Hamburg, Opernloft, DER RING DES NIBELUNGEN - frei nach Richard Wagner, IOCO Kritik, 19.04.2023
DER RING DES NIBELUNGEN - frei nach Richard Wagner
- Drei Schülerinnen - Lena, Emily, Paula - und Richard Wagners Tetralogie -
von Wolfgang Schmitt
Richard Wagners Ring des Nibelungen in 90 Minuten – geht das? Normal dauern Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung insgesamt 15 bis 17 Stunden, je nachdem, wie temporeich ein Dirigent die Werke angeht.
Das Hamburger Opernloft, direkt an der Elbe im Stadtteil Altona gelegen, hat das Kunststück, die Produktion fertiggebracht, am 14.4.2023 den Ring humoresk in 90 Minuten auf die Bühne zu bringen: In einer amüsanten Rahmenhandlung beschäftigen sich die drei Schülerinnen Lena, Emily und Paula mit Richard Wagner und seiner Tetralogie. Lena soll darüber ein Referat halten, ihre Freundinnen sollen helfen. Während Paula mit Wagner und seinem Ring schon ein wenig vertraut ist, gibt Emily ihre lustig-naiven Kommentare dazu ab und zieht Vergleiche zu Harry Potter oder zu irgendwelchen gerade aktuellen Fernsehserien. Doch schließlich machen sich alle drei mit Wagners Werk so richtig vertraut und schlüpfen in verschiedene Rollen der gesamten Handlung.
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Und so entstand eine auf neunzig Minuten gekürzte Fassung der wichtigsten Handlungsstränge in der ausgeklügelten, einfallsreichen Regie von Inken Rahardt unter Aussparung einiger Nebenhandlungen. Die Ausstattung besorgte Claudia Weinhart, die die gesamte Bühne mit vielen bunten Quadern bestückte. Auf der linken Seite, quasi als Lenas Zimmer, steht ein Hochbett mit diversen Requisiten, so wie man sie in einem Kinderzimmer vorfindet, u.a. ein Puppenhaus, welches als Walhalla dient. Die originellen und ideenreichen Zwischentexte für die drei Freundinnen als Verbindung der einzelnen Szenen schrieb Susann Oberacker.
Los geht es als Auftakt sogleich mit dem Motiv des Walkürenritts, und schon sind wir mitten in der Handlung, wenn die drei Freundinnen mit dem Rheingold in Form eines großen grünen, strassbesetzten Frosches spielen und in wunderschönem Dreiklang den Gesang der Rheintöchter anstimmen.
Paula ist die Altistin Franziska Buchner, sie singt die Passage des Alberich, der den Nixen das Rheingold bzw. den großen grünen Frosch wegnimmt, und plötzlich wird daraus ein großer bunter Hula-Hoop-Reifen, eben der „Ring des Nibelungen“. Mimes „Sorglose Schmiede“ wird von Lena gesungen. Doch dann kommt Wotan, ebenfalls von Paula dargestellt, der diesen Ring – nachdem er von Erda gewarnt wurde: „Weiche Wotan, weiche“ von Emily gesungen – an den Drachen Fafner weitergibt. Der Drachen ist hier eine lange grüne Stoffschlange.
Weiter geht es in der Handlung mit dem Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde, gesungen von Emily – der Mezzosopranistin Marie Sophie Richter, und Lena – der lyrischen Sopranistin Freja Sandkamm. Die als Siegmund intensiv agierende Emily glänzte mit ihrem hellen klaren Mezzo in „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ und mit „Winterstürme wichen dem Wonnemond“, übergehend in Sieglindes „Du bist der Lenz“, gefühlvoll mit funkelndem Höhenregister, warmer Mittellage und schönem Legato gesungen von Lena. Ihre Verliebtheit wurde von den Beiden mit einem großen roten Stoffherz fröhlich und niedlich dargestellt, und da die etwas mollige Emily in ihrer blaugrauen Latzhose etwa einen Kopf kleiner ist als die große schlanke Lena in ihrem rosa T-Shirt, gab das Zusammenspiel dieser ungleichen Zwillinge dem Ganzen noch eine spezielle vergnügliche Note. Nach Emilys „Siegmund heiß' ich – Nothung Nothung“ ging es dann in schönem Dreiklang mit „Hojotoho“ auf den Walkürenfelsen bzw. in das Hochbett, wo Lena, jetzt als Brünnhilde im roten T-Shirt mit aufgedrucktem Pferdekopf, von Wotan in den Schlaf geschickt wurde – „so ähnlich wie bei Dornröschen, bis einer kommt und sie wach küsst“. Paula singt Wotans Abschied „Leb wohl du kühnes herrliches Kind“ mit pastoser Alt-Stimme, dann ging es mit nochmaligem fröhlichen „Hojotoho“ in die Pause.
Danach ging es weiter mit Mimes Szene und Siegfrieds Schmiedelied „Nothung Nothung, neidliches Schwert“, stimmstark interpretiert von Emily, und zu Lenas hellem Gesang des Waldvogels, welcher Siegfried den Weg zu Brünnhilde zeigt. Nebenbei hatte er noch den Drachen getötet und den Ring an sich genommen.
Siegfried erreicht den Walkürenfelsen bzw. das Hochbett, in dem Lena als Brünnhilde darauf wartet, wach geküsst zu werden. „Was ruht dort schlummernd im schattigen Tann ? Ein Ross ist's ...“, Brünnhildes Stockpferdchen Grane. Lena stimmt Brünnhildes „Heil dir Sonne, heil du Licht“ an, wunderschön mit ihrer lyrischen Stimme vorgetragen. Siegfried, bewaffnet mit seinem silbernen Schwert und behangen mit dem getöteten Drachen und dem Hula-Hoop-Ring, sieht sich nun dem Machtmenschen Hagen gegenüber, der in den Besitz des Ringes gelangen will. Paula singt Hagens „Hier sitz' ich zur Wacht“ unheilvoll mit satter Alt-Stimme. Hagen kennt Siegfrieds verwundbare Stelle am Rücken und ersticht ihn hinterrücks. Schließlich singt Lena mit dramatischer Attacke und strahlender Höhe Brünnhildes Abgesang „Starke Scheite schichtet mit dort“, dann bricht sie über Siegfrieds Leichnam zusammen. Für Hagen hat der Besitz des Ringes ebenfalls kein Glück bedeutet; unter den Klängen des Schlußmotivs bricht auch er zusammen.
Die musikalische Leitung des Abends hatte die exzellente Pianistin Amy Brinkman-Davis, ihre Mitstreiter waren Bethany Kutz, sie spielte das Horn, und André Böttcher die Violine. Es war erstaunlich und überraschend, wie opulent diese drei Musiker die von Markus Bruker erarbeitete und eingerichtete musikalische Fassung des Werkes zu Gehör brachten, so daß man in diesem Rahmen ein großes Orchester gar nicht vermisste. Mit den drei Instrumenten gelang es ihnen, eine enorme Klangfülle und Klangdichte zu erzeugen, sei es bei den angespielten Motiven des Einzugs nach Walhalla, des Walkürenritts, Wotans Abschied / Feuerzauber oder beim Götterdämmerungs-Finale.
Höchst bewundernswert waren die drei Sängerinnen Freja Sandkamm (Lena) in den Partien der Sieglinde, Brünnhilde, des Waldvogels und des Mime, Marie Sophie Richter (Emily) als Erda, Siegmund und Siegfried, und Franziska Buchner (Paula) als Wotan, Alberich, Fafner und Hagen, nicht nur aufgrund ihrer wunderbaren Gesangsleistungen, sondern auch bezüglich ihres absolut natürlichen, heiteren darstellerischen Könnens und den nicht immer so ganz einfach einzuprägenden, die Handlung begleitenden und erläuternden Zwischentexten, die sie auf eine fröhlich-charmante Weise humorvoll deklamierten. Auch harmonierten ihre drei Stimmen phantastisch als Rheintöchter und als Walküren.
Das begeisterte Publikum im ausverkauften Opernloft überschüttete sämtliche Mitwirkenden am Ende dann auch mit Ovationen, und so sangen sie noch ein letztes „Hojotoho“ als Zugabe.