Lübeck, Theater Lübeck, LA BOHÈME - Giacomo Puccini, IOCO

THEATER LÜBECK - La Bohéme: Angela Denoke, die auf eine erfolgreiche Gesangskarriere zurück blicken kann, hat sich nun der Regiearbeit zugewandt und eine schlüssige Inszenierung in einem wunderbar anzuschauenden Bühnenbild geschaffen ......

Lübeck, Theater Lübeck, LA BOHÈME - Giacomo Puccini, IOCO
Theater Lübeck © Olaf Malzahn

von Wolfgang Schmitt 

Vor 100 Jahren, 1924, starb Giacomo Puccini. Seine vierte Oper, La Bohème, zählt zu den weltweit am meisten gespielten Werken der Opernliteratur und gilt für viele als sein absolutes Meisterwerk.

Am 26. April 2024 feierte La Boheme im Theater Lübeck seine glanzvolle Premiere.

Angela Denoke, die auf eine erfolgreiche Gesangskarriere zurück blicken kann, hat sich nun – wie schon ihre Kollegin Brigitte Fassbaender, deren Elektra-Inszenierung im Januar '24 am Lübecker Theater eine triumphale Premiere feierte – der Regiearbeit zugewandt und gemeinsam mit den beiden Bühnen- und Kostümbildnern  Okinara Peter & Timo Dentler eine durchaus schlüssige Inszenierung in einem wunderbar anzuschauenden Bühnenbild geschaffen.

Die vier Freunde leben nicht in einer ärmlichen Dachwohnung auf dem Pariser Montmartre, sondern ihr eher herrschaftlicher Wohnraum mit antikem, bereits verschlissenem Mobiliar wird dominiert von einem überdimensionalen reich verziertem Kamin, so daß man davon ausgehen kann, daß sie schon bessere Tage gesehen haben. Sie sind wohl auch nicht mehr so ganz jung, sondern bereits mittleren Alters. Ihr Kleidungsstil wirkt eher konservativ, nur Schaunard mit langer Haarpracht scheint unter den vier Herren der Paradiesvogel zu sein, wenn er anfangs im rosa Frisiermantel über die Bühne tänzelt und dem sie aufsuchenden Vermieter Benoit gekonnt eine Rückenmassage verpaßt.

THEATER LÜBECK - LA BOHÈME hier das Ensemble im 2. Akt @ Olaf Mahlzahn

Im zweiten Akt dient der erwähnte große Kamin als Entrée zum Café Momus. Hier herrscht fröhliches Treiben, der Chor und der Kinderchor sind kostümiert in clownesken Anzügen oder in farbenfrohen Phantasieuniformen, die Chordamen in schrill-bunten Gewändern. Die ausgelassene, temperamentvolle Atmosphäre in diesem Bild und die von Fabio Toraldo geschickt choreographierten Massenszenen gelingen erstaunlich perfekt, und auch die fünfköpfige Band spielte ihre Parade in diesem turbulenten Geschehen auf der Bühne wunderbar präzise.

Im dritten Akt sehen wir, in ein fahles Licht getaucht, die Rückseite des großen Kamins als brüchige Ziegelsteinwand, an die sich Mimi kauert, dem Duett von Rodolfo und Marcello lauscht, ihre innig empfundene Arie „Donde lieta“ singt, während der vierte Akt zunächst vor dem blauen Vorhang mit dem Herren-Quartett beginnt. Dann öffnet sich der Vorhang und Mimi tritt effektvoll aus dem in dunkelrotes Licht gehüllten Kamin, während die gesamte Bühne nun mit roten Rosenblättern ausgelegt ist. Überhaupt hatte die effektvolle, ausgefeilte Lichtregie von Falk Hampel einen ganz beträchtlichen Anteil an der Wirkung und der Stimmung der Szenen, wenn er die Bühne im ersten Akt in blau-violettes Licht tauchte, im zweiten Akt die hellen gold-gelben Farben dominierten, im dritten Akt fahle Düsternis überwog, um schließlich im Schlußbild blutrot das Ende einzuläuten.

GMD Stefan Vladar läßt sein Philharmonisches Orchester mit großer klanglicher Transparenz aufspielen, verzichtet auf alles schnulzige, süßliche, bevorzugt schnelle vorwärts drängende Tempi und unterlegt dennoch das emotionale Bühnengeschehen differenziert und farbenreich. 

In dieser Inszenierung ist Mimi nicht die scheue schüchterne Stickerin, sondern eine selbstbewußte junge Frau, die auch schon mal die Initiative ergreift, wenn es darum geht, Rodolfo näherzukommen. Erst im Schlußbild wird ihre Krankheit offenbar, dennoch liegt sie nicht gebrechlich auf einem Sofa, sondern steht aufrecht, von Rodolfo fest umschlungen, bis sie schließlich tot in seinen Armen zusammenbricht.

LA BHOHÈME hier Evmorfia Metaxaki als Mimi - Copyright Wolfgang Radtke

Evmorfia Metaxaki im langen rosa Kleid als Mimi sah schön und gesund aus. Sie brillierte mit ihrem strahlenden lyrisch-jugendlichen Sopran, dem sie reiche farbliche Facetten abgewinnen konnte. Sie sang die Mimi berührend mit inniger lyrischer Kraft und imponierte durch die absolut intensive, lebensechte Gestaltung dieser Partie.

Ihr Rodolfo war der moldawisch-rumänische Tenor Iurie Ciobanu, der einzige Gast in dieser Produktion, alle anderen Partien konnten aus dem Ensemble besetzt werden. Mit seinem hell timbrierten, kräftigen und höhensicheren Spinto-Tenor beeindruckte er durch gefühlvolle Gestaltung seiner großen Arie „Che gelida manina“, durch seine makellosen hohen C's, und besonders auch in seinen Szenen und Duetten mit Mimi, in denen er stets seine Bandbreite zwischen zartem lyrischen Schmelz und vokaler Ausdruckskraft ausschöpfte.

Gerard Quinn setzte als sehr seriös wirkender Marcello mit seinem farbenreichen Bariton besonders im ersten und dritten Akt stark prägende Momente.

Natalia Willot war eine temperamentvolle Musetta mit großer Lockenpracht, roter Hose und schwarzem Jackett, gab sich selbstsicher und kokett in ihrer Darstellung. Ihren Walzer „Quando m'en vo“ sang sie überaus charmant mit leuchtender Sopranstimme und perfekten Spitzentönen.

THEATER LÜBECK - LA BOHÈME hier das Ensemble bei Schlussapplaus @ Wolfgang Radtke

Auch die weiteren Partien waren exzellent besetzt: Changjun Lee als Colline beeindruckte mit bassiger Klangfülle und gestaltete seine Mantel-Arie nobel und voller Wärme.

Jacob Scharfman präsentierte seinen prächtigen Kavaliersbariton als komödiantisch sich gebender Schaunard, während Steffen Kubach elegant und gekonnt sowohl die Partie des Hausherrn Benoit als auch die des Musette-Liebhabers Alcindor in Personalunion ausfüllte.

Mark McConnell als Parpignol, Chul-Soo Kim als Sergeant, und Yong-Ho Choi als Zöllner ergänzten das ausgezeichnete Ensemble.

Der von Jan-Michael Krüger wie immer großartig einstudierte Chor erfüllte seine darstellerischen und choreographischen Aufgaben im zweiten Akt perfekt, gleiches gilt für den von Gudrun Schröder einstudierten Kinder und Jugend-Chor Vocalino.

Einhellige Zustimmung des begeisterten Publikums und nicht enden wollenden Applaus gab es am Ende fürs Regieteam und für alle an dieser Produktion Beteiligten, ganz besonders jedoch für das tragische Liebespaar.

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Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO

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17. 11.  Premiere   Als zweite Premiere der Spielzeit 2024-25 stand an der Hamburgischen Staatsoper Carl Maria von Webers „Freischütz“ auf dem Programm, diese romantische deutsche Oper, welche Natürliches mit Übernatürlichem verbindet und welche so einige Opern-Hits aus dem Wunschkonzert beinhaltet. Die Erwartungen waren hoch, doch nach der sensationellen Saison-Eröffnungspremiere „Trionfi“

By Wolfgang Schmitt