Hamburg, Staatsoper Hamburg, NORMA - Vincenzo Bellini, IOCO Kritik, 04.05.2023
NORMA - Vincenzo Bellini
- eine Druidengöttin in gallischer Tristesse -
von Wolfgang Schmitt
Die Premiere dieser Norma liegt bereits drei Jahre zurück, Aufgrund der Corona-Pandemie und des Lockdowns mußte die Staatsoper Hamburg gleich nach der B-Premiere geschlossen werden, so daß es erst jetzt, im April 2023 zu einer Aufführungsserie dieser ziemlich mißglückten Norma-Inszenierung kam.
Auf schwarzer Bühne steht ein grauer Wellblechcontainer in grellem Neonlicht und dient als Normas Wohnhaus, in dessen unterer Etage sie ihre beiden Kinder versteckt hält. Sie, die keusche gallische Druidengöttin, hat einen Liebhaber, den römischen Konsul Pollione, er ist der Vater dieser Kinder.
Die Protagonisten sind in hässliche Kostüme gewandet, schleichen langsam über die Bühne oder stehen meist vorn an der Rampe. Einige Tempeldienerinnen haben ein Stück weißes Papier im Mund, andere hantieren mit kleinen silbernen Hackebeilchen oder tragen eine größere Schale mit Kräutern herum. Weitere Statisten schleppen grüne Benzinkanister herbei, andere werden gefoltert oder deuten das Aufschlitzen der Pulsadern oder der Halsschlagader an.
Es macht wenig Sinn, was der Regisseurin Yona Kim zu Bellinis wunderbarer Belcanto-Oper eingefallen ist. Auch ihr Bühnenbildner Christian Schmidt hat außer einem schwarz-grünen Zwischenvorhang, der wohl den heiligen Hain darstellen sollte und der ständig auf und ab bewegt wurde, nicht viel Kreativität bewiesen, ebenso wenig Falk Bauer, der für die grässlichen Kostüme verantwortlich zeichnete. Dieses Regie-Team wurde bei der Premiere vor drei Jahren denn auch gnadenlos von der Bühne gebuht.
Die musikalische Seite sah am 30. April 2023 jedoch recht erfreulich aus. In der Titelpartie der Norma debütierte Barno Ismatullaeva, Foto oben, eine junge Sopranistin aus Taschkent in Usbekistan, die mit einer klangschönen wandlungsfähigen Stimme aufwartete, die sie sowohl weich und empfindsam mit zarten Piani, feinen Zwischentönen, langen Bögen und sicheren Koloraturläufen wie in der Bravour-Arie „Casta Diva“, dann aber auch wieder dramatisch aufblühend einzusetzen verstand. Im Zusammenklang mit Adalgisa kontrastierte ihr leuchtender Sopran wunderbar mit der angedunkelten Stimme von Karine Deshayes. Diese sang die Partie der Novizin Adalgisa mit ihrem warm klingenden, sicher geführtem Mezzosopran. Im großen Duett „Mira, o Norma“ im zweiten Akt verschmolzen diese beiden schön timbrierten Stimmen harmonisch zu reinstem Wohlklang, insbesondere auch in den wunderbar sauber gesungenen a-capella-Passagen.
Als römischer Konsul Pollione überzeugte Najmiddin Mavlyanov mit seinem markanten, durchsetzungsfähigen Heldentenor bei flexibler Tongebung und fein nuanciertem Gesang in den Duetten sowohl mit Norma als auch mit Adalgisa. Seine Arie „Meco all'altar di Venere“ gestaltete er kernig und krönte sie mit strahlenden Spitzentönen. Darstellerisch setzte er alles daran, trotz seines machtvollen Auftretens die Zerrissenheit des Charakters zu verdeutlichen, wenn er sich zu Adalgisa bekennt, jedoch andererseits noch Gefühle für Norma zu haben scheint. Das Terzett „No, non tremare, oh perfido“ am Ende des ersten Aktes geriet denn auch energetisch und spannungsgeladen..
Die Stärken von Tigran Martirossian liegen eindeutig in den Basso-Buffo-Rollen. Sein Oroveso war akzeptabel, wenngleich man sich für diese Partie des Oberhaupts der Druiden und Vaters der Norma eine profundere, schwärzere Bass-Stimme gewünscht hätte. Seungwoo Simon Yang in der kleinen Partie des Flavio setzte seinen schön timbrierten lyrischen Tenor kraftvoll ein, und die Mezzosopranistin Renate Spingler komplettierte in der rein darstellerisch aufgewerteten Partie der Clothilde das Solistenensemble.
Der von Eberhard Friedrich einstudierte Chor klang präzise, differenziert und wunderbar ausgewogen, in der Schlußszene höchst eindrucksvoll und bildete in den roten Roben doch noch einen Farbtupfer in der ansonsten dunklen Tristesse.
Das Philharmonische Orchester wurde von Giampaolo Bisanti geleitet und bot großenteils Belcanto in schönster Form.. Er ging die Ouvertüre zunächst recht langsam an, steigerte das Tempo jedoch und brachte die Musik wunderbar nuanciert zum Fließen, setzte dramatische Impulse und konnte einen Spannungsbogen den ganzen Abend über formen und aufrecht erhalten. So ward man an diesem Abend zumindest musikalisch versöhnt, legte über die Inszenierung und das Bühnenbild den Mantel des Schweigens und blendete beides aus.