KATERYNA KASPER - ukrainische Sopranistin - im Interview, IOCO
ASCANIO IN ALBA - Oper Frankfurt: Adelina Yefimenko, IOCO-Korrespondentin, spricht mit der Sopranistin Kateryna Kasper über die seltene aufgeführte Oper Ascanio in Alba von W.A. Mozart und ihre Partie darin; Oper Frankfurt - Spielort Bockenheimer Depot.
Adelina Yefimenko, IOCO-Korrespondentin, spricht mit der Sopranistin Kateryna Kasper über die selten aufgeführte Oper Ascanio in Alba von W.A. Mozart und ihre Partie darin; Oper Frankfurt - Spielort Bockenheimer Depot.
Kateryna Kasper: ukrainische Venus auf der Opernbühne
"Stilistische Vielseitigkeit und Authentizität der Darbietung - diese beiden Begriffe kennzeichnen die Arbeit der ukrainisch-deutschen Sopranistin", heißt es auf der Website von Kateryna Kasper, die seit 12 Jahren erfolgreich im Frankfurter Opernensemble arbeitet.
Aber auch ihre Auftritte auf den Bühnen vieler Opernhäuser und Festivals, unter anderem in Edinburgh, Bregenz, Bergen, St. Margarethen (Österreich), Rheingau, Los Angeles und Montreal, werden bewundert und bleiben als seltene Momente des Staunens über ihren luxuriösen, flexiblen, virtuosen Gesang in Erinnerung. Kateryna Kasper studierte an der Prokofjew-Musikakademie in Donezk bei Raisa Kolesnyk, setzte ihr Studium bei Edith Wiens in Nürnberg fort und vervollständigte es bei Hedwig Fassbender in Frankfurt, während sie im Opernstudio der Oper Frankfurt arbeitete (2012-2014). Ihr Debüt an der Oper Frankfurt gab Kateryna 2011 in der Rolle des Waldvogels in Wagners Siegfried. Im Jahr 2014 gewann sie den Internationalen Mirjam-Helin-Gesangswettbewerb in Helsinki. Seitdem geht es für die ukrainische Sängerin steil bergauf.
Ihre Debüts an der Berliner Staatsoper Unter den Linden als Kaiserin Arianna in Vivaldis Oper Il Giustino, eine Europatournee mit dem B'Rock Orchestra unter der Leitung von René Jacobs als Orasia in Telemanns Orfeo sowie Auftritte im Liceu Opera Barcelona und im Concertgebouw Amsterdam waren sensationelle Erfolge und wurden von der Presse begeistert aufgenommen.
Kateryna Kaspers kreatives und persönliches Leben ist eng mit der Oper Frankfurt verbunden, die wiederholt zum besten Opernhaus des Jahres gekürt wurde.
Eine Tournee durch Europa und Südkorea mit Bachs Matthäuspassion in Begleitung des Freiburger Barockorchesters unter der Leitung von Francesco Corti gehört ebenfalls zu den wichtigen Engagements der Sängerin. Auch Werke der westeuropäischen Romantiker und Spätromantiker zählen zum Repertoire der Sängerin, darunter Frasquita und Michaela in Bizets „Carmen“, Martha in Flotows „Martha“, Nannetta in „Falstaff“, Najade in „Ariadne auf Naxos“ und Sophie in Strauss' „Der Rosenkavalier“, Gretel in Humperdincks „Hänsel und Gretel“. Rollen des 20. und 21. Jahrhunderts sind durch Titania in Brittens „Sommernachtstraum” und die Junge Frau im Musiktheater „Der goldene Drache” von Péter Eötvös vertreten.
Der Komponist hat diese Rolle in Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern speziell für Kateryna geschaffen. Die brillante Spezialisierung der Sängerin entfaltet sich wirkungsvoll in barocken und klassizistischen Opern.
Die meisten Rollen im Repertoire der Oper Frankfurt zeugen von der großen Erfahrung der Sängerin im Barockrepertoire (verschiedene Rollen in Opern von Händel, Cesti, Cavalieri, Vivaldi). An der Los Angeles Opera sang sie die Rolle der Belinda in Purcells Oper Dido und Aeneas. Es ist kein Zufall, dass die ukrainische Sängerin als eine der bekanntesten Interpretinnen von Händels Opern nach Montreal eingeladen wurde, um die Rolle des Acis in Händels Aci, Galatea e Polifemo mit dem Arion Baroque Orchestra unter der Leitung von Francesco Corti zu singen, sowie nach Basel und Wien mit dem Kammerorchester Basel unter der Leitung von René Jacobs. Seit 2018 ist Kateryna Kasper regelmäßig in Hauptrollen in Händels Opern zu hören: Angelica (Orlando), Romilda (Xerxes), Agilea (Teseo), Bellezza im Oratorium Il Trionfo del Tempo e del Disinganno (Der Triumph der Zeit und die Enttäuschung) am Nationaltheater Mannheim.
Kateryna Kasper war in den Programmen der Pariser, Kölner und Elbphilharmonie sowie im Théâtre des Champs-Elysées in Paris und in der Royal Festival Hall in London zu hören. Darüber hinaus trat sie mit den Philharmonischen Orchestern London und Turku, dem Orquestra Gulbenkian Lissabon sowie dem Orquestra Sinfónica do Porto auf.
Im Jahr 2018 veröffentlichte sie ihr Debütalbum "O wüßt ich doch den Weg zurück... " mit romantischen Liedern über Kinderspiele und Märchenwelten.
Und im Jahr 2022 erschienen neue Aufnahmen von Weinbergs Werken mit dem Trio Vivente, Webers Freischütz (Ännchen) mit dem Freiburger Barockorchester unter der Leitung von René Jacobs, und das deutsche Liederalbum "Ein süßes Deingedenken" mit Liedern von Fanny und Felix Mendelssohn, mit dem sie für den Opus Klassik 2023 in den Kategorien "Sängerin des Jahres" und "Beste Kammermusikeinspielung" nominiert wurde.
IOCO-Korrespondentin Adelina Yefimenko genoss die Erfahrung, Kateryna Kasper mehrmals in den Rollen der Angelica in Orlando Furioso und des Tigran in Händels Radamisto zu hören.
Die Mozart-Rollen gehören zu den individuellen Höhepunkten in Katerynas Opernkarriere. Nach Pamina in der Zauberflöte, Susanna in Le Nozze di Figaro und Zerlina in Don Giovanni singt die ukrainische Sängerin die Titelrolle der Venus in einer wenig bekannten Oper des 15-jährigen Mozart, Ascanio in Alba auf der Bühne der Oper Frankfurt.
INTERVIEW - Adelina Yefimenko, IOCO, mit der ukrainischen Sopranistin Kateryna Kasper
Adelina Yefimenko: Was hat Sie nach Ihrer Erfahrung als Sängerin des reifen Mozart zuerst zu dieser von der Oper Frankfurt neu entdeckten Rarität hingezogen? Fiel Ihnen die Rolle der Venus in Mozarts jugendlicher Oper emotional und technisch leichter als jene in seinen reifen Werken?
Kateryna Kasper: Eine neue Oper von Mozart zu entdecken, ist an sich schon sehr interessant. Was den Schwierigkeitsgrad der Musik Mozarts betrifft, kann ich folgendes sagen. Es gibt das Klischee, dass das Singen von Mozart sehr "gesund" ist, dass es die Grundlage der musikalischen und stimmlichen Ausbildung eines Sängers oder einer Sängerin ist, das Fundament, auf dem man baut. Je mehr ich Mozart singe, desto mehr denke ich, dass ich diese Aussage vielleicht immer falsch interpretiert habe. Ich dachte: wenn Mozart das A und O ist, dann ist es etwas sehr Grundlegendes, etwas Kleines, Anfängliches, etwas, das man beherrschen muss, bevor man mit den «großen Dingen» weitermachen kann. Inzwischen gebe ich zu, dass es wirklich nicht einfach ist, Mozarts Musik zu singen. Sie ist sozusagen nichts für Anfänger. Aber natürlich ist es richtig, schon früh im Studium mit seiner Musik in Berührung zu kommen. Man entwickelt sich, man wächst in seinen Fähigkeiten mit Mozart. Seine Musik ist wirklich sehr anspruchsvoll, sei es in den «einfachen», filigranen, zerbrechlichen Melodien oder in den virtuosen Kolloraturfeuerwerken. So war die Partie der Venere für mich weder leichter noch schwieriger als die anderen Partien, die ich bisher gesungen habe. Sie alle stellen auf ihre Art und Weise hohe Anforderungen an eine Sängerin. Und generell gilt: wenn man hohe Ansprüche an die Aufführung von Musik hat, dann ist es nie eine leichte Aufgabe.
Adelina Yefimenko: Wie Sie wissen, ist Ascanio in Alba ein typisches Werk "auf Bestellung". Die "Festa teatrale" ist einem historischen Ereignis gewidmet - der Hochzeit von Erzherzog Ferdinand von Österreich und der Erbin der vier Herzogtümer, Maria Beatrice d'Este, Tochter des Herzogs von Modena. Die Hochzeitsfeierlichkeiten und die Uraufführung zweier Opern (des 15-jährigen Mozart und des 72-jährigen Johann Adolf Hasse) fanden 1771 in Mailand statt. Die "Festa teatrale" des jungen Mozart war ein sensationeller Erfolg und stellte die Oper Ruggiero des altehrwürdigen Meisters in den Schatten. Trotz des Erfolges scheiterte der Versuch des jungen Mozart, Hofkomponist zu werden. Die Schuld, das junge Genie unterschätzt zu haben, trug jedoch nicht der Erzherzog. Diese Entscheidung wurde, wie alle anderen auch, von seiner autoritären Mutter getroffen. Ihre Rolle als Venus ist weniger ein Abbild der römischen Göttin der Schönheit und Liebe als vielmehr ein Abbild der Persönlichkeit Maria Theresias. Gab es dadurch schauspielerische Schwierigkeiten, ein so ambivalentes Bild der Venuskaiserin zu verkörpern?
Kateryna Kasper: Genau, die Rolle der Venus ist sozusagen ein Kompliment Мozarts an Maria Theresia. Die Göttin Venus steht allegorisch für die herrschende Kaiserin Maria Theresia. Dieser Auftrag war ihm sehr wichtig, er arbeitete fleißig und mit Begeisterung an diesem Stück, obwohl die Bedingungen und Umstände nicht die besten waren. In nur zwölf Tagen entstand das Festspiel in zwei Akten. Eine unglaubliche Leistung. Wahrscheinlich wollte und musste er ihr gefallen. Auch Mozart war von den Mächtigen abhängig. Umso besser kann ich mir seine Enttäuschung vorstellen, dass er nicht engagiert wurde. Und aus den Briefen wissen wir, wie Maria Theresia ihrem Sohn darüberschrieb. Diese Briefe machen ihr in meinen Augen keine Ehre: "Ich wüsste nicht warum, und glaube nicht, dass sie einen Komponisten oder solche unnützen Leute brauchen… Sie sollen sich nicht mit solchen unnützen Leuten belasten." Künstler wie diese seien "wie Bettler; außerdem hat er eine große Familie." Aber Johann Adolph Hasse hatte Recht. Der arrivierte Komponist gibt großzügig zu: "Dieser Knabe wird uns alle vergessen machen".
In unserer Inszenierung der Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot möchte die Regisseurin Nina Brazier Venere als eine starke, entschlossene, führende, sehr einflussreiche, dominante Chefin z.B. einer Firma, ja, als autoritäre Persönlichkeit zeigen, die ihre übergroße Macht auch manipulativ einsetzt. Körperlich beim Spielen brauchte ich also eher eine klare, etwas steife Haltung. Härte und Kühle mussten betont werden. Diese Eigenschaften haben wenig mit Mozarts musikalischem Gestus zu tun. Das körperlich zu spielen und gleichzeitig Mozarts lebendige, helle, feierliche Musik zu singen, war tatsächlich eine Herausforderung.
Adelina Yefimenko: Die Heiratsdiplomatie Maria Theresias ist berüchtigt. Es genügt, an das Schlagwort der Kaiserin zu erinnern: "Kriege mögen andere führen, aber du, glückliches Österreich, heirate!". Der geschickten Heiratspolitik des Hauses Habsburg folgend, verheiratete Kaiserin Maria Theresia das jüngste ihrer 16 Kinder in ganz Europa. Es liegt auf der Hand, dass es einer allegorischen Handlung bedurfte, um das Ereignis der Hochzeit ihres Sohnes zu feiern. In der Oper Ascanio in Alba steht Ascanio für den Erzherzog und Venus für die Herrscherin Maria Theresia, die Ferdinand dazu auffordert, eine neue Stadt zu bauen und König von Alba zu werden. Interessanterweise ähnelt das Modell der Stadt Alba auf der Bühne den Bankentürmen von Frankfurt. Die Braut Beatrice wird durch die Hirtin Silvia symbolisiert, die nur noch beweisen muss, dass sie würdig ist, die treue Ehefrau des künftigen Königs zu werden. Der Schluss ist typisch rituell - der Priester Achest führt das Brautpaar zum Altar. Happy End! War diese Handlung nicht zu einfach und weit hergeholt für Mozart, der ein Jahr zuvor mit der Oper Mithridates, König von Pontus, ein Meisterwerk geschaffen hatte, das seinen reifen Opern in nichts nachsteht?
Kateryna Kasper: Das würde ich auch so gerne wissen. Aber ich kann darüber nur fantasieren. Am liebsten hätte ich natürlich Mozart selbst gefragt... Er wird als humorvoll und gesellig beschrieben. Dann hätte er auch nichts gegen Heiterkeit und Happy End, nehme ich an. Auf jeden Fall ist es ihm gelungen, trotz der Einfachheit der Handlung eine sehr gute Musik zu komponieren. Aus seinen Briefen an seine Schwester wissen wir, dass die Reise nach Mailand acht Tage dauert und sich als beschwerlich erweist und dass er vor Ort nicht viel Ruhe zum Komponieren hat (das Textbuch ist nicht in Salzburg angekommen, weshalb er erst sehr spät mit der Arbeit beginnen konnte). Das Haus, in dem die Mozarts wohnen, ist voller Musiker*innen. Über sie ein Violinist, nebenan werden Gesangsstunden gegeben, auf der anderen Seite übt ein Oboist. "Das ist ein lustiges Komponieren! Es bringt einen auf viele Gedanken!". Ich gehe davon aus, dass Mozart Spaß daran hatte, diese Musik zu komponieren.
Adelina Yefimenko: Die Musik der Oper ist großartig in ihrer Virtuosität, Flexibilität, Eleganz, melodischen Schönheit und manchmal demonstrativen Dekoration der Refrains. Wie viel vom zukünftigen Mozart steckt in der Musik des Ascanio?
Kateryna Kasper: In Ascanio kann man sicher einige musikalische Elemente erkennen, bestimmte melodische Wendungen, Harmonien oder Orchesterfarben, die typisch für Mozart sind und die sich in seinen späteren Werken wieder finden. Während den Proben hatte ich immer wieder das Gefühl, dass mich bestimmte Passagen musikalisch an etwas erinnern. Zum Beispiel Figaros "Se vuol ballare" kann man im Chor von Ascanio hören, oder die Melodie der Arie der Gräfin oder die Orchesterbegleitung des Terzetts der drei Knaben aus der Zauberflöte.
Adelina Yefimenko: Die Regisseurin Nina Bratsier vermittelt spannende Ideen. Der Bühnenrhythmus der Inszenierung wird wie eine politische Show abgespult, und das fantastische Bühnenbild (Bühnenkreis von Christoph Fischer) ist im Stil der Science-Fiction gehalten. Es scheint, als ob wir durch ein mächtiges Fernrohr auf den Planeten Venus blicken, und statt der mythologischen Venusgrotte sehen wir einen Parlamentssaal, einen Konferenzraum, einen Empfangssaal für Venus, die Präsidentin, mit verschiedenen Attributen der Macht: Fahnen, ein Podium zum Halten von Reden. Die Nymphen und Grazien, Faunus, Hirten und Hirtinnen tanzen nicht, sondern verhalten sich respektvoll. Alle tragen Business-Uniformen, haben Business-Frisuren und eine imposante Körperhaltung. Der scharfe Kontrast zwischen dem Offensichtlichen und dem Vorgetäuschten wird durch das Festival der Farben wiedergegeben: ein leuchtend zitronengelber Saal, statt der traditionellen grauen oder schwarz-weißen Kostüme, rosa, blau und gelb. Das Einzige, was die Designerin Henriette Hübschmann auf dem fernen Planeten Venus unangetastet lässt, ist das weiße Hochzeitskleid der Braut Sylvia. Inwieweit spiegelt Ihrer Meinung nach die Idee der Regisseurin, eine Symbiose zwischen dem Fiktiven und dem Realen zu schaffen, Mozarts ursprüngliche Intention für die Oper wider, die auf einem Libretto des berühmten Satirikers Parini basiert?
Kateryna Kasper: Ich glaube nicht, dass Mozart selbst die Absicht hatte, eine Kritik in dieses Stück einzubauen. Giuseppe Parini, eine wichtige Persönlichkeit der italienischen Aufklärung, vielleicht schon. Er war ja bekannt für seine Gesellschaftskritik. Allein die übertriebene Lobpreisung der Göttin Venus (also Maria Theresias) während des ganzen Stückes erscheint heute fast übertrieben, vielleicht war es das damals auch schon. Und diese Inszenierung scheint die sozialen und politischen Dimensionen des Stücks zu betonen, indem sie es in eine moderne politische Arena überträgt.
Adelina Yefimenko: Offensichtlich wollte Mozart den Mutter-Sohn-Konflikt in dieser Oper nicht weiter verschärfen. Tragische Untertöne, wie die Umwandlung von Liebe in Kontrolle und Manipulation, waren für eine Hochzeitsfeier nicht geeignet. Doch der Kontrast zwischen der autoritären Kaiserin und dem Infantilismus des zukünftigen Herrschers ist in der Musik trotz der absoluten Vorherrschaft der Dur-Tonarten deutlich und spürbar. Die Einzige, die leidet (aber auch in C-Dur), um die lyrische Linie der Oper zu stärken, ist die Braut, die auf ihre Treue zum Gesetz ([sic!] nicht Liebe, sondern Pflicht) geprüft wird! Die Überlegenheit der Vernunft über das Gefühl, der Pflicht über die Freiheit sowie der aufklärerische Gedanke des Werkes - die Gründung einer neuen Stadt und eines neuen Staates - sind typisch für die klassische Epoche. Aber ich fand Parallelen zwischen Ascanio und Aeneas, der anstelle des zerstörten Trojas ein neues Troja gründen muss. Doch dafür verrät er seine Liebe und verlässt die unglückliche Dido. Der Preis für das neue Troja ist das zerstörte Karthago. Übrigens ist nach der griechischen Mythologie Ascanio der Sohn von Aeneas und Creusa, Venus ist also seine Großmutter, nicht seine Mutter, aber für einen Opernlibrettisten sind diese Nuancen zweitrangig. Haben Sie in Ihrem Repertoire Parallelen zu anderen barocken oder klassischen Opern gefunden, die ein ähnliches Thema der Überlegenheit politischer Interessen über persönliche entwickeln?
Kateryna Kasper: In vielen barocken und klassischen Opern spielen politische Intrigen, Machtspiele und gesellschaftliche Dynamiken eine zentrale Rolle, oft auf Kosten persönlicher Beziehungen und Emotionen. Zu diesem Thema der Kontraste fällt mir als erstes der Text der Arie der Aspasia aus Mitridate, re di Ponto ein, die ich gerne singe: «Al fiero contrasto /Resister non basto: /E strazia quest’alma/ Dovere ed amor».
Die Parallelen zwischen Ascanio und Aeneas sind tatsächlich sehr interessant. Ich weiß nicht, mit welchen anderen Opern ich Ascanio noch vergleichen könnte. Die späteren Opern Mozarts sind inhaltlich viel komplexer, aber man kann sicher gewisse Ähnlichkeiten und Parallelen finden, wenn man sich wissenschaftlich damit beschäftigt.
In La Clemenza di Tito stehen die politische Pflicht oft über den persönlichen Gefühlen. In der Zauberflöte z.B. nimmt das politische Thema einen wichtigen Platz ein, insbesondere in Bezug auf die Prüfungen, die Tamino und Pamina bestehen müssen, um Mitglieder der Gesellschaft des Tempels der Weisheit zu werden. Die Oper behandelt aber auch Themen wie Tugend, Freiheit und Aufklärung, die in einem politischen Kontext diskutiert werden.
In Händels Giulio Cesare dienen die persönlichen Beziehungen der Charaktere oft als Instrumente zur Verfolgung ihrer politischen Ziele. Auch in Radamisto und Xerxes geht es um politische Intrigen und Machtkämpfe. Wobei sich die Handlung hier auch stark auf die persönlichen und emotionalen Verstrickungen der Figuren konzentriert.
Aber das interessiert mich, ehrlich gesagt, weniger. Für mich ist das eher eine musikwissenschaftliche Arbeit, und meine Aufgabe ist es, das Werk auf der Bühne zu verkörpern, dem Publikum Ideen und Emotionen in Klängen und Spiel so wahrhaftig und in vielen Dimensionen wie möglich zu vermitteln.
Adelina Yefimenko: Im Libretto von Ascanio in Alba von Rousseaus Nachfolger Giuseppe Parini interessierte sich Mozart vor allem für die Ideen der Aufklärung, die den Weg für musikalische Experimente ebneten, zum Beispiel bleiben die Figuren nach den Arien auf der Bühne, was die musikalischen Nummern öffnet und die Dynamik der Handlung erhöht. Es gibt keinen Konflikt, aber Mozart schafft ihn mit musikalischen Mitteln. In der unerschütterlichen Stabilität der Aufführung der Venus-Partie haben Sie einen starken Kontrast zu den musikalischen Nummern des Brautpaares geschaffen. Wie wird die Essenz dieses Kontrasts mit musikalischen Mitteln umgesetzt?
Kateryna Kasper: Ich bin sicher, dass mir das nur dank der Моzartschen Klangsprache gelungen ist. Man soll sie nur hervorheben und nicht glätten. Sein musikalischer Dialog beruht auf starken Kontrasten. Das "chiaroscuro" war eine seiner großen Stärken und ein höchst künstlerisches Mittel. "Mozarts Tonsprache wurde zu seiner Zeit von konservativen Ästheten wegen ihrer Krassheit abgelehnt", erzählt Nikolaus Harnoncourt in seinem Buch "Der musikalische Dialog".
Ich habe lange suchen müssen, um den Ton für die Venere zu finden. Denn ich kann und will diese Musik nicht streng und damit steif singen. Während der Proben haben wir versucht, einen Weg zu finden, die Venus nicht "zu schön" klingen zu lassen. Das ist nicht einfach. Die Musik ist wunderschön, feierlich, lebendig. Einige Instrumente tragen dazu bei, die Strenge des Charakters unserer Venus zu betonen: eine klare Diktion, ein präziser Einsatz der Töne, selbstbewusste Haltung sowohl des Körpers als auch der Stimme, eine körperliche Ruhe, als ob man einen kühlen Kopf bewahrt, während man gleichzeitig die verrückten Koloraturen diszipliniert und genau ausführt, als ob es keine Mühe kostet.
Adelina Yefimenko: Die Gesangspartien des Ascanio in Alba sind virtuos und äußerst komplex. In dieser Hinsicht war das Jahr 1771 tatsächlich ein Wendepunkt, denn nach dem Misserfolg von Gasses Ruggiero ging die Ära der Opera seria endgültig zu Ende. Eine neue Ära brach an. Kam Ihnen Ihre Erfahrung mit Barockrollen bei der Rolle der Venus zugute? Welche Einflüsse des barocken Stils und der Gesangstechnik konnten Sie bei Ascanio in Alba feststellen, insbesondere, als Sie die Partitur studierten?
Kateryna Kasper: Die Erfahrung mit den barocken Opern ist definitiv von Nutzen bei der Arbeit an den Mozart-Rollen. Man muss sich vorstellen, dass Mozart geboren wurde, als Händel noch lebte. Natürlich hat sich der Gesangsstil immer wieder geändert, vor allem in der Kunst der Ornamentierung, aber die ganzen Gesangsschulen, die voller Tradition waren, nicht. Mozarts Sänger und Sängerinnen sangen nicht plötzlich anders. Wie im Barock üblich, erfordern Mozarts Partien (auch Venere) eine virtuose Gesangstechnik mit Koloraturen, Trillern und einem großen Stimmumfang.
Die Affekten Lehre im Barock beeinflusste Mozarts Ausdruckskraft und die Art, wie er Emotionen in seiner Musik darstellte. Und natürlich können seine Arien, wie im Barock üblich, mit Verzierungen versehen werden, um den persönlichen Stil und die individuelle Interpretation der Sängerin zu unterstreichen.
Adelina Yefimenko: Welche Opern aus dem Barock- und Klassik-Repertoire von Händel, Mozart und anderen Komponisten, die Sie noch nicht aufgeführt haben, möchten Sie in Zukunft singen?
Kateryna Kasper: Oh, das sind viele. Es ergibt sich immer so, dass ich fast nie eine Rolle oft singe, ich bin ständig am Lernen der neuen Rollen. Am meisten aber begeistern mich komplizierte Rollen, die nicht nur musikalisch facettenreich, sondern inhaltlich mehrbödig sind oder in ihrem Opernleben eine Entwicklung durchmachen. Das ist das Interessanteste. (Dies ist bei der Venus nicht gegeben. Inhaltlich kann die Rolle nicht allzu viel Spielraum bieten). Ich würde sehr gerne bei Händel alle großen Frauenrollen gestalten. Alcina, Rodelinda, Cleopatra usw. Auch bei Mozart sang ich vieles noch nicht. Ich freue mich bald Donna Anna, Elettra und Fiordilidgi zu singen. Und bevor ich die Gräfin singe, möchte ich viele Male Susanna machen. Diese Rolle macht mir richtig Spaß. Aber ich interessiere mich nicht minder für die Musik aus den anderen Epochen. Sehr gerne würde ich Blanche in Dialogues des Carmélites von Poulenc singen, Die Marschallin im Rosenkavalier und Mélisande von Debussy. Die Liste ist endlos. Ich habe eine Menge Träume.
Adelina Yefimenko: Vielen Dank für das Gespräch und lassen Sie mich, es zusammenfassen.
Fazit 1. Wie Sie wissen, hat Maria Theresia Mozart für seine Arbeit königlich belohnt. Neben dem Honorar erhielt der Komponist eine goldene, mit Diamanten besetzte Uhr und ein Porträt seiner Gönnerin Maria Theresia. Doch für die Kaiserin waren Mozart und seine Oper keine Genies, sondern lediglich ein Mittel zur Stärkung der politischen Interessen ihres Staates. Nachdem er wiederholt Demütigungen durch die arroganten, demütigenden Geschenke der Mächtigen erfahren hatte, erkannte Mozart schon früh, dass der Wille und die Mission eines freien Schöpfers, so zerbrechlich sie auch sein mögen, wertvoller sind als das Leben.
Fazit 2. Die Dominanz der Macht, die Manipulation, der Verrat und der Kampf der politischen Führer zum Nachteil des Staates und des Volkes haben sich seit den Tagen der alten Reiche bis heute nicht geändert. Totalitäre Staaten korrumpieren demokratische Politiker. Megakonzerne zerstören kleines Kapital und natürliche Ressourcen. Wir können die brillante Musik von Mozarts früher Oper genießen, aber wir können sie auch als Spiegelbild der Krise unserer Gesellschaft und der Weltpolitik sehen.