Lübeck, Theater Lübeck, LE NOZZE DI FIGARO - Wolfgang A. Mozart, IOCO Kritik, 01.07.2023
LE NOZZE DI FIGARO - Wolfgang Amadeus Mozart
- Ein toller Tag zum Saison-Ausklang -
von Wolfgang Schmitt
Ein gern gesehener Gast am Theater Lübeck ist der britische Regisseur Stephen Lawless, der an diesem Hause bereits die Benjamin Britten Opern Owen Wingrave und The Turn of the Screw inszeniert hatte. In dieser jetzt zu Ende gehenden Spielzeit wurde er gleich mit zwei Regieaufgaben betraut, nämlich mit Brittens Albert Herring und mit Mozarts Da-Ponte-Oper Le Nozze di Figaro, und mit beiden Opern hat er dem Theater Lübeck wieder einmal bedeutende Publikumserfolge beschert.
Als Vorlage zu seiner Oper diente Mozart die fünfaktige Komödie La folle journée où Le mariage de Figaro von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais und einen wahrlich tollen Tag hatte das Lübecker Publikum am 25. Juni 2023, diesem letzten Tag in der nun zu Ende gehenden Spielzeit.
Mit viel Liebe zum Detail und einer ausgefeilten Personenregie zeichnete Stephen Lawless in seiner herrlich klassischen Inszenierung die turbulente komödiantische Handlung von sexueller Begierde, aufkeimender Eifersucht, Macht und Besitzanspruch, der Vernachlässigung im Eheleben, Verwirrung, Verirrung und Verwechselung wunderbar augenzwinkernd nach.
Trailer - Die Hochzeit des Figaroyoutube Theater Lübeck
[ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]Adrian Linford schuf ein schön anzuschauendes Bühnenbild unter Ausnutzung der Drehbühne, auf der das gräfliche Anwesen in weiß mit antikem Mobiliar oder das Boudoir der Gräfin mit einer pittoresken Landschaftstapete dargestellt war. Auch das große breite Bett mit Baldachin für Figaro und Susanna,hinter dem und unter dem sich der Graf und Cherubino verstecken konnten, durfte nicht fehlen. Adrian Linford kreierte auch die klassischen, der damaligen Zeit entsprechenden Rokoko-Kostüme, z.B. eine elegante zartblaue Robe für die Gräfin oder ihren rosa Spitzen-Morgenmantel über dem weißen Nachthemd, bestickte Jacketts und Reitstiefel für den Grafen, während Figaro, Susanna, Cherubino, Barbarina und die Bediensteten in dunkles Rot gekleidet waren.
Figaros Hochzeit wird heutzutage als Mozarts stilistisch gelungenste Oper angesehen. Die Musik unterstreicht nicht nur das amüsante Bühnengeschehen, sie treibt die Handlung sogar noch an. Gleich die Ouvertüre klingt geradezu feuerwerksartig, und das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck unter der inspirierten Leitung von Jan-Michael Krüger setzte denn auch temporeich und energiegeladen ein und beeindruckte im rasanten Fortgang dieser Matinee-Vorstellung mit vollem und sattem Klang. Den Solisten und Choristen war er ein aufmerksamer Begleiter. Die Rezitative wurden von Takahiro Nagasaki virtuos am Hammerklavier begleitet und mit kurzen Passagen aus der kleinen Nachtmusik und der Champagner-Arie aufgepeppt.
Auch sängerisch bot die Lübecker Oper wieder einmal ein erfreulich hohes Niveau. Evmorfia Metaxaki bot ein anrührendes Portrait der vernachlässigten, betrogenen Gräfin und verströmte mit ihrem warm timbrierten lyrisch-jugendlichen Sopran Momente der Melancholie und Traurigkeit in ihren großen Arien „Porgi amor“ und „Dove sono“. Von kraftvollem Forte bis zu feinsten Pianotönen bot sie die gesamte Palette von Emotionen und wirkte besonders in ihrer blassblauen Robe elegant und aristokratisch.
Andrea Stadel sang die Partie der quirligen, sich selbstbewußt gebenden Susanna mit ihrem klaren geschmeidigen, schön timbrierten Sopran, den sie besonders in ihrer Rosenarie gut zur Geltung bringen konnte, aber auch in ihren Szenen und Duetten mit der Gräfin, Figaro oder dem Grafen konnte sie deutliche Akzente setzen. Ihr Figaro war Florian Götz, der mit seinem bodenständigen, natürlichem Spiel schnell die Sympathien des Publikums auf seiner Seite hatte. Seinen nicht allzu dunkel gefärbten Bass-Bariton setzte er kraftvoll ein. In seiner Darstellung gab er sich ohne irgendwelche Diener-Unterwürfigkeit. Seine Arien gestaltete er temperamentvoll, „Se vuoi ballare“ präsentierte er herrlich schlitzohrig.
Jacob Scharfman brachte für den Graf Almaviva seinen kraftvollen virilen Bariton auf und warf sich mit großem Engagement in die Partie des Herrn, der sehr gern sein „jus primae noctis“ ausüben würde. Seine mehr als schulterlange rote Perücke war recht gewöhnungsbedürftig und wirkte nicht unbedingt aristokratisch, sie gab ihm eher das Aussehen eines Hippies der Endsechziger Jahre. Sängerisch und schauspielerisch ließ er jedoch keine Wünsche offen, und seine große Bravour-Arie „Hai gia vinta la causa“ geriet famos.
In der Rolle des androgynen Cherubino glänzte Laila Salome Fischer mit heiterem Spiel und gefiel mit ihrem dunkel timbrierten Mezzosopran besonders in der Arie „Non so piu cosa son“, die sie mit zusätzlichen Verzierungen darbot. Originell war die Szene, in der Cherubino vom Grafen übers Knie gelegt und versohlt wird.
Der lyrische Tenor Noah Schaul als Gesangslehrer sah in seinem Kostüm und der Perücke aus wie Mozart persönlich, er übernahm auch den kurzen Auftritt des Don Curzio.
Virginia Felicitas Ferentschick war eine agile, jung gebliebene Marcellina von fröhlicher Ausstrahlung und mit klangvollem Mezzosopran. Runi Brattaberg als vergnügter Bartolo gefiel in dieser Rolle mit seinem sonoren Bass.
Natalya Bogdanova in der Partie der Barbarina präsentierte ihren funkelnden lyrischen Sopran in der kleinen Arie „L'ho perduta, me meschina“, und Steffen Kubach als ihr Vater und Gärtner Antonio wertete diese Rolle durch verschiedene eingefügte Aktionen auf. Auch der ganz in weinroten Kostümen gewandete Chor des Theater Lübeck hatte seine starken Momente.
Es war die letzte Opernvorstellung dieser Spielzeit am Theater Lübeck, die von einem dankbaren Publikum mit nicht enden wollendem Applaus bedacht wurde. Am 2. September 2023 geht es weiter mit der Saison-Eröffnungspremiere Eugen Onegin, wir freuen uns schon darauf.