Hannover, Staatsoper Hannover, EUGEN ONEGIN - Peter Tschaikowski, IOCO Kritik, 12.06.2022
EUGEN ONEGIN - Peter Tschaikowski, nach Alexander Puschkin
- Eine Achterbahnfahrt der Gefühle - in Petersburger Hängung -
von Karin Hasenstein
Nicht Oper, sondern "Lyrische Szenen in drei Akten" nannte Peter I. Tschaikowski sein Werk Eugen Onegin. Dem Werk liegt auch kein gewöhnliches Libretto zugrunde, sondern der Versroman von Alexander Puschkin. Das ist dann in etwa so, als wolle man Goethes Faust vertonen, es besteht immer die Gefahr, dass der Zauber der Verse beim Übertragen in Alltagssprache verloren geht. Tschaikowski wollte aber für seine Oper nicht auf die gekünstelten Opernwelten seiner Zeit zurückgreifen, sondern echte, authentische Figuren haben, die man verstehen kann. Er hatte genug von "äthiopischen Prinzessinnen und Pharaonen" und "verrückten Mördern", was unzweifelhaft eine Spitze in Richtung Verdi war. Somit stand die Fähigkeit, sich einzufühlen, mitzuleiden, als oberstes Gebot über seinem Schaffensprozess.
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An der Staatsoper Hannover hat sich die Hausregisseurin Barbora Horáková des Klassikers Eugen Onegin der russischen Opernliteratur angenommen; besuchte Vorstellung 28.05.2022. Die aus Prag stammende Regisseurin hat sich für ihre Inszenierung der limitierten privaten Möglichkeiten in der sozialistischen Gesellschaft der 1970er und 80er Jahre erinnert. Sie ist in einem Mehrgenerationenhaushalt aufgewachsen, in dem immer etwas los war, wo immer Besuch im Haus war und bei Feiern auch schon einmal der eine oder andere Gast auf der Couch übernachtet hat.
So herzlich und gastfreundlich stellt sich der Haushalt der Familie Larina dar. Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine großzügige Halle eines russischen Herrenhauses auf dem Land. Links befindet sich ein Treppenaufgang mit einer Galerie, darunter ein Klavier mit Notenständer, an den Seitenwänden hohe Bücherregale und wo noch Platz an den Wänden ist, sind zahlreiche Gemälde in Petersburger Hängung arrangiert. Sie zeigen Flusslandschaften, große Ströme, die dem Meere zufließen. Die Rückwand rechts vom offenen Treppenhaus besteht aus bodentiefen Fensterfronten, die den Blick in die weite Landschaft lenken.
Die Farben sind dezent gedeckt, die Wände grüngrau, die Gardinen schlicht weiß. Am Boden mitten im Raum sitzen Rücken an Rücken zwei Männer, Lenski und Onegin. Eine Erzählerin tritt von der linken Bühnenseite her auf, die Ouvertüre beginnt. Die Musik ist leicht, beschwingt und tänzerisch. Wir lernen die Bewohner des Hauses kennen. Die Larins sind ein männerloser Haushalt. Mutter Larina, ihre Töchter, die schweigsame Tatjana und die lebenslustige jüngere Olga sowie die Amme Filipjewna.
Die Landgesellschaft strömt in die Halle, Bedienstete putzen den Raum heraus und decken die riesige Tafel. Während Tatjana in sich versunken liest, packt Olga aufgeregt ein Geschenk aus, es sind Rollschuhe, die sie sofort anzieht und begeistert ausprobiert. Der Musiklehrer stimmt mit den Mädchen ein Lied an, "Hört ihr die nächtliche Stimme?", hier kommt die Soloharfe wunderbar zum Einsatz. Die Mutter sieht ihre Töchter und denkt an ihre Jugend, die Amme stimmt in die Gedankengänge ein, es folgt ein kurzes Duett der beiden Frauen.
Der Chor tritt auf, alle in gedeckten Farben und zeitlosen Kostümen, die sich am ehesten in die Mitte des letzten Jahrhunderts verorten lassen. Die Mutter trägt eine elegante grüne weite Hose und eine helle Bluse, Tatjana trägt einen dunkelgrünes Oberteil und einen weiten dunkel-karierten Rock, während Olga ein knallig gelbes Kleid mit weitem Rock trägt. Der Kontrast im Wesen spiegelt sich auch in der Kleidung wider.
In der folgenden großen Chorszene erzählt uns der Chor, dass Erntezeit ist, während überall im Raum Heubüschel verteilt werden. Die Gutsbewohner tanzen, es wird Gebäck aufgetragen, allgemein herrscht eine ausgelassene Stimmung. Das Publikum belohnt diesen lebendigen Auftritt mit spontanem Szenenapplaus. Tatjana löst sich aus der Gruppe heraus und stellt fest "Bei solchen Liedern fange ich an zu träumen." Olga bekennt in ihrer Arie, dass ihr solche Schwermut nicht liegt.
Alle setzen sich und essen, eine Fotografin macht Bilder, es ist eine fröhliche, muntere Gesellschaft, einzig die schwermütige Tatjana mag hier nicht so recht hineinpassen. Sie fühlt mit ihren Romanfiguren, die leiden so. Ihre Mutter rät ihr, damit aufzuhören: "Im Leben gibt es keine Helden!" In diesem Moment betritt der junge Dichter Lenski den Raum. Er ist Olgas Verlobter und hat seinen Freund und früheren Nachbarn Eugen Onegin mitgebracht. Lenski trägt eine schlichte blaugraue Hose, ein helles Hemd und eine rostbraune Lederjacke, Onegin, der feine Herr aus der Stadt, eine schwarze Hose, einen weinroten Rollkragenpullover und einen Gehrock. In der Hand hat er einen Blumenstrauß und will von Lenski wissen, welche der Töchter Tatjana ist. Lenski zeigt sie ihm, "Die Schweigsame". Tatjana sieht Onegin an und verliebt sich auf der Stelle in ihn. Von jetzt an gibt es nur noch ihn! Das andere Paar, Olga und Lenski,geht fröhlich nach oben, die beiden sind offensichtlich sehr glücklich. Lenski erklärt sehr leidenschaftlich "Ich liebe dich mit der Seele eines Dichters!"
Unten im Saal fängt Onegin ein Gespräch mit Tatjana an. Er fragt sie, ob sie sich in der Provinz nicht langweilt. Darauf erklärt sie, dass sie viel liest. Er erzählt, dass sein kranker Onkel ihn herbeordert hat und beklagt sich, wie langweilig es sei, Tag und Nacht bei den Alten sitzen zu müssen.
Inzwischen ist das Fest zu Ende, die Gäste sind gegangen, draußen ist es dunkel geworden. Tatjana bleibt alleine zurück. Das kurze Orchesterzwischenspiel ist dramatisch und kündigt eine Abwärtsbewegung an. Hier fallen angenehm die tiefen Streicher auf, die Melancholie der nächtlichen Szene wird anschaulich verdeutlicht. Die Amme kommt herein und bringt eine Kanne Tee. Sie zieht die Vorhänge zu und kündigt Tatjana an, sie werde sie zur Messe wecken. Wieder erklingt das absteigende Motiv, das drohendes Unheil andeutet. Tatjana erwidert, sie kann nicht schlafen, es ist so schwül, und bittet die Amme, hierzubleiben. Sie setzt sich zu dem aufgewühlten Mädchen und erzählt von ihrer Hochzeit, sie war kaum dreizehn. Tatjana stellt fest "Mir ist schlecht, ich leide!", erkennt aber sogleich "Ich bin nicht krank, ich bin verliebt!" Sie bittet die Amme um etwas zu schreiben, will alleine sein. Es erklingt ein klagendes Flötenmotiv, das die berühmte Briefszene einleitet.
Die ganze Nacht lang schreibt sich Tatjana ihre Gefühle von der Seele. Plötzlich ist sie nicht mehr still und unscheinbar sondern impulsiv und stürmisch! Sie wirft mehrere Stühle um, schreibt, springt auf, schreibt weiter... Ihre Ausbrüche werden im Orchester untermalt von einem leidenschaftlichen Streichersatz. Bässe spielen im Pizzicato, die Holzbläser dominieren und gehen in den Dialog mit der Harfe. Tatjana macht sich selber Mut, "Nur Mut, er soll alles erfahren!" Voller Leidenschaft gesteht sie Onegin ihre Liebe. "Ich wollte die glühende Leidenschaft verschweigen, aber... Das Schicksal will es so, ich gehöre dir!"
Das wiederkehrende Hornmotiv erklingt eindringlich, die Holzbläser kommen hinzu, als Tatjana Zweifel verspürt. "Bist du Schutzengel oder hinterlistiger Verführer? Nur das Trugbild einer unerfahrenen Seele?" Solistin und Orchester gestalten hier ein unglaublich zartes Pianissimo. Tatjana wischt ihre Zweifel weg "Mein Schicksal liegt in deiner Hand. Erlöse mich von meinem schweren Traum!" Das Orchesternachspiel ist laut und wird immer bewegter. Tatjana schaut ihren Brief an. Alles ist gesagt, Brava! Mit diesen Worten gießt sie das Wasser aus der Blumenvase über ihren Kopf.
Noch in die letzten Töne der Briefszene hinein bricht tosender Applaus los. So schön es ja ist, wenn die Leistung einer Sängerin, eines Sängers gefällt und honoriert wird, noch schöner und respektvoller wäre es, Orchester und Sänger zu Ende spielen zu lassen.
Es dämmert. Draußen wird es hell und diesen Sonnenaufgang hat Tschaikowski buchstäblich ins Orchester geschrieben, welches in allen Farben aufblüht. Die Amme kommt und will Tatjana wecken, sie ist jedoch ganz aufgeregt, die Amme soll ihren Brief zu den Nachbarn bringen. Diese ist nicht ganz auf der Höhe und fragt, zu welchen, sie sei zu alt, um sich die Namen aller Nachbarn zu merken. Tatjana sagt ihr, zu Onegin, und die Amme geht, um den Auftrag auszuführen. Draußen drängen sich die Menschen neugierig vor den Fenstern, drinnen ist Tatjana alleine zurückgeblieben. Die Bediensteten erscheinen, die Tafeln werden frisch eingedeckt. Der Chor singt fröhlich "Ihr schönen Mädchen, kommt spielen! Lockt den Burschen mit eurem Lied!"
Tatjana ist überfordert, kann das alles nicht ertragen. Sie hält sich die Ohren zu. Chor und Orchester malen die Szene im Forte und mit großer Geste aus. Tatjana kommen wieder Zweifel, sie ist unglücklich. Warum hat sie nur diesen Brief geschrieben, was wird Onegin sagen? Da betritt Onegin den Raum. "Sie haben mir geschrieben. Leugnen hat keinen Sinn", erklärt er. In dem folgenden Monolog macht er alle ihre Träume und Hoffnungen zunichte. Wenn er Vater und Ehemann sein wollte, wäre sie seine erste Wahl. Aber er sei für so etwas nicht gemacht. Ihre Ehe wäre eine einzige Qual, denn "mit der Gewöhnung daran hört auch die Liebe bei mir auf." Im übrigen solle sie lernen, sich zu beherrschen. Ein klagender Frauenchor erklingt von ferne. Die am Boden zerstörte Tatjana bleibt verzweifelt zurück.
Nach der Umbaupause erklingt das Vorspiel zur zweiten Szene. Das klagende, Unheil ankündende Hornmotiv ertönt, untermalt von satten Streicherklängen. Lenski und Onegin sind in der Halle, Tatjana tritt herein und schließlich füllt sich der ganze Raum mit Gästen, die anlässlich Tatjanas Namenstag erschienen sind. Onegin hat Tatjana Blumen mitgebracht, sie wirkt jedoch abwesend, sitzt abseits und isst alleine, während alle anderen feiern und sich amüsieren.
Onegin fühlt sich fehl am Platze und macht Lenski dafür verantwortlich. Um ihn zu provozieren, tanzt er mit Olga. Lenski ist gedemütigt, weil Olga mit Onegin flirtet... das Fest nimmt einen fröhlichen Verlauf, der Chor veranstaltet eine große Polonaise, und singt dabei trotzdem weiter sehr präzise. Der Polonaise folgt ein Sackhüpfen, Zuckerwatte wird verteilt, die Gäste sind außer Rand und Band, was Tatjanas Elend nur noch mehr betont. Sie wirkt in der Szene wie ein Fremdkörper.
Während alle tanzen, wird das Licht gedimmt und die Wände fahren etwas zusammen, zum Ende der Szene, als die Wände zurückfahren und der Raum wieder hell wird, stellt Lenski fest: "Onegin, du bist nicht mehr mein Freund!" Er fordert Onegin zum Duell heraus, verlangt Satisfaktion. Zu Mutter Larina gewandt erklärt er "In Ihrem Haus hier fand ich die Liebe!" Onegin erkennt, dass er zu weit gegangen ist. Alle Soli und der Chor kommentieren die Situation "Das gibt ein Duell!", während Lenski und Onegin schon anfangen, sich zu prügeln.
In der nächsten Szene sind alle Bilder abgehängt. Ein Teil der Möbel und alle Bücher sind verschwunden. Eine große Leere. Lenski wartet auf Onegin.Es folgt seine berühmte Arie "Kuda, kuda..." - "Wohin seid ihr entschwunden", von Pavel Valuzhin mit großer Leidenschaft vorgetragen. Er hat sein Schicksal angenommen und geht entschlossen in dieses Duell. Onegin erscheint schließlich zum Duell, zu spät und ohne einen Sekundanten. Er trägt ein Wolfsfell mit sich. Ob er zweifelt? Nein. Lenskis Sekundant kann diesen Regelverstoß eigentlich nicht gut heißen, aber schließlich will man die Angelegenheit doch schnell hinter sich bringen.
Die beiden Männer nehmen ihre Position ein. Lenski zielt, bringt es aber nicht fertig, zu schießen. Onegin erschießt daraufhin Lenski. Als er realisiert, was er getan hat, versucht er verzweifelt, ihn wieder lebendig zu machen, indem er an ihm rüttelt und versucht, ihn auf die Beine zu stellen. James Newby verleiht diesen Gesten eine große Dramatik. Die tänzerische Musik steht in einem großen Kontrast zum dramatischen Geschehen auf der Bühne.
Der dritte Akt spielt Jahre später in Sankt Petersburg: Wir befinden uns in einem Salon des Fürsten Gremin mit einer Festgesellschaft. Der Raum ist mit roten Sofas möbliert und mit einem großen Terrarium dekoriert. Der Chor trägt festliche Kleider, der Tanz ist durchchoreografiert und wird vom Chor mit großem Ausdruck ausgeführt. Onegin zieht sich inmitten der Gesellschaft ein weißes Hemd an. Er ist von seinen langen Reisen zurückgekehrt und mischt sich unter die Gäste. Als die Fürstin Gremina erscheint, erkennt Onegin sie als Tatjana! Die wunderschöne berühmte Arie des Fürsten Gremin erklingt "Lubvi, vse vozrasty pocorny". Er besingt darin die Kraft der Liebe und erklärt, dass er diese bei Tatjana gefunden hat. Shavleg Armasi gestaltet diese Arie sehr gefühlvoll und mit wunderbar warm timbrierten Bass, sehr kraftvoll und überzeugend.
Gremin stellt Onegin seine Frau vor. Tatjana weist ihn jedoch zurück. Onegin erkennt nun, dass er unsterblich verliebt ist. Die Musik ist an dieser Stelle lebhaft, tänzerisch, überschäumend und das Blech ist dominierend. Onegin ist verzweifelt, weil Tatjana ihn zurückweist, er klettert in das Terrarium, er ist in seinen Gefühlen gefangen. Tatjana kommt zu ihm zurück und erklärt es ihm. "Ich liebte Sie und was war Ihre Antwort?" Er hat sie damals vor den Kopf gestoßen und Ihre Gefühle nicht erwidert. In diesem Moment sind alle Bilder verschwunden, die Halle ist völlig kahl.
Onegin hält Tatjana für kalt, weil sie in seinem Verhalten damals Berechnung vermutet hat. Er will ihr jetzt alles gestehen. Beide gestehen einander nun endlich ihre Gefühle, sie stimmen in ein Duett ein "Das Glück war so nah..." Schließlich betont Tatjana noch einmal "Ich bin verheiratet und bitte Sie zu gehen." Onegin will nicht, "njet!", sie appelliert an seine Ehre. Barno Ismatullaevas Spitzentöne in der hohen Lage sind brillant und wunderbar fokussiert. Tatjana belehrt ihn, man könne die Zeit nicht zurückdrehen. Onegin widerspricht, "Du liebst mich, der Himmel will es so! Du musst deinen Mann und diese Welt für mich aufgeben!" Doch es ist zu spät. Mit den Worten "Leb wohl, für immer!" geht Tatjana ab. Onegin bäumt sich noch einmal auf, seine letzten Worte sind "Oh Schande! Sehnsucht! Bitteres Schicksal!", er bleibt alleine zurück.
Die Regisseurin Barbora Horáková bringt die Handlung mit wunderbaren Bildern auf die Bühne. Die Personen sind klar gezeichnet und sehr authentisch und glaubhaft dargestellt. Von Anfang an ist klar, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen kann und wird. Die Abwärtsbewegung vollzieht sich schlüssig von der ersten bis zur letzten Szene. Das opulente Bühnenbild (Susanne Gschwender) und die liebevollen detaillierten Kostüme (Eva Butzkies) unterstreichen die Handlung harmonisch.
Ein ganz großes Kompliment gebührt dem Chor der Staatsoper Hannover (Chordirektor: Lorenzo Da Rio), der nach langen Corona bedingten Beschränkungen wieder in voller Besetzung und mit großer Spielfreude einen wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Produktion hat. Es ist ein Genuss, die Mitglieder des Chores im Ensemble und in kleineren Soli zu sehen und zu hören. Die großen Chorszenen sind von Tschaikowski ganz wunderbar angelegt und werden hier entsprechend gewürdigt und opulent in Szene gesetzt, dass es eine Freude ist.
Der britische Dirigent James Hendry studierte am Royal Northern College of Music in Manchester. Von 2016 bis 2018 war er Mitglied des Jette Parker Young Artists Programme. Seit der Spielzeit 2020/ 21 ist er Erster Kapellmeister an der Staatsoper Hannover und war unter anderem mit den Produktionen Sweeney Todd und Don Giovanni betraut.
Hendry führt an diesem Abend das Niedersächsische Staatsorchester sicher und mit großer Geste durch den mehr als drei Stunden langen Abend. Den Solisten ist er bei ihren wunderschönen melodiösen Arien stets ein sensibler Partner und setzt mit dem Orchester als zuverlässiger Basis immer wieder wunderbare Akzente.
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Große Gefühle auf hohem Niveau
Auch die Solisten des Abends machen rundum Freude. Ruzana Grigorian verleiht der jüngeren Tochter Olga mit ihrem schönen warmen Mezzo und dunkler Färbung viel Herzlichkeit. Sehr schön ist auch ihre quirlige Bühnenpräsenz, mit der sie sehr glaubhaft die lebenslustige fröhliche Olga interpretiert.
Die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva singt die Tatjana. Ihr Sopran ist klar und strahlend und verfügt über ein glockiges herrliches Timbre, hell und gleichzeitig warm und voll. Ismatullaeva verleiht der schwermütigen Tatjana mit ihrem intensiven Spiel große Glaubwürdigkeit und zeigt die Entwicklung von der introvertierten jungen Frau zur souveränen Gemahlin des Fürstin Gremin.
Der Tenor Pavel Valuzhin ist in Weißrussland geboren. Er singt den Lenski leidenschaftlich, sehr engagiert und agiert mit großer Bühnenpräsenz. Seine gute darstellerische Leistung und seine engagierte Interpretation der Liebeserklärung an Olga bringe ihm spontan Szenenapplaus im ersten Bild ein. Vera Egorova verleiht der Amme Filipjewna viel Seele und Herzlichkeit mit ihrem angenehm timbrierten warmen Mezzosopran. Monika Walerowicz interpretiert die Rolle der um das Wohl ihrer Töchter besorgten Mutter souverän und liebevoll. Die polnische Mezzosopranistin stellt hier auch ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis, wenn man diese Rolle vergleicht mit der Bettlerin in Sweeney Todd. Der georgische Bass Shavleg Armasi legt in die relativ kleine Rolle des Fürsten Gremin viel Gefühl und verfügt spielend über die nötige Tiefe, um auch den Schlusston, das tiefe ges, am Ende seiner Arie sicher und mit angenehm dunklem Timbre zu platzieren.
In der Titelrolle des Onegin erleben wir James Newby. Der junge britische Bariton ist seit der Spielzeit 2019/20 an der Staatsoper Hannover und war dort bereits als Eddy in Greek und Anthony in Sweeney Todd zu hören. Newby zeichnet einen strengen aber auch zerrissenen Onegin, der anfänglich hart und gefühllos scheint, am Ende aber sehr verletzlich und gebrochen ist. Sein angenehm timbrierter Bariton klingt stets voll und ist präzise geführt. In den Szenen mit Tatjana oder Lenski ist er ein souveräner Duettpartner und überzeugt mit seiner Stimme ebenso wie mit seinem wandlungsfähigen Spiel.
Die Riege der hervorragenden Solisten in den Hauptrollen wird souverän ergänzt in den kleineren Rollen durch Robert Künzli als Monsieur Triquet, Gagik Vardanyan (Opernstudio) als Hauptmann Saretzky und Patrick Jones (Chor) alsVorsänger.
Nachdem es bereits mehrfach Szenenapplaus gespendet hatte, belohnte das Publikum am Ende des Abends alle Beteiligten mit anhaltend großzügigen Applaus. Tschaikowskis Wunsch nach "echten Menschen" kommt die Regisseurin nach, dadurch wird der Abend sehr glaubhaft. Diese Produktion von Eugen Onegin ist vor allem akustisch aber auch optisch eine Freude und ausgesprochen gelungen, daher erfolgt hier die uneingeschränkte Empfehlung für einen Besuch der verbleibenden Vorstellungen an der Staatsoper Hannover.
EUGEN ONEGIN an der Staatsoper Hannover, die weiteren Termine 19.6.; 1.7.; 17.7.2022, link HIER!
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Musikalische Leitung James Hendry
Inszenierung Barbora Horáková
Bühne Susanne Gschwender
Kostüme Eva Butzkies
Licht Sascha Zauner
Chor Lorenzo da Rio
Dramaturgie Martin Mutschler
Eugen Onegin James Newby
Tatjana Barno Ismatullaeva
Olga Ruzana Grigorian
Lenski Pavel Valuzhin
Fürst Gremin Shavleg Armasi
Larina Monika Walerowicz
Triquet Robert Künzli
Filipjewna Vera Egorova
Saretzki, ein Hauptmann Gagik Vardanyan *Mitglied des Int. Opernstudios der Staatsoper Hannover
Vorsänger Patrick Jones
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Chor der Staatsoper Hannover
Statisterie der Staatsoper Hannover
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