La Traviata - Brandenburg an der Havel
von Michael Stange
Gesanglich herausragende und eindringlich inszenierte Traviata - 19.10.2024
Verdis Oper La Traviata entführt auf den ersten Blick in das Paris des neunzehnten Jahrhunderts. Violetta Valéry ist eine gefeierte Schönheit, die sich von reichen Liebhabern aushalten lässt. Innerlich zerrüttet, an Tuberkulose erkrankt, führt sie ein morbides Leben.
Sie verliebt sich in den jungen Alfredo Germont, der aus einer wohlhabenden, angesehenen Familie stammt. Ihre Beziehung wird jedoch durch gesellschaftliche Normen und die Forderungen von Alfredos Vater zerrüttet, der Violetta bittet, die Beziehung zu beenden, um den Ruf der Familie zu wahren.
Die Stationen von Glamour, Drama, Liebe, Einsamkeit und Sterben präsentiert Verdi in einem intensiven Reigen von Bildern und Melodien.
Kritisiert wird in der Oper auch eine Gesellschaft, die in Kasten denkt, Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihres Berufes verachtet, herabwürdigt und ständig wie unter einem Brennglas beobachtet. Aufgegriffen wurde dieses Thema auch im Hollywood-Klassiker „Pretty Woman“, in dem sich der reiche Geschäftsmann Edward in das Callgirl Vivian verliebt. Violetta und Vivian sind Außenseiterinnen der Gesellschaft und werden von allen begafft und verurteilt.
Die aufflammende optimistische Botschaft der Liebe zwischen den beiden ungleichen Protagonisten ist bei Verdi nur von kurzer Dauer. Violetta kämpft nicht bis zur Verzweiflung um ihre Liebe. Sie gibt Alfredos Vater nach und verlässt Alfredo auf sein Bitten. Als Vater und Sohn an ihrem Krankenbett stehen, um sie in die Familie aufzunehmen, stirbt sie.
Auch diese Unterordnung unter die Normen der Gesellschaft ist neben ihrer Krankheit ihre Tragödie. Der Bruch gesellschaftlicher Schranken, die unmögliche Liebe zwischen Personen aus verschiedenen sozialen Klassen und die Unmöglichkeit des Ausbruchs aus der jeweiligen Lebenslage finden in La Traviata ihren Niederschlag.
Diese Aspekte greift der Regisseur und Intendant Alexander Busche in seiner Inszenierung auf.
Busche hat als Bühnenbild lediglich einen dunklen Raum mit einem schwarzen Podest gewählt. Im Hintergrund der Bühne sind Sitzreihenangeordnet, von denen aus Violetta, die ständig auf dem Podest bleibt, von den Zuschauern ständig beobachtet wird.
In Leuchtschrift prangen über allem die Worte Liebe, Hoffnung und Zerstörung. So werden wesentliche Aspekte der Oper und die Enge und Schemata, in denen sich alle bewegen, veranschaulicht.
Violetta Traviata ist gefangen auf ihrem Podest, auf dem sie alle wie Voyeure in einer Peepshow anstarren. Nicht sie entscheidet, wen sie sehen will, sondern alle besuchen sie, wie ein Tier in einem Zoo. Schicksalsergeben nimmt sie dies hin. Als sie am Ende des zweiten Aktes ihr Gefängnis verlassen will, entfernt Vater Germont die Treppe, von der sie herabsteigen kann.
So bleibt sie weiter in ihrem Schicksal gefangen. Busche sorgt für neben lyrisch intimen Szenen in den Dialogen, für rauschende aber auch bedrückende Bilder. Die Personenführung ist packend bewegt und macht das Drama mit immenser Intensität erlebbar.
Natallia Baldus gab eine fragil ausdifferenzierte Violetta Valéry, die über genug Reserven für dramatische Ausbrüche verfügt. Ihre Stimme verfügt über eine große Farbpalette, mit der sie Liebe, Verzweiflung und Todesangst eindringlich, poetisch und anrührend auf die Bühne bringt. Schon in Brindisi paart sie Lebensfreude und Ersterben durch teilweise melodramatische Tonlagen. Sie riss das Publikum durch ihr großes Gesangtalent und ihre eindringliche Darstellung.
Sotiris Charalampous war ein viriler, klangmächtiger Alfredo Germont. Verzehrend leidenschaftlich und mit vollendeter Poesie lotete er in jeder Phase der Rolle mit seinem ungemein klangschönen und warmtimbrierten Tenor aus. Die Cabaletta gestaltete er mit verzehrender Leidenschaft und leuchtender Höhe. Der Ausbruch auf dem Ball, als er Violetta das Geld hinwirft, war gesanglich meisterhaft. Er verbindet prächtigen Gesang mit glutvoller Gestaltung.
Frederik Baldus als Giorgio Germont überzeugte mit einem runden, vollklingenden, höhensicheren Bariton.
Rosamond Thomas als Flora Bervoix und Lana Hartmann als Annina rundeten das Ensemble mit ihren wohlklingenden Sopranen ab.
Den Brandenburger Symphonikern unter der Leitung von Andreas Spering gelang ein weit aufgefächter Orchesterklang und ein differenziertes dramatisches Spiel, das die Partitur gut auslotete und Verdi packend strömen ließ.
Der Extra-Chor Brandenburg unter der Leitung von Karsten Drewing meisterte seine schwierigen Passagen mit großer Verve und Differenziertheit.
Ein immenses Ereignis, das weit über das Erwartbare hinausging. Die beeindruckende Aufführung, riß das Publikum zu großem Jubel hin.