Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO

Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO
Hamburgische Staatsoper copyright Kurt Michael Westermann

17. 11.  Premiere

 

Als zweite Premiere der Spielzeit 2024-25 stand an der Hamburgischen Staatsoper Carl Maria von Webers „Freischütz“ auf dem Programm, diese romantische deutsche Oper, welche Natürliches mit Übernatürlichem verbindet und welche so einige Opern-Hits aus dem Wunschkonzert beinhaltet.

Die Erwartungen waren hoch, doch nach der sensationellen Saison-Eröffnungspremiere „Trionfi“ von Carl Orff im September fiel diese Neuinszenierung in der Regie von Andreas Kriegenburg eher enttäuschend aus.

In der Handlung der Oper geht es um die Schönheit des Waldes, um den Pakt mit dem Teufel, um einen mitternächtlichen Spuk in der Wolfsschlucht, um die zarte Liebe eines treuen Jägerburschen zu  einer reinen Försterstochter. Es geht um das Vergnügen der Männer bei der Jagd, oder um das Blasen des Waldhorns, und um volkstümliche Melodien wie dem Jägerchor und dem Chor der  Brautjungfern, es geht um Märchenhaftes – und um Klischees.

Und natürlich siegt am Ende das Gute, ein Happy-End für die jungen Liebenden inbegriffen, und das Böse bzw. der böse Caspar bekommt seine gerechte Strafe.

Der Bühnenbildner Harald B. Thor hatte die Idee, den schönen Wald in einer bereits verarbeiteten Form zu präsentieren: das Bühnenbild bestand zunächst aus drei beweglichen Bretterwänden, die sich verschieben ließen, wobei die hintere Bretterwand sich auch noch umdrehen ließ und den Blick in Agathes Jungmädchenzimmer mit breitem Bett, Tisch, Stühlen, Kommode, Jesus-Kreuz und Ahnengemälde freigab. Durch ein Fenster blickte man in den Wald, eine Tür rechts führte ins Bad.

Tische und Bänke wie bei einem Dorfschützenfest wurden von Choristen und Statisten herein und wieder heraus getragen. In der Wolfsschlucht-Szene verengte sich die dunkelrot erleuchtete Bühne (Lichtregie von Andreas Grüter). Caspar wurde von Samiels Mannen auf einer großen runden Scheibe hochgestemmt und goß dort oben die sieben Kugeln – eine wackelige Angelegenheit, wie gut daß er dabei nur zu sprechen hatte.

Johan Reuter /Caspar, Maximilian Schmitt /Max, und Clemens Sienknecht /Samiel copyright Brinkhoff/Moegenburg

Einige weitere Regie-Einfälle gab es, z. B. gleich während der Ouvertüre, wenn Agathe den Eremiten aufsucht, ihm Lebensmittel bringt und er ihr die weißen Rosen überreicht, oder wenn der deprimierte Max von seinen schadenfrohen Mitstreitern an eine Bank gefesselt wird und mittels einer Querstange wie ans Kreuz genagelt aussieht. Ansonsten bleibt alles wie gehabt, eine solide traditionelle Freischütz-Inszenierung ohne weitere außergewöhnliche Auffälligkeiten oder revolutionäre Ideen. Daß Samiel von Beginn an auf der Bühne steht ist auch nicht neu. Daß er aber mit weiß geschminktem Gesicht im schwarzen Anzug ziemlich geckenhaft über die Bühne tänzelt und mit hoher Fistelstimme spricht, war neu, wirkte ziemlich albern und keinesfalls bedrohlich, was die schauspielerische Leistung von Clemens Sienknecht allerdings nicht herabwürdigen soll.

Die von Andrea Schraad entworfenen Kostüme für Agathe, Ännchen und die Brautjungfern, weiße Spitzenkleidchen, waren nett anzusehen, auch die bräunlich-grünen Jägeruniformen der Choristen sahen recht zünftig aus. Die giftgrünen Schattierungen der Anzüge von Caspar, Cuno, Kilian und Ottokar wirkten jedoch ziemlich grotesk, zumal die Gesichter dieser Herren auch noch weiß geschminkt waren und den Eindruck erweckten, sie seien gerade einer „Punch-and-Judy-Show“ entsprungen.

Immerhin sah Max in seinem dunkelgrauen Anzug und sogar mit weißem Hemd und Schlips recht ansprechend aus. Maximilian Schmitt war dieser Max, der seine unglückliche Stimmung aufgrund seines schlechten Abschneidens beim Schießen sowohl darstellerisch als auch stimmlich mit seinem noch nicht wirklich heldischen Tenor treffend zum Ausdruck bringen konnte, trotz einiger kleiner stimm-technischer Ungenauigkeiten.

Johan Reuter als sein Gegenspieler Caspar, der ebenfalls um Agathe warb, die sich jedoch für Max entschied, und der nun auf Rache sinnt, gab sich alle Mühe, das Dämonische seiner Partie herauszustellen, was ihm sowohl von seinem wenig bedrohlich klingenden Stimmtimbre her, als auch letztlich aufgrund seiner Verkleidung im giftgrünen Kostüm und dem clownesk geschminkten Gesicht nicht so recht gelingen wollte. Wenn der Regisseur im Programmheft jedenfalls davon sprach, die Charaktere in ihrer Psychologie und Komplexität porträtieren zu wollen, so hat er dieses Ziel auch aufgrund der bizarren Aufmachung der Protagonisten nicht wirklich erreicht. 

Recht störend und die Spannung abbauend waren auch die Regie bedingten, viel zu langen Dialoge und Zwischentexte.

Julia Kleiter /Agathe und Maximilia Schmitt /Max copyright Brinkhoff/Moegenburg

Julia Kleiter sang die Agathe mit virtuos eingesetztem, warm klingenden lyrisch-jugendlichen Sopran. Von der Regie wurde sie wenig gefordert, blieb recht statuarisch, wenn man davon absieht, daß sie sich in einer Szene hinter den Vorhang zu verstecken hatte oder mal kurz ins Bad verschwinden mußte.

Ein wahres Temperamentsbündel war dagegen  Aline Wunderlin als Ännchen. Natürlich war es ihre Aufgabe, ihre traurige Cousine aufzuheitern, und so spulte sie die gesamte Palette des kecken, lustigen, quirligen Soubretten-Repertoires ab. Ihre von der Regie auferlegten gurrenden und stotternden Laute wären allerdings nicht notwendig gewesen. Stimmlich bot sie einen wunderbaren Kontrast zu Agathe, brillierte in ihren beiden Arien mit perfekter Stimmführung und ein paar extra eingelegten Spitzentönen, so daß sie am Ende den größten Publikumserfolg für sich verbuchen konnte.

Eine wahre Wohltat war die Arie des Kilian, „Schau der Herr mich an als König“, schön gesungen von dem jungen lyrischen Bariton William Desbiens, einem neuen Mitglied des Opernstudios der Staatsoper, nachdem zuvor, gleich nach der Ouvertüre, die Chordamen mit minutenlangem Gackern, Schnattern, Kiechern und Gurren – von der Regie auferlegt - die Nerven der Zuhörer arg  strapazierten.

Ansonsten sang der von Christian Günther einstudierte Staatsopern-Chor präzise und klangschön, besonders die „Brautchor“-Damen beim „Winden des Jungfernkranzes“, während das Highlight der Oper, der „Jägerchor“, überraschend seicht und verhalten dargeboten wurde.

Der junge Bass Hubert Kowalczyk in der Rolle des alten Erbförsters Kuno mußte sich, am Krückstock gehend, in spastischen Verrenkungen ergehen. Han Kim als Eremit im langen weißen Gewand mit langen weißen Haaren hatte weder die Ehrfurcht gebietende Persönlichkeit noch die bassige Fülle für diese kurze aber prägnante Partie. Andrzej Dobber ergänzte das Ensemble als Fürst Ottokar.

Yoel Gamzou leitete das Philharmonische Staatsorchester mit sicherer Hand, wobei seine Tempi recht gewöhnungsbedürftig waren. Die Ouvertüre, die bereits viele der musikalischen Höhepunkte der Oper zusammenfaßt, wurde recht pathetisch angegangen, gewann schließlich an Tempo, und so ging es im Laufe des Abends abwechselnd weiter zwischen manchmal schwermütiger Romantik und dann wieder rasanten energetischen Passagen. Doch es gab immer mal wieder auch sanfte, sensible Momente und leichte volkstümliche Klänge. Einem Teil des Premierenpublikums gefiel seine Behandlung der Partitur nicht und er erntete am Ende kräftige Buhs.

Ensemble Schlußapplaus copyright Wolfgang RADTKE

Ansonsten war das Publikum ziemlich gnädig mit den Ausführenden. Es gab wenige Buhs fürs Regieteam, Zustimmung besonders für Agathe und Max, und Ovationen fürs Ännchen.

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