Hamburg, Staatsoper, MANON - Jules Massenet, IOCO
Jetzt endlich, am 26.5.2024, in Wiederaufnahme dieser Spielzeit, wird diese Manon-Inszenierung dargeboten wie es für 2021 vorgesehen war, und der Chor der Staatsoper, von Eberhard Friedrich einstudiert, kam szenisch zu seinem Recht und hatte seine großen Auftritte ......
von Wolfgang Schmitt
Die Neuinszenierung von Jules Massenets Manon stand damals unter einem unglücklichen Stern. Die Premiere war für den 24. Januar 2021 vorgesehen, mußte jedoch aufgrund des unsäglichen Corona-Lockdowns ausfallen und wurde dankenswerterweise vonseiten der Hamburger Staatsoper per Live-Stream und als Rundfunk-Übertragung angeboten.
Die Publikums-Premiere konnte dann am 2. Juni 2021 in der Staatsoper stattfinden, allerdings unter strikter Einhaltung der vorgeschriebenen Abstands-regeln. Das Orchester war ausgedünnt, der Chor war nicht mit auf der Bühne, sondern saß in den vorderen Logen des ersten und zweiten Rangs und sang von dort aus, wodurch es schon mal kleinere Koordinationsprobleme mit dem Orchestergraben gab.
Jetzt endlich, am 26.5.2024, in der Wiederaufnahme dieser Spielzeit, wird diese Manon-Inszenierung in der Regie von David Bösch so dargeboten wie es vorgesehen war, und der Chor der Staatsoper, von Eberhard Friedrich einstudiert, kam nun endlich auch szenisch zu seinem Recht und hatte seine großen Auftritte im ersten, dritten und vierten Akt.
Das groß besetzte Philharmonische Orchester präsentierte sich in absoluter Hochform unter der Leitung der jungen litauischen Dirigentin Giedré Slekyté, die ein großes Einfühlungsvermögen in Massenets anspruchsvolle Partitur bewies. Sie ließ das Orchester temporeich und beschwingt aufspielen, parierte wunderbar die sich im schnellen Rhythmus abwechselnden leichten zarten bis hin zu feurig dramatischen Passagen, brachte die Eleganz und den französischen Esprit brillant zur Geltung, so daß bei ihrer Lesart des Werkes keinerlei Wünsche offen blieben.
Elbenita Kajtazi bot in der Titelpartie der Manon mit ihrem strahlenden lyrischen Koloratursopran eine eindrucksvolle Interpretation sowohl des 16jährigen Mädchens, als auch des Glamour-Girls von großer Ausdruckskraft im dritten und vierten Akt. Sie führt ihre schön timbrierte Stimme mit einer Natürlichkeit und Leichtigkeit in den Koloraturen, beeindruckend perfekt in der Intonation, den Phrasierungen und den Intervallsprüngen. Anrührend und beseelt gelang ihr die Arie im zweiten Akt, „Adieu notre petite table“. Ihren Auftritt im Glitzerkleid als Nachtclub-Sängerin mit der Arie „Je marche sur tous les chemins“ absolvierte sie glamourös. Ihre Szenen mit Des Grieux klangen fröhlich, unbeschwert und heiter - „Nous vivrons à Paris, tous les deux“ - im ersten Akt, während die Duette im zweiten und dritten Akt - „N'est-de plus la main“, „Oui, c'est moi“ - und im finalen Bild hoch emotional gerieten.
Eine wahre Entdeckung ist der aus Samoa stammende Tenor Pene Pati, der als Des Grieux sein Debüt an der Hamburger Staatsoper gab. Groß und stämmig, mit einer leicht dunklen, in allen Lagen technisch perfekt sitzenden Stimme, erstaunte er das Publikum insbesondere mit den leisen zurück-genommenen lyrischen Passagen, fast säuselnd, um im nächsten Augenblick seine Stimme wieder dramatisch aufblühen zu lassen. Seine Arie „Ah fuyez, douce image“, so sanft und gefühlvoll vorgetragen, bescherte ihm dann auch gleich Ovationen. Auch in seiner Darstellung als leidenschaftlich liebender und verzweifelt leidender Des Grieux ließ er in seinen Szenen und Duetten mit Manon ebenfalls keine Wünsche offen.