Hamburg, Opera stabile, DIE REISE ZUM MOND - Andrew Norman, IOCO Kritik, 22.02.2023
DIE REISE ZUM MOND - Andrew Norman
- Professor Barbenfouillis und Photograph Georges Méliès machen sich auf zum Mond -
von Wolfgang Schmitt
Der amerikanische Musiker Andrew Norman, Jahrgang 1979, gilt als einer der angesagtesten Komponisten der neueren Zeit. Für seine zeitgenössischen klassischen Orchesterstücke und kammermusikalischen Werke erhielt er bereits diverse Auszeichnungen wie den Pulitzer Preis und einen Grammy Award. Seine erste Oper, eine Oper für Kinder mit dem Titel Die Reise zum Mond (A Trip to the Moon), wurde 2017 unter der Leitung Simon Rattle in der Berliner Philharmonie uraufgeführt, und kurz darauf in der Londoner Barbican Hall mit dem London Philharmonic Orchestra ebenfalls unter Simon Rattle präsentiert. Die amerikanische Erstaufführung erfolgte 2018 in Los Angeles mit dem L.A. Philharmonic Orchestra unter der Leitung des jungen Dirigenten Teddy Abrams.
Für die Hamburgische Staatsoper erstellte Andrew Norman nun eine kammermusikalische Fassung dieses Werkes, von etwa 70 auf 55 Minuten gekürzt, welche am 18. Februar 2023 seine erfolgreiche Premiere in der Opera stabile feiern konnte.
Inspiriert zu dieser Oper wurde Andrew Norman, der auch die Handlung ersann, durch Jules Vernes Roman „De la Terre à la Lune“ sowie durch Jacques Offenbachs Operette Le voyage dans la Lune, besonders jedoch durch den ersten Science-Fiction-Film von Georges Méliès gleichen Titels aus dem Jahre 1902.
Staatsoper Hamburg - Trailer - Die Reise zum Mond youtube Staatsoper Hamburg
[ Mit erweitertem Datenschutz eingebettet ]Mit vier Opernsolisten und etwa einem Dutzend Hamburger Kindern und Jugendlichen erarbeitete der Regisseur Stephan Witzinger eine ideenreiche Gestaltung dieser Geschichte, unterstützt von der Choreographin Milena Junge, der es prächtig gelungen war, mit den jungen Darstellern die teilweise recht komplizierten, tänzerisch-pantomimischen Bewegungsabläufe vortrefflich einzustudieren. Den Hintergrund der Spielfläche bildete eine Raumfahrt-technische Konstruktion, in welche das kleine, aus elf Musikern bestehende Kammerorchester mit dem Namen „instrumentalensemble opera piccola“ auf zwei Ebenen integriert war. Die vordere Spielfläche wurde von Lena Scheerer, die auch die phantasievollen Kostüme entwarf, mit großen und kleinen schwarzgrauen Felsbrocken ausgestattet, so wie man sich die Mondoberfläche eben vorstellt.
Ein vierköpfiges Forscherteam – in weinroten Raumanzügen mit silbernen Helmen und Stiefeln gekleidet - unter der Leitung von Professor Barbenfouillis (entzückend gespielt von der jungen Schülerin Emilia Kaiser) und in Begleitung des Photographen Georges Méliès, der die Reise dokumentieren soll, macht sich auf den Weg zum Mond. Dort treffen sie auf das Mondvolk, diese singen „mondisch“, eine „Sprache“, die sich Komponist Andrew Norman ausgedacht hat und die nur aus den Vokalen a e i o u besteht. Zwischen Georges Méliès (Dongwong Kang mit ansprechendem lyrisch-geschmeidigen Tenor) und dem Mondmädchen Eoa (Yeonjoo Katharina Jang, einer jungen lyrischen Sopranistin mit alles überstrahlenden Spitzentönen) herrscht Sympathie auf den ersten Blick, so daß sie, die stets die Erde aus der Ferne bewundert, Georges' Sprache erlernt und sie ihm ihre „mondische“ Sprache beibringt.
Der Mondmann (Nicholas Mogg mit volltönendem, der Handlung entsprechend meist bedrohlich klingendem Bariton und ganz in schwarz gekleidet) ist jedoch mißtrauisch den fremden Astronomen gegenüber, zumal auch ein Mondkind während eines aufkommenden grausigen Mondsturms abhanden gekommen ist. Doch die Mondkönigin heißt die Erdbewohner willkommen. Claire Gascoin in schwarzer Robe mit einer ebenfalls schwarzen Mondsichel als Kopfschmuck sah aus wie eine Königin der Nacht. Ihrem klangschönen lyrischen Mezzosopran hat der Komponist einige wunderschöne Gesangspassagen zugedacht. Auch Georges und Eoa treten vermittelnd auf, und als das verlorene Kind unbeschadet wieder auftaucht, sieht auch der Mondmann ein, daß von den Astronomen keine Bedrohung ausgeht und nun zwischen beiden Gruppen Harmonie herrscht. Am Ende helfen die Mondbewohner den Astronomen, ihre bei der Landung beschädigte Rakete zu reparieren, und der Rückflug zur Erde kann starten. Schweren Herzens trennen sich Georges und Eoa.
Der Dirigent Luiz de Godoy durchleuchtete akkurat die anspruchsvolle und kompliziert anmutende Partitur. Unter seiner einfühlsamen Leitung erzeugte das elfköpfige Kammerorchester gleich in der Einleitung zarte sphärische Klänge durch den Einsatz von Klavier, Streichern und Triangeln, welche sich im Laufe des Geschehens verstärkten durch Hinzufügen von Kontrabass, Posaunen, weiterem Schlagzeug, und die während der geräuschvollen Bedrohung mit dem Einsatz von Trompeten, der Pauke und auch Wirbelschläuchen dramatisch kulminierten.
Während die vier Astronomen Sprechrollen hatten, die sie gekonnt und mit Witz bewältigten, sangen die Kinder und Jugendlichen als das Mondvolk in ihrer „mondischen“ Sprache wunderbar klangschön und harmonisch. Und daß sie daneben auch noch die nicht immer einfache Choreographie und die szenischen Abläufe präzise beherrschten und exakt ausführten, ward mehr als nur beeindruckend.
Das Premierenpublikum war begeistert, und so kann die Hamburger Staatsoper die Erstaufführung dieser kammermusikalischen Version von Andrew Normans „Oper für Kinder, aber auch für Erwachsene“, auf ihrer Erfolgsseite verbuchen.