Hamburg, Staatsoper, JENUFA - Leos Janacek, IOCO Kritik

Die eindringliche Jenufa-Inszenierung von Olivier Tambosi hatte schon vor 25 Jahren in der Hamburgischen Staatsoper Premiere, und es ist mittlerweile auch schon 10 Jahre her, als sie zuletzt auf dem Spielplan stand. Das Publikum war begeistert.

Hamburg, Staatsoper, JENUFA - Leos Janacek, IOCO Kritik
Hamburgische Staatsoper @ Kurt Michael Westermann

- EINE  MÄHRISCHE  TRAGÖDIE" -

von Wolfgang Schmitt

Erst mit seiner dritten Oper Jenufa wurde Leos Janacek der ersehnte Erfolg als Komponist  beschieden. Als Vorlage zu seiner Oper diente ihm das Schauspiel „Jeji pastorkyna“ („Ihre Ziehtochter“) von der tschechischen Schriftstellerin Gabriela Preissova. Er schrieb seine Komposition mit langen Unterbrechungen zwischen 1894  und 1903. 1904 fand die Uraufführung in Brünn statt,  erst 1916 wurde sie in Prag aufgeführt, 1918 in Wien in der deutschen Übersetzung von Max Brod, der in späteren Jahren vier weitere Janacek-Opern die Libretti verfaßte (Katja Kabanova, Das schlaue Füchslein, Die Sache Makropulos und Aus einem Totenhaus).

Diese eindringliche Jenufa-Inszenierung von Olivier Tambosi hatte vor 25 Jahren in der Hamburgischen Staatsoper Premiere, und es ist mittlerweile auch schon 10 Jahre her, als sie zuletzt auf dem Spielplan stand.

Nun ist sie wieder da, Janaceks spätromantische Oper, die aufwühlende Handlung von Tambosi detailgetreu erzählt in dem Einheitsbühnenbild, einem von hohen Holzwänden eingerahmten, nach hinten offenem Raum (von Frank Philipp Schlümann konzipiert, der auch die der damaligen Zeit entsprechenden Kostüme entworfen hatte)  mit dem großen Felsbrocken, im Hintergrund den Blick je nach Jahreszeit auf Brachland, Kornfelder oder rieselnde Schneeflocken freigebend.

Hamburgische Staatsoper - JENUFA hier Ensemble zum Schlussapplaus @ Wolfgang Radtke

Am 6. Januar '24 war es die 36. Aufführung seit 1998, und es ist sehr bedauerlich, daß die Staatsoper lediglich zur Hälfte ausverkauft war. Das Hamburger Opernpublikum scheint sich etwas schwer zu tun mit slawischen Opern, hier noch dazu in tschechischer Sprache. Ähnlich dürftige Platzausnutzungen erlebten wir in der Vergangenheit ebenfalls bei Katja Kabanova, Das schlaue Füchslein, Pique Dame, und selbst Eugen Onegin war nie völlig ausverkauft. Die Vorliebe der Hamburger Operngänger gilt wohl doch eher den italienischen Komponisten.

Ungeachtet dessen erlebten wir eine beeindruckende Aufführung mit einem hervorragend disponierten Philharmonischen Orchester unter der bewährten Leitung des tschechischen Dirigenten Tomás Netopil, einem Fachmann in Sachen tschechischer Komponisten, der die herrliche Musik Janaceks, spannend in den dramatischen Momenten, regelrecht aufblühen ließ, lyrische Passagen höchst feinfühlig und fast kammermusikalisch anging, den schillernden Farbenreichtum der Partitur expressiv und fast veristisch zu gestalten vermochte und besonders auch die folkloristisch anmutenden Teile der Komposition facettenreich und höchst klangsensibel herausarbeitete.

Ihr Hamburg-Debüt gab die junge amerikanische Sopranistin Laura Wilde in der Titelpartie der Jenufa. Sie bot von Beginn an eine anrührende Darstellung des verliebten und zurückgewiesenen jungen Mädchens, stimmlich anfangs verhalten und mit verschleierter Mittellage, ab dem zweiten Akt jedoch dramatisch aufblühend und mit leuchtenden Spitzentönen. Hoch emotional gestaltete sie ihr Gebet und die Schlußszene mit Clay Hilley als Laca, er mit seinem perfekt geführten dramatischen Tenor diese Partie des gutherzigen, empfindsamen, aber auch aufbrausenden Liebenden anrührend verkörperte.

Hamburgische Staatsoper - JENUFA hier Ensemble zum Schlussapplaus @ Wolfgang Radtke

Stimmlich überwältigend war die tschechische Sopranistin Eliska Weissová als Küsterin. Sie führt ihre dramatische Stimme kontrolliert und mit kraftvoller, nie nachlassender Intensität, und man hätte sich gewünscht, daß sie rein darstellerisch – als Mutter und als Mörderin – noch mehr aus sich herausgekommen wäre.

Dovlet Nurgeldiyev war als Stewa der leichtlebige, oberflächliche Sonnyboy, der froh ist, fürs Militär untauglich zu sein und betrunken tänzelnd seinen edlen lyrischen Tenor in allen Lagen glänzen und funkeln lassen konnte.

Janina Baechle war die blinde, statuarische alte Buryja, die jedoch stimmlich merkwürdig schwach blieb. Die weiteren Partien waren mit Tigran Martirossian als Altgesell, Han Kim als Dorfrichter, Olivia Warburton als seine Frau und Na'ama Shulman  als seine Tochter Karolka trefflich besetzt, ebenso Claire Gascoin als Barena und Yeonjoo Katharina Yang als Jano. Auch der Chor der Staatsoper, von Eberhard Friedrich perfekt einstudiert, agierte in seinen Szenen mit vokaler Kraft.

Am Ende gab es Jubel für alle Beteiligten zu dieser JENUFA Vorstellung

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