Leipzig, Oper Leipzig, LOHENGRIN - Richard Wagner, IOCO Kritik, 28.03.2022
LOHENGRIN - Richard Wagner
- Oper Leipzig komplettiert Wagner-Repertoire - Patrick Bialdyga ersetzt geplante Katharina Wagner Produktion -
von Thomas Thielemann
Die Lohengrin-Inszenierung von Patrick Bialdyga, deren Premiere wir am 26. März 2022 besuchten, ist der Abschluß der Oper Leipzig für ihr Wagner-Repertoire - alle dreizehn abgeschlossenen Bühnenwerke des in Leipzig geborenen Dramatikers und Komponisten.
Ursprünglich wollte die Urenkelin des Komponisten Katharina Wagner, als ihren zweiten Anlauf im Leipziger Haus, die Lohengrin bereits im November 2020 auf die Bühne bringen. Ihre schwere Erkrankung und die Corona-Pandemie führten zu einer Verschiebung des Vorhabens in das Frühjahr 2022.
Mangelnde Kommunikation, Missverständnisse, was immer auch, hatte zur Folge, dass Frau Wagner sich ausschließlich auf eine Parallel-Inszenierung in Barcelona konzentrieren möchte und die Arbeit an der Oper Leipzig beendete.
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Das Vorhaben der Oper Leipzig, mit dem Projekt „Wagner 22“ - einem dreiwöchentlichen Festival - alle dreizehn Werke Richard Wagners als Eigenproduktion aufzuführen, machte aber eine Neuinszenierung unabdingbar.
Am 7. Februar 2022 begannn Patrick Bialdyga mit dem Bühnenausstatter Norman Heinrich, dem Kostümbildner Roy Böser, dem Chorleiter Thomas Eitler-de Lint und den Gesangssolisten mit der Inszenierungsarbeit, um innerhalb von sieben Wochen mit „heißer Nadel“ die vorgestellte Wagner-Interpretation zu stricken.
Regietheater im Opernhaus ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. Aber was Bialdyga mit dem zweiten Akt des Lohengrins auf die Bühne brachte, wie er das Wagnersche Anliegen dieser Schlüsselszenen zum Kammerspiel regelrecht eindampfte, grenzt für mich an Vollkommenheit. Auf der ansonsten kahlen Spielfläche symbolisierten unterschiedliche Anordnungen von drei wuchtigen Tischen und fünf Stühlen die Handlungsfäden, die sonst Statisten und Chor bewerkstelligen mussten, so dass der Chor auf die Hinterbühne verbannt werden konnte.
Das Schachspiel des Telramund aus dem ersten Akt, wo bereits der Nichtsehende die Logik der Figurenbewegungen nicht beherrschte, wurde von Ortrud durch esoterisches Kartenlegen ersetzt. Auch als Lohengrin vergeblich versuchte, das Schachspiel wieder „ins Spiel“ zubringen, waren das Verfremdungsaspekte, die Handlungen zügig voranbrachten. Schlüssig auch, wenn Elsa und Ortrud um den in der Glaskugel eingeschlossenen Schwan, siehe Foto, streiten; dazu brauchte man kein Textbuch.
Eine Besonderheit der Inszenierung und voller Symbolkraft war das erotische Verhältnis des Herrufers mit Ortrud: mal spielte es sich in Gegenwart des blinden Telramund ab und mal vergewaltigte Ortrud den verdutzten Beamten. Letztlich verhindert er aber Ortruds Suizid.
Die Brautgemachs-Szene gestaltete die Regie fast klassisch, auch wenn das Brautbett aus den drei Tischplatten und symbolischen Schwanenfedern recht spartanisch gebildet war.
Elsas Trauer um den erschlagenen Telramund erinnerte, dass doch vor Ortruds Intrige des ersten Aktes eine intensivere Beziehung zwischen Elsa und Telramund existiert haben musste, war da aber nicht schlüssig thematisiert gewesen. Offenbar hatte sich Bialdyga etwas in der, durchaus Wagner-adäquaten Idee, Telramund als den Nichtsehen-Könnenden und den das Figurenspiel Nichtbeherrschenden darzubieten, doch etwas verrannt. Deshalb kam es im ersten Akt zu wenig schlüssigen, absurden Abläufen, die den hervorragenden Eindruck seiner Arbeit schmälerten. Dass die Oper tragisch enden muss, hat bereits Wagner hinein komponiert, indem er Elsa und Lohengrin mit unvereinbaren Tonarten aufeinander prallen lässt.
Bialdyga Anliegen, das persönlichen Ringen der Protagonisten um Vertrauen, Zuneigung und Macht, um die Geschichte sehr einsamer Menschen, darzustellen, ist ihm gelungen.
Als Richard Wagner im Sommer 1846 im „Schäferschen Gut“ zu Graupa seine romantische Oper Lohengrin konzipierte, wollte er zunächst einen ziemlich ausgedehnten Schlussakt gestalten. Die Gralserzählung hatte einen zweiten Teil, in dem Lohengrin eindrucksvoll die Meerfahrt des Schwans mit dem Schifflein schildert. Zudem plante Wagner in der ersten Lohengrin-Kompositionsskizze auch ein zartes „Lied des Schwanes“, bevor dieser in den herzoglichen Sohn Gottfried zurück verwandelt werde:
Leb wohl, du wilde Wasserflut,
Die mich so weit getragen!
Leb wohl, du Welle blank und rein,
Durch die mein weiß´ Gefieder glitt!
Am Ufer harrt mein Schwesterlein,
Das soll von mir getröstet sein.
Wagner habe „wegen der Notwendigkeit dramatischer Haushaltung“ auf dieses Schwanenlied verzichtet und den zweiten Teil der Gralserzählung vor der Weimarer Uraufführung 1850 ebenfalls gestrichen, um die Tenöre nicht über Gebühr zu belasten.
Von Bialdyga wurde die Rückwandelung des Erben von Brabant prosaischer vollzogen. Das aufgebotene Ensemble der Singenden und Spielenden war hervorragend:
Den Lohengrin von Klaus Florian Vogt sollte man nicht mehr mit normalen Maßstäben messen. Seine Stimme hatte eine absolut sichere Führung, verfügte über alle Ausdrucksmöglichkeiten und verliert auch im dramatischen Bereich nichts von ihrer Klangschönheit. Seine Gralserzählung überzeugte mit lyrischen und dramatischen Aspekten. Die betörende Schönheit seiner „Taube“ können wenige Tenöre in dieser Liga bieten.
Gabriela Scherer sang Elsa mit ausdrucksstarkem, variantenreichem, dynamischen Sopran, den sie fast beliebig lyrisch-zart als auch dynamisch einsetzen konnte. Nichts wirkte angestrengt, wenn sie die Elsa als unschuldige, romantische, liebenssehnsüchtige darstellerisch und sängerisch exzellent bietet.
Als Ortrud überraschte uns eine starke Kathrin Göring. Verschlagen und diabolisch bot sie eine Machtpolitikerin und Manipulatorin mit kräftigem energiegeladenem Gesang, der durchaus auch maliziös über den Bühnenrand kommen konnte. Als Königsmacherin ging sie ohne Skrupel regelrecht über Leichen, um sich selbst an die Spitze Brabants setzen zu können.
Sehr stark und glaubwürdig als Friedrich von Telramund agierte auch Simon Neal. Er demonstrierte überzeugend, zutiefst im Recht zu sein, ohne zu wissen, dass er nur eine Marionette war. Einen respektablen König Heinrich der Vogler gestaltete Günther Groissböck mit seinem kraftvoll-geschmeidigen Prachtbass. Der Heerrufer von Mathias Hausmann überzeugte mit der klaren und kräftigen Stimmführung seines wohlklingenden Baritons, wobei er auch darstellerisch einige Petitessen meistern musste.
Der Chor der Oper Leipzig bestach mit seiner Präzision, Geschlossenheit insbesondere in den leisen Passagen und den vielstimmigen Chorsätzen.
Das Gewandhausorchester mit dem Dirigat Christoph Gedscholds lieferte den Orchesterpart mit dem derzeitigen Niveau des Klangkörpers ab. Die Bläser sind erstklassisch, aber es fehlt der Kapelle derzeitig der weiche Streicherteppich und auch etwas die Präzision, so dass das „Lohengrin-Vorspiel“ die Vorstellung unwürdig einleitete.
Aber da sind wir doch etwas mäkelig auf hohem Anspruch: denn die Sängerbegleitung schien doch recht sängerdienlich und Gedschold konnte auch einige Glanzlichter setzen.
Große Begeisterung der Besucher, die die Premieren-üblichen Buhrufe erstickten, über diese würdige Repertoire-Komplettierung
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