Hamburg, Operettenhaus, HAMILTON - Musical Lin-Manuel Miranda, IOCO Kritik, 10.10.2022
HAMILTON - Musical Lin-Manuel Miranda
Hip-Hop und Rap Musical über einen der Gründungsväter der USA
von Wolfgang Schmitt
Seit 2015 ist Hamilton am New Yorker Broadway der große Hit, ein absoluter Publikumsmagnet. Das Musical gewann in den letzten Jahren allein elf Tony-Awards, einen Pulitzer-Preis, und einen Grammy-Award fürs beste Musical-Album. Nun bringt das Operettenhaus im Hamburg die deutsche Erstaufführung des Musicals Hamilton.
Lin-Manuel Miranda, ein New Yorker Schauspieler, Sänger und Komponist mit Puerto-Ricanischen Wurzeln ist der Schöpfer dieses Musicals. Inspiriert wurde er hierzu durch die Lektüre einer Biographie, verfaßt vom Journalisten Ron Chernow, über Alexander Hamilton, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten und erstem Finanzminister unter Präsident .
Geboren und aufgewachsen in der Karibik, kam Alexander Hamilton in den 1770er Jahren aufgrund eines Stipendiums in die damals englische Kolonie Amerika nach New York und begann dort ein Jurastudium am King's College. Bei Ausbruch der nordamerikanischen Revolution schloß er sich dem Militär an, kämpfte für die Unabhängigkeit Nordamerikas von der englischen Krone und wurde bald Adjutant von General George Washington, dem Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee. Er heiratete Eliza, Tochter der wohlhabenden und einflussreichen Familie des Generals Philip Schuyler. Nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges wurde er Rechtsanwalt in New York, war an der Ausarbeitung der amerikanischen Verfassung beteiligt und wurde schließlich der erste Finanzminister der am 4. Juli 1776 neu gegründeten Vereinigten Staaten.
Das Wagnis, dieser über Amerika hinaus nicht wirklich bekannten historischen Person Alexander Hamilton ein Musical zu widmen, ihn quasi zu einer Musical-Ikone hochzustilisieren, noch dazu in Form eines Hip-Hop- und Rap-Musicals, ist dem Komponisten, Autoren und Texter Lin-Manuel Miranda mehr als nur gelungen, die Zuschauerzahlen und die Milliarden-Einspielergebnisse in Amerika, Australien und England beweisen dieses.
Nun ist dieses Musical also auch im deutschsprachigen Raum angekommen. Hamburg erlebte im ehrwürdigen Operettenhaus an der Reeperbahn eine glanzvolle Premiere, und es ist sicherlich nicht zu viel versprochen, daß diese Produktion sich zu einem Verkaufsschlager und musikalischem Dauerbrenner entwickeln wird, das Premierenpublikum und die Besucher der Previews waren jedenfalls einhellig begeistert von dem, was ihnen hier dargeboten wurde.
Für die deutsche Erstaufführung wurde eine deutsche Übersetzung von Sera Finale und Kevin Schroeder entwickelt, getextet und quasi maßgeschneidert, so daß die Übersetzung der fast 50 Songs auch paßte, sehr lebendig wirkte und so gut als möglich mit den Originaltexten übereinstimmte.
Die Premierengäste erlebten eine atemberaubende Show, inszeniert von Thomas Kail, mit grandiosen Sängern und Tänzern in stilvollen Kostümen (Paul Tazewell), die der damaligen Zeit entsprachen. Die Kulisse, ein monumentales Einheitsbühnenbild, dunkelrotes Gemäuer mit schweren Holzbalken, Treppen und Geländern, gestaltet von David Korins, wirkte wie eine riesige Fabrikhalle, stets geschickt und aufwendig ausgeleuchtet im Design von Howell Blinkley. Die großzügige Spielfläche mitsamt rotierender Drehbühne bot den Protagonisten vielfältige Aktionsmöglichkeiten, hier insbesondere auch während der raffinierten Choreogaphien von Andy Blankenbuehler bei den aufwendigen Militär- und Soldaten-Szenen.
Musikalisch ist Lin-Manuel Miranda`s Komposition eine Mischung aus Pop, Hip-Hop, und Rap mit leichten Jazz-Einflüssen, für die Hamburger Bühne arrangiert von Philipp Gras. Auch die eine oder andere gefühlvolle Ballade hob sich positiv aus dem gesamten Stück heraus.
Alle beteiligten Sänger und Tänzer dieses Premierenabends waren phänomenal, allen voran der junge Brasilianer Benét Monteiro in der Rolle des Alexander Hamiltion, dessen Charakter er stets treffend in allen seinen Gefühlsregungen, ob staatsmännisch hochfahrend oder als liebender Ehemann und besorgter Vater, schließlich als auf gewisse Art gescheiterter Politiker empfindsam porträtierte. Sein Gegenspieler Senator Aaron Burr war Gino Emnes, ein versierter Sängerdarsteller von viriler Ausstrahlung mit markantem Bariton, dem Hamilton am Ende unterliegt und von ihm in einem Duell erschossen wird. Charles Simmons war der autoritär sich gebende General und späterer Präsident George Washington, während Jan Kersjes vom Stimmtyp Charaktertenor in seinen beiden Auftritten als englischer King George III. in prächtigem Ornat mit Krone und Königsmantel dem Stück mit seinen beiden Couplet-artigen Pop-Songs eine humorvolle und komödiantische Note beisteuerte.
Als gefühlvolle und später leidende Eliza, Hamilton`s Ehefrau, glänzte Ivy Quainoo, expressiv und emphatisch in ihrer Darstellung. Ihre Schwester Angelica Schuyler, heimlich verliebt in Hamilton, war Chastity Crisp, eine hervorragende Sängerin mit fülliger Soul-Stimme und darstellerisch mit großem Einsatz. Die dritte Schuyler-Schwester, Peggy, war die aparte Mae Ann Jorolan, im zweiten Teil übernahm sie die Rolle der Maria Reynolds, mit der Hamilton ein Verhältnis anfängt, welches sich damals beinahe zu einer Staatsaffäre ausgeweitet hätte. Auch sie war stimmlich und darstellerisch ansprechend in diesen beiden eher kleinen Rollen.
Die weiteren Hauptpartien sangen und gestaltenen kompetent und impulsiv Daniel Dodd-Ellis im ersten Teil Lafayette, im zweiten Teil als Thomas Jefferson, der Rapper REDCHILD als Hercules Mulligan bzw. James Madison im zweiten Teil, sowie Oliver Edward zunächst als John Laurens, im zweiten Teil dann als Philip Hamilton, Elizas und Thomas Hamiltons Sohn, der ebenso wie später sein Vater in einem Duell erschossen wurde.
Auch die vielen Tänzerinnen und Tänzer, die sich hoch engagiert und wirkungsvoll mit ihren ausgefeilten und ausdrucksvollen Choreographien in die Inszenierung und ins Geschehen einbrachten, sollen an dieser Stelle Erwähnung finden, sie alle trugen wie die sämtlichen Protagonisten zum Gelingen und zum großen Publikumserfolg dieser deutschsprachigen Erstaufführung bei. Die Zukunft wird zeigen, ob sich „Hamilton“ tatsächlich ähnlich lange wie Der König der Löwen oder wie damals Cats im Hamburger Musical-Angebot halten wird, die Chancen stehen jedenfalls gut.
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