Hamburgische Staatsoper, LA FANCIULLA DEL WEST, G. Puccini, IOCO

Hamburgische Staatsoper, LA FANCIULLA DEL WEST, G. Puccini, IOCO
Ensemble ©Brinkhoff-Moegenburg

Aufführung 21. 3. 2025

von Wolfgang Schmitt

„La Fanciulla del West“ ist Giacomo Puccinis (1858-1924) siebente Oper, komponiert 1910, basierend auf dem Schauspiel „The Girl of the Golden West“ von David Belasco, und uraufgeführt am 10. Dezember desselben Jahres an der New Yorker Metropolitan Opera unter der Leitung von Arturo Toscanini mit Emmy Destinn, Enrico Caruso und Pasquale Amato in den Hauptpartien.

Puccini selbst hatte „La Fanciulla del West“ als die Beste seiner Opern bezeichnet. Die Musik ist reich an Emotionen und Melodien, die die Charaktere und ihre Konflikte eindrucksvoll unterstreichen. Die Oper erzählt die Geschichte von Minnie, die in einer kleinen Goldgräberstadt in Kalifornien einen Western-Saloon betreibt und sich in den Banditen Dick Johnson verliebt.

Claudio Sgura/Rance, Anna Pirozzi/Minnie, Gregory Kunde/Johnson ©Wolfgang Radtke

Im Rahmen der „Italienischen Opernwochen“ wurde diese mittlerweile 10 Jahre alte Inszenierung in einer ausgefeilten Personenregie von Vincent Boussard, dem Bühnenentwurf von Vincent Lemaire, und den bunt gemischten Kostümen von Christian Lacroix wiederaufgenommen.

Die Bühne kam mit spärlicher Dekoration aus, mit einem langen Balken als Tresen, ein paar Bierkisten und Fässern im ersten Akt und einem abstrakten Bühnenhintergrund, der bei grünlicher Ausleuchtung einen Wald (Lichtgestaltung von Guido Levi), oder blaugrau angestrahlt mit etwas Phantasie die Rocky Mountains darstellen könnten. Vom Bühnenhimmel baumelten aufgehängte Puppen. Minnies Hütte in leichter Schräglage im zweiten Akt beherbergte, nicht so ganz passend, einen überdimensionalen Kronleuchter, einen Tisch und zwei Stühle, später eine Matratze, auf der das Pokerspiel stattfand, im Hintergrund eine Treppe, die ins Nichts führte und ihr als Bücherregal diente, und auf der sich Johnson vor Rance zu verstecken versuchte. Die Bühne im dritten Akt war leer bis auf den abstrakten Hintergrundprospekt und eine Leiter, die hinauf in den Bühnenhimmel reichte.

Ihr Haus-Debüt an der Hamburger Staatsoper – und gleichzeitig ihr Rollendebüt – gab am 21. März die aus Neapel stammende Sopranistin Anna Pirozzi als die robust wirkende, Pistolen schwingende Schankwirtin Minnie, Chefin des Saloons „La Polka“, in Jeans über dem weinroten Kleid und dem schwarzen Herrenmantel. Eine resolute junge Frau, die sich in dieser rauhen Männerwelt von zwielichtigen Goldsucher-Gestalten durchaus zu behaupten weiß, und der man eigentlich gar nicht abnimmt, daß sie noch nie geküsst worden ist.

Mit ihrer einnehmenden Bühnenpräsenz und ihrem für diese Partie perfekten dramatischen Sopran überzeugte sie gleich von Beginn an mit ihrem forschen ersten Auftritt im Saloon. Ihre Stimme hat alles, was man sich für eine Partie wie die der Minnie wünscht: einen durchschlagskräftigen Sopran mit strahlendem Höhenregister und sicheren, nicht allzu scharf klingenden Spitzentönen, eine warme Mittellage, die berührt und die ihre Empfindungen ausdrücken kann, sei es bei der Bibelstunde oder beim Bemitleiden einiger der unglücklichen entwurzelten Goldsucher, oder ihre bittere Enttäuschung darüber, als sie die wahre Identität von Dick Johnson erfährt. Mit zarten Phrasierungen sang sie ihre beiden kleinen Arien im ersten Akt, „Laggiù nel Soledad“ und „Io non son que una povera fanciulla“. Ebenso sanft klang sie in der Duettszene mit Johnson im zweiten Akt. Auftrumpfend und kämpferisch dagegen während des Pokerspiels mit Sheriff Rance, bei dem es um Leben und Tod ging. Auch die Schlußszene, in der Minnie ihren großen dramatischen Auftritt hat und Dick Johnson vor der Lynchjustiz rettet, hatte etwas anrührendes, wenn sie sich vom Sheriff Rance und den trauernden Goldgräbern verabschiedet und mit Johnson im Bühnenhintergrund verschwindet, einer Zukunft hoffentlich mit Happy-End entgegen.

Archivphoto 2. Akt © Brinkhoff-Moegenburg

Claudio Sgura war dieser Sheriff Jack Rance mit seinem warm timbrierten, virilem Heldenbariton. Ein finsterer, hartherziger Mann von großer schlanker Gestalt, der sich Minnie gegenüber machohaft und fordernd verhielt, der jedoch auch seine melancholische Seite offenbarte, wenn er in seiner Arie im ersten Akt, „Minnie, dalla mia casa son partito“, ihr von seiner Heimat und seiner Einsamkeit berichtete und durch Minnies Ablehnung zutiefst gekränkt war.

Ein weiteres erfolgreiches Rollendebüt gab Gregory Kunde als Dick Johnson alias Bandit Ramerrez. Sein Heldentenor klingt noch immer frisch und kraftvoll mit gut sitzender Höhe, und seine wunderbar vorgetragene Arie im dritten Akt „Ch'ella mi creda“ bescherte ihm denn auch den Jubel des Hauses. Darstellerisch gab er sein Bestes, wenngleich er rein vom Typ her weder den zu fürchtenden Banditen Ramerrez noch den Latin Lover verkörperte und neben der kräftigen Minnie und dem hochgewachsenen Rance recht schmächtig wirkte, sondern eher den guten Menschen darstellte, dessen kriminelle Vergangenheit im zweiten Akt „in Minnies Hütte gestorben war“.

Stellvertretend für die zahlreichen kleineren Partien sei zunächst Aebh Kelly als Wowkle, Minnies Bedienstete genannt, die zu Beginn des zweiten Aktes das Wiegenlied „Il mio bimbo“ zum Besten gab, sodann David Minseok Kang als Jake Wallace mit seinem Arioso „Che faranno i vecchi miei“, Grzegorz Pelutis mit seinen verzweifelten Rufen „Non reggo piu ragazzi“, sowie Andrew Dickinson als Barmann Nick, Han Kim als Wells-Fargo-Agent Ashby, und Tigran Martirossian als Sonora, der sich Hoffnungen auf Minnies Gunst machte.

Puccinis „La Fanciulla del West“ ist eine faszinierende Komposition, äußerst stilvoll, opulent und vielfältig. Seine Melodien sind, typisch für seinen Stil, oft lyrisch und emotional. Er experimentiert mit Harmonien, nutzt chromatische Progressionen, um Spannung und Dramatik zu erzeugen. Die rhythmische Struktur in der Oper ist oftmals unregelmäßig, er verwendet unterschiedliche Tempi, um die dramatischen Höhepunkte der Handlung zu betonen und die Emotionen der Charaktere hervorzuheben.

Das Ensemble und der Dirigent beim Schlußapplaus © Wolfgang Radtke

Unter der leidenschaftlichen Leitung des italienischen Dirigenten Antonino Fogliani setzte das bestens disponierte, präzise aufspielende Philharmonische Orchester alle diese Emotionen in einem vielfältigen Spektrum an üppigen Klangfarben um. Es illustrierte die melancholischen, filigranen Motive oder die dramatisch mitreißenden Momente des Bühnengeschehens mit einer enormen Ausdruckskraft, einem klanglichem Reichtum und einer unbeschreiblichen Eindringlichkeit, welche die Spannung den ganzen Abend über aufrecht erhalten konnte.

Die Staatsoper war an diesem Abend sehr gut besucht, wenn auch nicht völlig ausverkauft. Am Ende gab es frenetischen Applaus für sämtliche Mitwirkenden an diesem phantastischen Puccini-Abend, ganz besonders jedoch natürlich für die drei Hauptpartien und für den Dirigenten.

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