Lübeck, Theater Lübeck, ELEKTRA - Richard Strauss, IOCO Kritik,

Elektra, diese griechische Tragödie von Sophokles, von Richard Strauss komponiert nach Hugo von Hoffmannsthals 1903 verfasstem Drama, ist ein schauriger Psychothriller und berichtet von der Tragik der gequälten Seele der Hauptakteurin, deren Lebensziel es ist, den Mord am Vater Agamemnon zu rächen.

Lübeck, Theater Lübeck, ELEKTRA  - Richard Strauss, IOCO Kritik,
THEATER LÜBECK @ Olaf Malzahn

EIN  PSYCHODRAMA  VON BRIGITTE  FASSBAENDER

von Wolfgang Schmitt

Man durfte gespannt sein auf die Elektra-Neuinszenierung am 27.1.2024 am Theater Lübeck, den keine Geringere als die berühmte Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender konnte für die Regie gewonnen werden, hatte sie doch in den letzten Jahren ihrer langen Gesangskarriere selbst die Klytämnestra an verschiedenen Bühnen gesungen – zu Beginn ihrer Laufbahn übrigens auch die 1. Magd an der Münchner Staatsoper. Seit den 90er Jahren hat sie sich auf Regiearbeiten konzentriert und war lange Jahre Intendantin am Tiroler Landestheater Innsbruck.

Enttäuscht von dieser Premiere am 27. Januar 2024 wurde man keineswegs, und so schloß der frenetische Jubel für die Solisten und das Orchester am Ende auch die Regisseurin und ihre Bühnen- und Kostümbildnerin Bettina Munzer mit ein.

ELEKTRA hier Trine Möller als Elektra, Edna Prochnik als Klytämnestra - Copyright Jochen Quast

Elektra, diese griechische Tragödie von Sophokles, von Richard Strauss komponiert nach Hugo von Hoffmannsthals 1903 verfasstem Drama, ist ein schauriger Psychothriller und berichtet von der Tragik der gequälten Seele der Hauptakteurin, deren Lebensziel es ist, gemeinsam mit ihrem Bruder den Mord am Vater Agamemnon, begangen von der Mutter und ihrem Liebhaber, zu rächen.

In der aus Dänemark stammenden Sopranistin Trine Möller - die ihr perfektes Rollendebüt in dieser Partie gab - hatte die Regisseurin eine Elektra, die über eine große darstellerische Ausdruckspalette verfügt und, die Aktentasche mit den Habseligkeiten ihres Vaters Agamemnon stets mit sich führend, ihre Verzweiflung, ihre Besessenheit und die Sehnsucht nach Rache glaubhaft umsetzen konnte. Mit ihren langen grauen Haaren und mehreren übereinander getragenen blauen und grauen Kleidern wirkte sie recht verwahrlost. Ihr oftmals verwirrter Blick glitt über die Szenerie, und ihr makelloser, in allen Lagen ausgeglichen klingender dramatischer Sopran wirkte bombensicher und völlig unangestrengt.

Ebenfalls ein gelungenes Rollendebüt gab Lena Kutzner als ihre Schwester Chrysothemis. Gewandet in einem dunklen mit Spitzen besetzen Kleid und sich nach einem ganz normalen Frauenleben sehnend, gefiel sie mit emotionalem, anrührendem Spiel und ihrem leuchtendem Sopran, wunderbar phrasiert und mit glanzvoller Höhe. Edna Prochnik als Klytämnestra in dunklem Wollmantel und mit Halsketten geschmückt sah optisch jünger aus als ihre Tochter Elektra. Stets begleitet von ihrer Vertrauten (Natalia Willot) und der Schleppenträgerin (Elvire Beekhuizen) konnte sie darstellerisch ihre Ängste vor dem Leben und vor ihrem zu erwartenden Schicksal durchaus glaubhaft machen, und auch stimmlich gelangen ihr besonders im Monolog intensive Momente.

Das schlicht gehaltene Bühnenbild, bestehend aus angedeuteten Festungsmauern und einem sich über die Bühne erstreckenden Laubengang, durch welchen sich das Personal ständig hin und her bewegt und in dem schließlich Aegisth zu Tode kommt, gewann durch die effektvolle Lichtgestaltung von  Falk Hampel.

Als Aegisth in weinrotem Anzug präsentierte Wolfgang Schwaninger seinen kräftigen Charaktertenor. Er wurde hier von Orest und dessen Pfleger (Laurence Kalaidjian) in den Würgegriff genommen, während Elektra, das Beil in der Hand, zum Todeshieb ausholte.

ELEKTRA hier vl Wolfgang Schwaninger/Aegisth, Runi rattaberg/Orest, Edna Prochnik/Klytämnestra, Trine Möller/Elektra, Lena Kutzner/Chrysothemis beim Schlußapplaus - Copyright Wolfgang Radtke

Runi Brattaberg, in schwarz-beigefarbener Kombination gekleidet, stellte einen intensiv spielenden Orest dar und konnte auch stimmlich dieser Partie vollauf gerecht werden.

Von den fünf Mägden Therese Fauser, Laila Salome Fischer, Friederike Schulten, Natalia Willot, konnte besonders Andrea Stadel als Fünfte Magd und als die Einzige, die zu Elektra hält, mit ihrem klangvollen Sopran auf sich aufmerksam machen.

Elizaveta Rumiantseva als Aufseherin, Changjun Lee als alter Diener mit seinem klangvollen Bass, und Noah Schaul als junger Diener mit schönem lyrischen Tenor ergänzten das ausgezeichnete Ensemble.

Was die Personenregie angeht, so setzte Brigitte Fassbaender eher auf sparsame, nicht allzu übertriebene Bewegungen und Gestiken. Am Ende jedoch, da gab es einen ekstatischen  Freudentanz, hier allerdings ausgeführt von sämtlichen Mägden und den Dienern, während Elektra vorn am Bühnenrand kniet, nicht stirbt, sondern die Fäuste in die Luft streckt, dort wirkungsvoll wie ein Racheengel verharrt und offenbar den Namen ihres Vaters flüstert. Dann schließt sich hinter ihr der Vorhang und sie konnte so die unmittelbar einsetzenden Ovationen des begeisterten Premierenpublikums für ihre grandiose Leistung entgegen nehmen.

Eingeleitet wurde dieser Abend mit der anklagenden Stimme Agamemnons (Andreas Hutzel) aus dem Off, der aus dem 11. Gesang der „Odyssee“ von Homer seine Ermordung durch Aegisth und Klytämnestra rezitiert, bevor das Orchester wuchtig einsetzte.

Lübecks GMD Stefan Vladar führte sein wieder einmal bestens disponiertes Philharmonisches Orchester mit effektvollen Akzenten durch die geballten Sektionen dieser gewaltigen, komplexen  Partitur. Glutvolle, dissonant aufwühlende Klänge wechselten sich ab mit manchmal durchaus zärtlich und sinnlich anmutenden Passagen. Stets spannungsreich gehaltene Tempi gipfelten schließlich in dem euphorischen Freudentanz beim Finale. Entsprechend groß war die Begeisterung und der lang anhaltende Applaus für sämtliche Mitwirkenden.