Köln, Friedenskirche - Köln Ehrenfeld, ZAMUS - Fest für Alte Musik, IOCO Kritik, 03.04.2018
Heinrich Schütz - Musikalische Exequien und Motetten
“Eile mich, Gott, zu erretten”
Von Karin Hasenstein
Inmitten der an Konzerten so reichen vorösterlichen Passionszeit faszinierte besonders die Konzertreihe des ZAMUS - Zentrum für ALTE MUSIK Köln, mit den Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz in ihrer Mitte. Das in der Friedenskirche in Köln-Elberfeld auftretende ZAMUS-Vocal-Consort, mit einem überregional anerkannten Gesangs-Ensemble, die mit gesungenem Wort so sensibel umgehende Starsopranistin Emma Kirkby, seit vielen Jahre international anerkannte große Dame der Alten Musik, an der Spitze, machte den Besuch der Exequien mit Heinrich Schütz für die Rezensentin zu einem unbedingten Muß.
Motetten und die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz standen auf im Mittelpunkt, nicht die zu dieser Zeit gewohnten großen Passionen von J.S. Bach oder G.F. Händel, nein.
Die Musikalischen Exequien SWV 279-281 (op. 7) sind ein geistliches musikalisches Werk für Singstimmen und Basso continuo von Heinrich Schütz. Das Werk entstand als eine erweiterte Evangelienmotette im Rahmen der lutherischen Trauermesse (Teile I und II) und als Musik zur Beisetzung (Teil III) von Heinrich Posthumus Reuß im Februar 1636. Das damals geläufige lateinische Wort ex(s)equiae bedeutet “Leichenbegängnis”. Es stellt jedoch keinen Traditionszusammenhang mit der ebenfalls oft Exequien genannten katholischen Begräbnisliturgie her.
Schütz komponierte seine Exequien 1635/36 anlässlich des Todes seines Landesherrn Heinrich Posthumus Reuß. Sie erklangen erstmalig bei Reuß’ Trauergottesdienst und Beisetzung in Gera. Der Fürst selbst hatte noch zu Lebzeiten eine Sammlung von Bibelversen und Liedtexten zusammengestellt, mit welchen sein Sarg beschriftet werden sollte. Diese Texte übergab Heinrichs Witwe nach dessen Tod an Schütz, der sie zur Grundlage des ersten Teils der Exequien machte. Mit dem zweiten Text “Herr, wenn ich nur dich habe” (Psalm 73, 25-26) schloss Schütz als zweiten Teil der Exequien die Vertonung dieses Textes als Motette an. Als abschließende fünfstimmige Motette erklang der Lobgesang des Simeon “Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren”.
Den ersten Teil der Exequien bestreiten sechs Soli (2 Soprane, Alt, 2 Tenöre, Bass) und Orgel. In den als Capella bezeichneten Sätzen können weitere Ripieno-Sänger je Stimme hinzukommen. Der zweite Teil besteht aus zwei jeweils mit Sopran, Alt, Tenor und Bass besetzten Teilensembles. In der letzten Motette kontrastiert der als Capella bezeichnete fünfstimmige Hauptchor mit drei Solostimmen (2 Soprane und Bariton als Seraphim mit der Beata Anima, als Fernchor zu positionieren).
Den Exequien vorangestellt hat der musikalische Leiter Joachim Diessner zwölf Motetten von Heinrich Schütz, Samuel Scheidt, Johann Rudolph Ahle und Johann Eccard. Sie alle einzeln zu beschreiben würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Allen gemein ist jedoch, dass sie vom ZAMUS Vocal-Consort mit differenzierter Dynamik und sauberer Intonation sensibel gestaltet wurden. Das Ensemble zeichnete sich durch hohe Textverständlichkeit und präzise Wegnahmen aus. Bei den Doppelchören waren die Frage- und Antwortpartien durch Soli und Chor eindringlich gestaltet. Auch hier fielen die gute Textverständlichkeit und präzise Befolgung der dynamischen und agogischen Vorgaben des Dirigenten auf. An den Tutti-Stellen fügten sich die Solisten harmonisch in das Vokal-Ensemble ein, stets sensibel begleitet von den hervorragenden Instrumentalisten auf historischen Instrumenten. Besonders erwähnt werden sollen hier stellvertretend Sophie Vanden Ende (Laute) und Felix Görg (Bassgambe), die zusammen mit Tatjana Vorobjova an der Orgel einen zuverlässigen Basso continuo-Teppich unter die filigranen Kompositionen legten.
Diese Art der Alten Musik zeichnet sich nicht durch große musikalische Höhepunkte aus, sie besticht vielmehr durch den stetigen Fluss, der eine große Ruhe ausstrahlt und den Zuhörer im Idealfall selbst ganz ruhig werden lässt.
Die Chorstimmen der Exequien waren stets ausgewogen, die Texte gut verständlich. Diessner leitete Chor und Solisten souverän und formte die einzelnen Teile dynamisch gut differenziert. Mit großem Engagement und bisweilen großen Gesten führte Diessner Sänger und Instrumentalisten immer wieder konzentriert auf das Wesentliche dieser Musik. So strahlt gerade der II. Teil große Zuversicht aus (“Wenn mir gleich Leib und Seele verschmacht, so bist du doch, Gott, allzeit meines Herzens Trost und mein Teil.”)
Viele Besucher waren auch wegen Emma Kirkby zu diesen Exequien gekommen, der Ikone der Alten Musik und großer Interpretin dieses Genres. Kirkby schaffte es, die Zuhörer mit großer Zartheit und Expression in ihren Bann zu ziehen, vor allem als Solistin in der Schütz-Motette “Eile mich, Gott, zu erretten” für Sopran und b.c. aus den Kleinen geistlichen Konzerten. Emma Kirkby gestaltete den Text eindringlich, beinahe flehentlich und zutiefst ergreifend.
Die Zuhörer in der ausverkauften Friedenskirche in Köln Ehrenfeld honorierten das Konzert mit lang anhaltendem begeisterten Beifall und wurden dafür mit der Wiederholung der Schütz Motette “Verleih uns Frieden gnädiglich” als Zugabe belohnt.
Die Ausführenden - Musikalische Exequien und Motetten
- Musikalische Leitung: Joachim Diessner
- ZAMUS-Vocal-Consort mit:
- Gesang: Sopran: Emma Kirkby, Bethany Seymour, Santa Bulatova; Alt: Elisabeth Popien, Melissa Hegney; Tenor: Fabian Strotmann, Scott Wellstead; Bass Alexander Schmidt, Martin Wistinghausen.
- Instrumentalisten: Sophie Vanden Eynde - Laute; Tatjana Vorobjova - Orgel, Felix Görg - Bassgambe, Jenny Heilig, Paul Rhee, Zink; Christoph Hamborg, Regina Oelfe, Raphael Vang, Johannes Weber - Posaune
---| IOCO Kritik Friedenskirche Köln |---