Hamburg, Opera Stabile, KANNST DU PFEIFEN, JOHANNA? - Gordon Kampe, IOCO Kritik
Kannst Du pfeifen, Johanna? : Der schwedische Schriftsteller Ulf Stark (1944 – 2017) schrieb vor allem Kinder- und Jugendbücher. 1992 erschien sein Kinderbuch „Kannst du pfeifen, Johanna?“, welches sogar verfilmt wurde und wofür Ulf Stark 1994 mit dem Deutschen Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
von Wolfgang Schmitt
Der schwedische Schriftsteller Ulf Stark (1944 – 2017) schrieb vor allem Kinder- und Jugendbücher. 1992 erschien sein Kinderbuch „Kannst du pfeifen, Johanna?“, welches sogar verfilmt wurde und wofür Ulf Stark 1994 mit dem Deutschen Literaturpreis ausgezeichnet wurde.
Grund genug für den Avantgarde-Komponisten Gordon Kampe (Jahrgang 1976), aus dieser Buchvorlage eine Oper für Kinder zu verfassen.
Uraufgeführt wurde „Kannst du pfeifen, Johanna?“ 2013 an der Deutschen Oper Berlin. Es folgten Aufführungen in Saarbrücken, München, Freiburg und Hannover.
Im Rahmen der „Opera piccola“- Aufführungen – Oper für Jugendliche und Kinder – hatte diese Kinderoper am 24. Februar 2024 nun ihre Premiere in der Opera Stabile der Staatsoper Hamburg.
In der Handlung geht es um eine generationsübergreifende Freundschaft der beiden Jungen Ulf und Berra mit Nils, der in einem Seniorenheim lebt.
Ulf hat zwar einen Opa, Berra jedoch nicht, was er sehr bedauert, denn mit einem richtigen Opa kann man Spaß haben, Abenteuer erleben, Karten spielen, Drachen bauen und steigen lassen, auf Kirschbäume klettern und mit Kirschkernen spucken, man kann mit ihm Geburtstag feiern und Torte essen. Also haben die beiden Jungs die Idee, für Berra einen Opa zu suchen, und wo könnte man solchen einen Opa finden? Na klar, in einem Altenheim.
Dort treffen sie auf Nils, der auch sofort bereit ist, sein Opa zu sein und mit den beiden Jungs alles zu unternehmen, was Spaß macht. Nils hatte eine Frau, die verstorben ist, sie hieß Johanna. Nils hat ein Lieblingslied, das heißt „Kannst du pfeifen Johanna“, und so pfeift er dieses Lied ständig. Berra kann nicht pfeifen, doch der Opa will es ihm beibringen. Als Berra endlich das Pfeifen gelernt hat und es dem Opa vorführen will, ist dieser nicht mehr da.
Die Spielfläche in dem intimen Raum der Opera Stabile wurde von zwei großen und zwei kleineren weißen Baiser-Hügeln dominiert, das Ganze umrahmt von schwarz-weißen Ziervorhängen (Bühnenbild und Kostüme von Lea Burkhalter und Anton von Bredow), hinter denen sich am Ende eine dunkle Schneelandschaft auftat.
Links von der Spielfläche sitzen die fünf Musiker, Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters – Kontrabass, Klarinette, Posaune, Klavier und Schlagzeug, geleitet von Luiz de Godoy – die der ohnehin recht strukturlosen und stilistisch merkwürdigen Partitur ziemlich schräge musikalische Effekte, Geräusch-Tupfer und lautmalerische Töne entlockten. Allerdings gab es auch Passagen, die mit etwas Phantasie an Kurt Weill erinnerten und manchmal im Fall der Klarinette an Klezmer denken ließen. Und immer wieder tauchte in unterschiedlichen Variationen der Schlager aus den 1920er Jahren auf: „Kannst du pfeifen, Johanna?“, komponiert und getextet von Max Hansen und damals gesungen von den Comedian Harmonists.
Was die Komposition Gordon Kampes ansonsten betrifft, so wurde man meist abgelenkt von der Aktion auf der Spielfläche und nahm die nicht immer dominierenden Klänge oftmals nur als Hintergrundgeräusch wahr, außer wenn die Solisten sangen: Karl Huml als Opa Nils mit melancholisch dunkel gefärbter Bass-Stimme, Grzegorz Pelutis als temperamentvoller Ulf mit kraftvollem, voll tönendem Bass-Bariton, und Ziad Nehme als Berra mit geschmeidigem lyrischen Tenor. Und es ist wirklich bewundernswert, wie die drei Sänger mit ihren diffizilen Partien klar kamen bei allem, was ihnen stimm-akrobatisch und interpretatorisch abverlangt wurde.
In ihrer Inszenierung arbeitet Maike Schuster wunderbar heraus, wie kindliche Neugier auf Erfahrung und Altersweisheit trifft. In den drei Protagonisten hatte sie agile, spielfreudige Darsteller: Ulf ist ein strammer kräftiger Junge, Berra wirkt dagegen schmächtig (und sein Vollbart paßte nicht so recht zu einem 10jährigen). Nils lebt richtig auf, wenn er mit den beiden Jungs fröhlich und ausgelassen Späße treibt, allerdings macht sich auch unterschwellig eine Melancholie bemerkbar, die erahnen läßt, daß er sich in der letzten Phase seines Lebens befindet. Während der Geburtstgsfeier von Nils wurde das Publikum animiert, in den Kanon „Viel Glück und viel Segen“ einzustimmen.
Zwei Kinder traten in stummen Rollen auf, ein kleines Mädchen als Johanna, wann immer Nils von seiner verstorbenen Frau erzählte und das Motiv des Schlagers angespielt wurde, sowie ein kleiner Junge im gleichen gestreiften Pyjama wie Nils ihn trug. Dieser Junge trat auf, als Nils bereits gestorben war, und er und das kleine Mädchen Johanna standen am Ende zusammen auf der Empore über der Spielfläche, quasi „im Himmel vereint“, während Ulf und Berra, nochmals das Lied von „Johanna“ pfeifend, einen roten Drachen mit Kirschenmuster steigen ließen.
Obwohl diese Oper als „Musiktheater für Kinder ab 6 Jahren“ angekündigt wurde, meinten einige Mütter, auch ihre zweijährigen Kinder mitbringen zu müssen, die allerdings nicht die ganzen 65 Minuten Spieldauer still sitzen und leise sein konnten und bei diesen diffusen Klängen und Geräuschen immer unruhiger wurden, was für die in der Nähe sitzenden Besucher ziemlich störend war.
Abschließend sei angemerkt, daß ein weiterer jüngerer Komponist aus Ulf Starks Kinderbuch „Kannst du pfeifen, Johanna?“ eine Oper komponiert hat: Alexander Stessin erhielt einen Kompositionsauftrag vom Theater Nordhausen, wo seine Opernversion ebenfalls 2013 - am 23. März - ihre Uraufführung erlebte, also noch bevor Gordon Kampes Oper in Berlin erstmals aufgeführt wurde. Alexander Stessins Kompositionsstil ist nicht der „Avantgarde“ zuzuordnen, er pflegt eher das Traditionelle, aber auf eine charmante und auch tiefgründige Art, bei ihm klingt es mehr in Richtung Engelbert Humperdinck. Seine Komposition erscheint daher für ein so junges Publikum eher geeignet. Alexander Stessins Version von „Kannst du pfeifen, Johanna?“ ist nach der Uraufführung in Nordhausen mittlerweile auch sehr erfolgreich an den Opernhäusern von Augsburg und Detmold inszeniert worden.
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