Hamburg, Opernloft, HANS UND GRETE - frei nach Engelbert Humperdinck, IOCO Kritik, 15.06.2023

Hamburg, Opernloft, HANS UND GRETE - frei nach Engelbert Humperdinck, IOCO Kritik, 15.06.2023
Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft
Hamburg Altona / OPERLOFT © Opernloft

Opernloft

HANS  UND  GRETE - frei nach Engelbert Humperdinck

- zu Engelbert Humperdincks brillanter Komposition - eine Geschichte über zwei ältere Menschen der Jetztzeit -

von Wolfgang Schmitt

In diesen Tagen feiert das Hamburger Opernloft sein 20jähriges Bestehen. Am 8. Juni 2023 luden die drei Intendantinnen Yvonne Bernbom, Susann Oberacker und Inken Rahardt zu einer großen Gala ein, auf der sie nostalgisch und charmant über ihre Anfänge berichteten, von der ersten Spielstätte in einer Diskothek im Stadtteil Eilbek mit der Debüt-Produktion „Die Zauberflöte“, von Touren und Abstechern ins Hamburger Umland, von der zweiten Spielstätte, einer Fabriketage in der Hamburger Neustadt, bis hin zum jetzigen wunderbaren Standort im Stadtteil Altona im alten Fährterminal direkt an der Elbe, wo das Opernloft seit 2018 residiert und in elegantem Ambiente ganz spezielle, interessante und ungewöhnliche Operninszenierungen bietet.

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Der Hamburger Kutursenator hielt die Laudatio, und einige Mitglieder des Opernloft-Ensembles, Aline Lettow, Rebecca Aline Frese, Ljuban Zivanovic und Lukas Anton sangen ein buntes Programm mit Arien aus Die Fledermaus, Die Zauberflöte, Im weißen Rössl, Madame Butterfly, La Traviata, Rigoletto, Don Giovanni, Hänsel und Gretel, Carmen, und Die lustige Witwe, sogar ein paar Hamburger Shanties wurden geboten. Es war ein herrlicher unterhaltsamer und vor allem informativer Abend, der zeigte, mit wie viel Ehrgeiz, persönlichem Engagement und viel Herzblut die drei Damen das Opernloft zu einer erfolgreichen Institution im Hamburger Kulturleben aufgebaut haben. Wir wünschen dem Leitungsteam weitere erfolgreiche Jahrzehnte, ein stets volles Haus insbesondere jetzt nach der flauen Corona-Zeit. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Opern-Bearbeitungen.

Im Spielplan des Opernloft befindet sich derzeit auch die am 11. Juni 2023 besuchte Inszenierung von  Hans und Grete, welche jetzt sogar für den „Hamburger Theaterpreis“ nominiert worden ist. Regisseurin Inken Rahardt hat sich zu Engelbert Humperdincks brillanter Komposition eine Geschichte ausgedacht über zwei ältere Menschen, die in einem Seniorenheim leben und an der Alzheimer-Demenz erkrankt sind.

Opernloft Hamburg / HANS UND GRETE hier das Ensemble © Inken Rahardt
Opernloft Hamburg / HANS UND GRETE hier das Ensemble © Inken Rahardt

Hans lebt schon länger  im Seniorenheim „Haus Waldfrieden“. Grete wird von ihrer Tochter und der Enkelin dorthin gebracht und im Nebenzimmer einquartiert. Auf der von ein paar morschen Baumstämmen umrahmten Bühne (Ausstattung von Claudia Weinhart) stehen zwei Krankenhausbetten. Links und rechts führen Treppen auf eine Empore. Grete, eine 'Grande Dame' mit großem rotem Hut, Sonnenbrille und Pelzmantel, wird von einer Pflegerin in Empfang genommen, ausgezogen und in eine praktische graue Jogginghose und graue Strickjacke gesteckt, ihre Habseligkeiten werden von der Pflegerin einkassiert.

Dargestellt wird der Alltag in einem Pflegeheim. Die nüchterne Art, wie die drei Pflegerinnen mit ihren Schutzbefohlenen umgehen, mal freundlich und liebevoll, mal ungeduldig und forsch, wie sie die Beiden mit Vorlesen, Singen, Tanzen, Backen unterhalten und beschäftigen, hat etwas beklemmendes. Während Tilman Birschel als Hans in seinem weinroten Bademantel  ein eher ruhiger und sanftmütiger Patient zu sein scheint, läßt Sylvia Bleimund als Grete ihren Emotionen, ihren Ängsten, ihrer Verlorenheit freien Lauf und fängt schon mal an zu schreien.

Auf eine transparente Gaze-Leinwand vor der Bühne werden Regentropfen wie Tränen, oder Blitze, Schmetterlinge, Nervenfasern des Gehirns projiziert, die die momentanen Stimmungen und Geistesverfassungen der Beiden unterstreichen sollen. Es gibt Übertitel, die über Alzheimer und Demenz und deren Verlauf informieren. Die Regisseurin hatte persönliche familiäre Erfahrungen mit dieser Krankheit, und so hatte sie die Idee, diese Thematik mithilfe von Humperdincks  Hänsel und Gretel auf der Bühne umzusetzen. Alles wird hier drastisch und realistisch dargestellt, so, dass einige ältere Besucher, für die das Ganze wohl zu „harter Tobak“ gewesen ist, den Zuschauersaal verließen.

Opernloft Hamburg / HANS UND GRETE hier das Ensemble © Inken Rahardt
Opernloft Hamburg / HANS UND GRETE hier das Ensemble © Inken Rahardt

Humperdincks Werk ist für diese Inszenierung „vollständig auseinandergenommen und neu zusammengesetzt“ worden, das heißt, die Gesangsnummern wurden der jeweiligen Handlung entsprechend variabel zugeordnet. Die Gesangspassagen der Hexe wurden von den Pflegerinnen gesungen, ebenso die Partie der Gertrud, während Hans in einer Szene die Arie des Besenbinders übernahm. Die kleinen Arien des Sand- und Taumännchens sangen die Pflegerinnen, während für Hans gleich in die Ouvertüre das Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ eingebaut wurde. Sehr berührend war auch Gretes eingefügter Vortrag von Mozarts „Abendempfindung – Abend ist's, die Sonne ist verschwunden“. Die Stimmen von Tilman Birschel und Sylvia Bleimund sind zwar nicht mehr „jugendfrisch“, aber wunderbar passend für diese beiden Rollen. Besonders anrührend sind die letzten Szenen der Beiden, wenn sie erst gemeinsam ihre Tabletten einnehmen und sich danach zusammen angekuschelt ins Bett legen – es könnte auch eine Überdosis gewesen sein.

Die drei Pflegerinnen wurden gesungen von Sophie-Magdalena Reuter mit strahlendem lyrischen Sopran, Rocio Reyes mit warm timbriertem jugendlichen Sopran, und Rebecca Aline Frese mit satter Alt-Stimme.

Der musikalischen Leiterin des Abends, Amy Brinkman-Davis, gelang es wunderbar, mit ihren beiden Mitstreitern Bethany Kutz am Horn und Tristan Xavier Köster am Cello aus Humperdincks umgebauter Partitur einen harmonischen, warmen Klang zu erzeugen und die Stimmungen zwischen dem leichtem Volkslied und den romantischen, meist jedoch unheilvollen Passagen klangschön und feinsinnig herauszuarbeiten.

Insgesamt ein bewegender, ungewöhnlicher und zum Nachdenken anregender Abend.

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Hamburg, Staatsoper, DER FREISCHÜTZ - C. M. von Weber, IOCO

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By Wolfgang Schmitt