Hamburgische Staatsoper, MARIA STUARDA - G. Donizetti, IOCO

Gaetano Donizettis Oper „Maria Stuarda“ zählt zu den bedeutendsten Werken des romantischen Musiktheaters und ist ein herausragendes Beispiel für die italienische Belcanto-Tradition.
Gaetano Donizetti (1797–1848), der zu den führenden italienischen Komponisten seiner Zeit zählte, war bekannt für seine Fähigkeit, starke emotionale Inhalte musikalisch gekonnt umzusetzen.
Die Entstehung seiner Oper „Maria Stuarda“ – basierend auf Friedrich Schillers Drama „Maria Stuart“ – war eng mit den künstlerischen und politischen Stimmungen dieser Zeit verbunden. In den 1830er Jahren war das Interesse an historischen Themen und tragischen Schicksalen in der Oper sehr stark ausgeprägt.
Uraufgeführt wurde „Maria Stuarda“ am 30. Dezember 1835 an der Mailänder Scala, nachdem diese 1834 eigentlich fürs Teatro San Carlo in Neapel komponierte Oper dort von König Ferdinand, dem König von Neapel und Sizilien, verboten wurde, wohl aufgrund des teilweise als skandalös empfundenen Librettos wegen einiger drastischer Textteilen. Und wohl auch, weil es im katholischen Süditalien nicht opportun erschien, eine katholische Königin hinrichten zulassen, zumal die Gattin des Königs auch noch mit Maria Stuart verwandt war.
Die zentralen Themen dieser Oper sind Macht, Eifersucht, die politische Rivalität, die gespaltenen Identitäten und die unterschiedlichen Frauenbilder, die die beiden Königinnen hier repräsentieren.

Donizettis Werk wurde an der Hamburgischen Staatsoper am 16. März erstmals gegeben und konnte seine glanzvolle Premiere feiern. Regisseurin Karin Beier legte in ihrer Inszenierung vor allem Wert darauf, die Konflikte und Spannungen zwischen den beiden Königinnen herauszuarbeiten. Hierfür setzte sie Doppelgängerinnen ein, die die Idee verdeutlichen sollten, daß jede der beiden Königinnen sowohl ein privates weibliches Individuum als auch eine öffentliche politische Person ist. Eigentlich sind es bei Karin Beier nicht nur zwei, sondern gleich fünf Doubles, was die Bühne sehr füllte und es ständig Bewegung gab, wenn z.B. in der Jagdszene vier Elisabeth-Doubles die vier Maria-Doubles an den Haaren über die Bühne schleiften, während das erste Double einen blutigen Tierkadaver hinter sich her zog.
Die Bühne selbst mit den grauen Wänden erinnert an einen kalten Bunker (Bühnenentwurf von Amber Vandenhoeck). Im ersten Akt steht in der Mitte ein großer grauer Quader, der gedreht wurde und somit verschiedene Räume eröffnete. Auf das graue Gemäuer wurden Portraits von Elisabeth und Maria projiziert, ebenso Videos mit in Blut getränkten Perlenketten. Auch die Maria-Doubles traten auf mit Blut an den Händen und blutverschmierten Gesichtern. Diese Inszenierung ist eine ziemlich blutige Angelegenheit. Gegen Ende wurde ein Video projiziert, wie Maria vor der Hinrichtung der Kopf kahlgeschoren wird.
Beeindruckend waren die beiden Königinnen: Ermonela Jaho als zarte, majestätische Maria Stuarda mit hochgesteckten rotblonden Haaren bezauberte mit ihrem hellen, schlank geführten Koloratursopran, mit ihren weit gespannten Legato-Kantilenen, hoch emotional gleich in ihrer ersten Arie „Oh nube, che lieve“ und der Cabaletta „Nella pace del mesto riposo“ mit brillanten Koloraturen. Einen Höhepunkt setzte sie gegen Ende mit „Deh, tu di unumile preghiera il suono udi“, getragen vom glänzend disponierten Chor, übergehend in die Hinrichtungsarie, in der Ermonela Jaho auch darstellerisch, von Statisten getragen und kopfüber singend, erstaunliches leistete. Kostümiert war sie meist ganz in schwarz mit dem Kreuz als einzigem Schmuck. Zu ihrer Hinrichtung mit kahl geschorenem Kopf trug sie ein knallrotes langes Kleid. Die Kostümentwürfe von Eva Dessecker entsprachen in etwa der damaligen Zeit.
Nicht weniger eindrucksvoll war Barno Ismatullaeva in der Partie der Königin Elisabeth. Mit weiß geschminktem Gesicht, rotem Königsmantel, üppigen Perlenketten und goldener, mit Edelsteinen besetzter Krone auf dem Haupt war sie sogleich bei ihrem ersten Auftritt die gebieterische Majestät, präsentierte ihren warm timbrierten, klangschönen Sopran, den sie wunderbar wandlungsfähig einzusetzen verstand. In ihrer Auftrittsarie „Ah, quando all'ara sorgemi – Tacete, non posso risolvermi ancor“ setzte sie ihre Stimme empfindsam weich mit zarten Piani, langen Bögen, feinen Zwischentönen und sicheren Koloraturläufen ein, um sie dann aber auch immer wieder dramatisch und kraftvoll aufblühen zu lassen.
In der Partie des Roberto Leicester, dem Günstling, dem Mann zwischen den beiden um ihn und um die Macht rivalisierenden Königinnen, hin und her gerissen in seiner Loyalität, der mit seinem Eintreten für Maria das Todesurteil der eifersüchtigen Elisabeth provoziert, ließ Long Long seine technisch sichere, schmachtende und mit tenoralem Schmelz ausgestattete Belcanto-Stimme vernehmen, wobei ihm rein darstellerisch nicht allzu viel abverlangt wurde.
Die junge lyrische Mezzosopranistin Aebh Kelly, ein neues Mitglied des internationalen Opernstudios der Hamburger Staatsoper, sang Marias Vertraute Anna Kennedy mit einer warmen klaren Stimme, die aufhorchen ließ.
Alexander Roslavets gestaltete mit seinem gewohnt schön gesungenem profunden Bass die Partie des Talbot, bei dem Maria ihre letzte Beichte vor ihrer Hinrichtung ablegt. Der Bariton Gezim Myshketa als finsterer Lord Cecil, aufdringlicher und intriganter Berater Elisabeths, der sie bedrängt, endlich das Todesurteil Marias zu unterzeichnen, rundete das erstklassige Ensemble ab.
Auch der von seinem scheidenden Chordirektor Eberhard Friedrich einstudierte Staatsopernchor, ganz in schwarz gekleidet, sang vorzüglich und agierte ansprechend in seinen bedeutenden Szenen.
Nicht unerwähnt soll der Regie-Einfall bleiben, daß vor Beginn des ersten Aktes das Maria-Double, die Schauspielerin Sandra Gerling, vor den geschlossenen Vorhang trat und Marias letzten Brief an Elisabeth rezitierte. Vor Beginn des zweiten Aktes trat das Elisabeth-Double, Katja Danowski, vor den Vorhang und rezitierte Elisabeths Antwort auf die Petition des Parlaments, das Todesurteil für Maria endlich zu unterzeichnen.

Das Philharmonische Staatsorchester unter der Leitung von Antonino Gogliani hatte einen guten Abend, konnte sich entfalten, spielte temperamentvoll, lebendig und kostete die belcanteske Seite von Donizettis eleganter Komposition wunderbar aus.
Einhellige Zustimmung für diese Premiere gab es am Ende vom begeisterten Publikum. Ein triumphaler Abend war es besonders für die Königinnen Ermonela Jaho und Barno Ismatullaeva.