Hamburg, Staatsoper, CAVALLERIA RUSTICANA / I PAGLIACCI, IOCO
CAVALLERIA RUSTICANA / I PAGLIACCI: Die „Italienischen Opernwochen“ an der Staatsoper Hamburg wurden fortgesetzt mit den beiden Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggiero Leoncavallo......
von Wolfgang Schmitt
Die „Italienischen Opernwochen“ wurden fortgesetzt mit den beiden erfreulich klassisch in Szene gesetzten Kurzopern von Pietro Mascagni und Ruggiero Leoncavallo.
Eine wahre Wohltat fürs Auge war diese auch für die damalige Zeit ungewohnt konventionelle Inszenierung von Star-Regisseur Giancarlo del Monaco schon bei ihrer Premiere im Januar 1988, und sie ist es auch heute noch nach 36 Jahren. Das wunderschöne, von Michael Scott geschaffene Bühnenbild stellt einen süditalienischen Dorfplatz dar mit einer Reihe schmaler gelblich-weißer Häuserfronten mit kleinen Balkons und grünen Fensterläden, die sich öffneten, wenn der Chor involviert war. Dieses Bühnenbild dient gleich für beide Opern, nur wenige Umbauten sind nötig.
In Cavalleria wurde der Dorfplatz ergänzt durch einige Treppenstufen, die sanft zum Portal des Gotteshauses anstiegen, auf denen sich die sonntäglichen Kirchgänger – gemäß sizilianischer Sitten und Gebräuche – streng nach Geschlechtern getrennt bewegten und in schwarz gekleidet waren.
Buntes Treiben herrschte dagegen beim I Pagliacci, was die Vorstellung der soeben angekommenen und sich auf dem Dorfplatz niederlassenden Gauklertruppe betraf.
In diesen beiden Dorfidyllen spielen sich nun die gleichen blutig endenden Tragödien ab: hier die Rache der von Turridu verschmähten Santuzza, die, als durch ihren Verrat das Unheil seinen Lauf genommen hat, unter der Last ihrer auf sich geladenen Schuld zusammenbricht. Und dort der von Nedda zurückgewiesene und verachtete Tonio, der am Ende triumphierend den von ihm inszenierten Racheplan verwirklicht sieht.
Eine Glanzleistung an sängerischer und schauspielerischer Intensität bot Ekaterina Gubanova in der Partie der Santuzza. Sie stellte die von der Dorfgemeinschaft ausgestoßene tragische Figur anrührend dar. Traumhaft schön und ausdrucksstark klang ihr Gebet, grandios und mit perfekter Stimmführung sang sie wehmütig ihre Romanze „Voi lo sapete o Mamma“. Ihren edel timbrierten Mezzosopran mit der klangvollen warmen Mittellage und dem sattem Tiefenregister setzte sie zunächst verführerisch in ihrer Szene mit Turiddu ein, später sprühend vor Energie bei ihrer Auseinandersetzung und ihrem ihm entgegen geschleuderten Racheschwur.
Eine gute Figur machte Marcelo Puente in der Partie des Turiddu, den er gekonnt als draufgängerischer Macho anlegte. Sein viriler baritonal eingefärbter Tenor klang anfangs bei der „Siciliana“ aus dem Off angestrengt und nicht fokussiert. Das Trinklied brachte er achtbar und temperamentvoll mit Schmelz über die Runden, während er in seiner letzten anrührenden Szene, seinem Abschied von der Mutter, stimm-technische Probleme offenbarte und ein unschönes Höhenvibrato produzierte.
Mit seinem Auftrittslied „Il cavallo scalpita“ präsentierte George Petean als Alfio seinen prachtvollen Heldenbariton, gab sich darstellerisch autoritär gegenüber Turiddu, als gehörnter Ehemann Lolas ziemlich cholerisch, ansonsten wurde ihm von der Regie jedoch nicht allzu viel abverlangt.
Ida Aldrian war eine kokett sich gebende Lola, während Renate Spingler als Mamma Lucia recht eindringlich die Gefühlskälte gegenüber Santuzza zeigte. Ihre Stimme war die hellste von den drei Mezzo-Partien dieses Einakters.
Der von Eberhard Friedrich einstudierte Chor klang großartig beim sonntäglichen Kirchgang, insbesondere in der Gebet-Szene mit Santuzza.
Daniele Callegari leitete das Philharmonische Orchester wunderbar einfühlsam, war den Solisten ein rücksichtsvoller Begleiter, und das wunderschöne Intermezzo geriet zu einem musikalischen Glanzstück.
Auch beim Pagliacci gelang es Daniele Callegari, Leoncavallos meisterlich orchestrierte, farbenreiche Partitur glutvoll und mit berauschender Klangsinnlichkeit auszuleuchten. Die Bühne wurde leicht verändert, die Häuserreihe blieb, die Stufen waren verschwunden und man hatte nun einen größeren Marktflecken, der festlich beleuchtet und auf dem die Holzbühne für die Gauklertruppe errichtet wurde.
Beschwingt ging es los mit der Ouvertüre, dann trat George Petean, elegant im Frack wie ein Zirkusdirektor gekleidet, vor den Vorhang und sang einen markant und eindringlich gestaltenden, wunderbar phrasierten Prolog, der ihm den ersten Szenenapplaus bescherte.
Als ein temperamentvoller, hoch intensiver Darsteller des Canio, gepaart mit seiner glänzenden stimmlicher Verfassung, präsentierte sich Vittorio Grigolo. Zwar ist er der Spaßmacher auf seiner kleinen bescheidenen Bühne im fröhlichen Harlekin-Kostüm, der jedoch ahnt, daß seine Nedda ihm untreu ist, was ihn in seiner Verzweiflung und seinem gekränkten Mannesstolz schließlich zur Raserei bringt und ihn am Ende zum Doppelmörder werden läßt. Mit seinem hell timbrierten, kraftvollen und ausdrucksstarken Tenor begeisterte er sogleich in seinem ersten Auftritt „Un grande spectaccolo“ und in der Arie „Un tal gioco“. Sein „Recitar - Vesti la giubba“ mit dem herzzerreißenden „Ridi Pagliaccio“, gestaltete er besonders anrührend und verlieh seiner eindringlichen Interpretation Nachdruck durch gutes Schauspiel.
Seine Nedda war Anna Princeva, die diese Partie bereits an der Londoner Covent-Garden-Oper und in Sydney gesungen hat und die mit ihrer Darstellung auf ganzer Linie überzeugen konnte. Ihr farbenreicher, warmer Sopran wird in allen Bereichen sicher geführt und hat einen zarten reinen Klang. Im Vogellied brillierte sie mit herrlich strahlenden Spitzentönen. Ihrer Mittellage kann sie wunderschöne melancholische Töne abgewinnen, und auch darstellerisch gefiel sie als selbstbewußte junge Frau - die sich aus ihrem Ehejoch zu befreien gedenkt - durch ihr Temperament und ihre Spielfreude. Ihre handgreifliche Konfrontation mit dem in sie verliebten Tonio, dem sie einen Peitschenhieb versetzt, war spannend, zumal George Petean sowohl stimmlich als auch in seiner Darstellung den Verrat und seine Rache dramatisch unterstreichen konnte.
Nicholas Mogg war Neddas schwärmerischer Liebhaber Silvio, der mit seinem klangschönen lyrischen Bariton und seiner Ausstrahlung die perfekte Besetzung von Neddas jungen Geliebten war und mit ihr ein wunderschön gestaltetes Liebesduett „A quest' ora“ sang.
Als Beppe hatte Seungwoo Simon Yang ein paar Tanzeinlagen zu bewältigen, bis er schließlich auf einem der Balkons mit tadelloser Stimmführung seine kleine wirkungsvolle Tenor-Arie „O Colombina“ vorführen konnte.
Der hervorragend disponierte, in bunter Straßenkleidung kostümierte Chor präsentierte sich prächtig und klang wunderbar ausgewogen, auch der Kinderchor belebte die Bühne bzw. den Dorfplatz und sorgte für heitere Stimmung.
Es war die 76. Vorstellung dieser beiden Opern von Mascagni und Leoncavallo seit 1988, und gemessen an dem begeisterten Jubel des Publikums dürften sie gern noch Jahre oder Jahrzehnte im Repertoire der Staatsoper verbleiben.