor Noah Schaul, der sich stets dort herumtrieb, wo er nicht sein sollte. Stellvertretend für die zahlreichen kleineren Partien seien Iris Meyer als die in der Bibel lesende, im Krankenschwestern-Outfit gekleidete Kate Pinkerton, sowie der Bariton Owen Metsileng als Fürst Yamadori und der Bass Runi Brattaberg als beängstigend fluchender - Cio-Cio-San verfluchender - Onkel, Bonze genannt.
Der Lübecker GMD Stefan Vladar dirigierte das bestens disponierte Philharmonische Orchester der Hansestadt, erstaunlich transparent schon in der Ouvertüre, mit wunderbarer Prägnanz und Klarheit im Fortgang der Oper. Herrlich gefühlvoll wurde der Farbenreichtum von Puccinis Partitur herausgearbeitet, wenngleich gegen Ende des zweiten und zu Beginn des dritten Aktes die Tempi gern etwas hätten angezogen werden können, um einen Spannungsabfall gar nicht erst entstehen zu lassen. Der von Jan-Michael Krüger einstudierte Chor sang wunderbar ausgewogen, präzise und klangschön im ersten Akt und besonders in der stimmungsvollen Szene mit dem Summ-Chor am Ende des zweiten Aktes. Am Schluß gab es nicht enden wollenden Beifall für alle Mitwirkenden, ganz besonders jedoch für die Titelheldin Maria Fernanda Castillo aufgrund ihrer exzeptionellen Leistung an diesem Abend, aber auch für GMD Stefan Vladar und sein hochmotiviertes Orchester.
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