Hamburg, Kanzlei Dr. Strate, KAMMERMUSIKABEND HEIKE SCHUCH UND OLGA SHKRYGUNOVA, IOCO
17.01.2024
Cellistin Heike Schuch und Pianistin Olga Shkrygunova präsentierten grandiosen Kammermusikreigen
Im Herzen Hamburgs betreibt Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate eine Kanzlei mit dem Schwerpunkt Strafrecht. Einer anderen Leidenschaft widmet er sich am Abend. Im Dachgeschoss seines Büros hat er ein Refugium eingerichtet, in dem er auch zu Konzerten und Begegnungen einlädt. In seinen Konzerten tauchen die Zuhörer in viele Klangwelten ein. Mittelpunkt des intimen Konzertsaals ist ein Steinway Flügel, der über die Dächer eingeschwebt ist. Strates immenses Gespür für Talente und seinen erlesenen Geschmack belegen seine Konzertwebseite auf der viele Abende abrufbar sind.
Musikalische Protagonistinnen, des ersten Konzerts 2025 waren Cellistin Heike Schuch und Pianistin Olga Shkrygunova. Sie entführten das Publikum auf eine meditative Reise durch die Musikgeschichte. Der Abend führte über eine einfache zu beschwingten musikalischen Erzählungen bis zu komplex strukturierten Stücken. So wurde an diesem Abend der große Reichtum und auch die immense Spannweite der europäischen Musikkultur angerissen.
Den Auftakt machte das Duo mit „Spiegel im Spiegel" des estnischen Komponisten Arvo Pärt. Er zählt zu den wichtigsten und am häufigsten aufgeführten lebenden Komponisten. Pärt begann seine Karriere mit Avantgarde-Kompositionen. Diesen Stil gab er Ende der siebziger Jahre auf. „Spiegel im Spiegel“ war eine seiner ersten Kompositionen in einem traditionellen Gewande. Das Werk erklingt im Stil des von Pärt kreierten „Tinntinabular“. Diese minimalistische eingängige Form enthält zwei Elemente die sich aus Tonleiterbewegungen in der Geige und Dreiklangstrukturen im Klavier zusammensetzen.
Die Töne in F-Dur sind wie in einem X um den zentralen Ton a’ angeordnet. Wie auf vier Achsen entfernen sie sich vom Zentralton a’ und führen wieder zu ihm zurück. Die Melodiestimme der Geige besteht aus langen Tönen. Faszination und Geheimnis der Komposition liegen in seiner asketischen Strenge. Die scheinbare Einfachheit des organischen Aufbaus und die harmonischen Stimmen verleihen der Komposition melodischen Linien und eine klare Struktur. Dabei steht die Objektivität des Denkens bei dieser seriellen Komposition im Vordergrund. Pärts Werk ist so eine Art meditatives Juwel. In ihrer Elegie wirkt die Musik als ob sie seit der Schöpfung existiere. Zugleich wohnt ihr ein starker zeitloser Ausdruck inne.
Heike Schuch war wie eine Einheit mit dem Cello verschmolzen und spielte, als ob sie zärtlich tastend nach dem verlorenen Glück suchte. Olga Shkrygunova am Flügel gelang ein innig tastend träumerischer Klang, der dem Hauch eines Windes glich, der sich im Saal zu verlieren schien.
Darauf spielte das Duo Johann Sebastian Bachs Gambensonate Nr. 2 in D-Moll. Die viersätzige Form weist das Muster “langsam-schnell-langsam-schnell” auf. Nach dem langsamen Adagio mit langsamen gebrochenen Dreiklängen und schwingt es sich im Allegro zu Eleganz und Feuer auf. Oberstimmen in Terzen und Sexten, Chromatik und Dissonanzen und der durchweg zarte Dialog zwischen Klavier und Cello nehmen die Hörer schön früh gefangen und entführen gleichsam wie auf einen sprudelnd fröhlichen Tanz. Die Stimmen erklingen kunstvoll aber auch mit einem leicht spöttisch ironischen Unterton. Die Komposition ist gespickt mit schwindelerregenden Laufkaskaden. Jedes der beiden Instrumente hat im Mittelteil ein virtuoses Solo zu leisten. Heike Schuch und Olga Shkrygunova nahmen das Stück mit einem feuerhaften Eifer. Faszinierend, wie intensiv sie musikalisch kommunizierten und sich gegenseitig befeuerten. Beglückend auch wie sie die spieltechnischen Herausforderungen von Bachs Kompositionen mit ihrer brillanten Technik und leidenschaftlichen Hingabe bewältigten.
Debussy Sonate in D-Moll entstammt einen Zyklus. In bewusster Anlehnung wird dort an die französische Sonatenkunst des Barocks erinnert. Eleganz, poetischer Zauber und Debussy ganz eigener melancholischer Klang prägen die Sonate. Tradierte Rhythmen und Spielfiguren mischen sich mit flirrender Bewegung und gebrochenen Dreiklängen. Heiter, leicht ironisch beginnt der zweite Satz. Wie ein Bruch scheint die Verwandlung des Cellos durch die nun gezupften Noten und die leicht grotesk anmutende Darstellung. Flirrend und mit feurig und leidenschaftlichem Ausdruck schließt das Stück.
Heike Schuch meisterte den Wechsel zwischen gestrichenen und gezupften Saiten. Den Spagat zwischen feurigem Vorangehen und plötzlichem Innehalten meisterte sievollendet. An- und Abschwellen der Lautstärke, kraftvolle und flötende Tongebung aber auch die durchaus morbide Stimmung des Werkes gelangen ihr mit fein verästeltem zutiefst bewegendem Spiel. Auch Olga Shkrygunova meisterte ihren Part mit vollendeter Poesie und großem Stilempfinden.
Alfred Schnittke war in seinem Schaffen geprägt von seinen Studien in Wien und von den Eindrücken der Barockmusik. So wollte er auch alle Musikstile im Sinne einer „Zeitspirale“ verfügbar haben. Seine Sonate Nr. 1 hat etwas zwielichtiges. Teils melodisch wohnen ihm Ironie und Spott inne, so steht das Stück stets vor dem Kippen und lässt die Zuhörer im Ungewissen. Expressiv, an der Grenze der Tonalität mit kraftvollem Klavier, ständigen Steigerungen des Ausdrucks und wie bei Debussy gezupften Geigentönen und brütenden Klavierakkorden schafften Heike Schuch und Olga Shkrygunova eine Atmosphäre zwischen Düsternis und Hoffnung. Die Dialoge nahmen sie mit lyrischer Emphase und Leidenschaft. Auf weite Bögen Heike Schuchs antwortete Olga Shkrygunova mit aufgeweckt dynamischem Spiel. Sowohl das ironische Finale, als auch das Eintauchen in die von Schnittke kreierte geisterhafte Stimmung gelang ihnen vortrefflich.
Ernst Blochs „Prayer“ aus dem „Jewish Live“ bildete den offiziellen Anschluss des Abends. Bloch bezieht sich darin sowohl auf liturgische als auch die volkstümliche jüdische Musik. Das Andante greift den Gesang jüdischer Kantoren auf. Später wird der Gesang drängender und geht im Finale in der Melodie eines jüdischen Liedes auf.
Heike Schuch und Olga Shkrygunova und haben an diesem Abend konzeptionell und künstlerisch Beachtliches geleistet. Der melodisch und klanglich klar und eingängig komponierte Auftakt mit Pärts „Spiegel im Spiegel" stimmte das Publikum auf die anschließenden musikgeschichtlichen Begegnungen ein. Das Duo besaß sowohl für Pärt, als auch für Bach, Debussy, Schnittke und Bloch ein immenses Gespür und machte die durchaus komplexen Kompositionen eingängig und lebendig.
Heike Schuch begeisterte durch ihre immense rhythmische Präzision und ihre atemberaubend virtuose Bogenführung. Selbst die schwierigsten Läufe und vertracktesten Tempowechsel gelangen mit unglaublicher Intensität. Sie ist eine Interpretin, die technische Makellosigkeit mit involvierter Seele und einzigartiger Spielfreude verbindet.
Olga Shkrygunova überzeugte durch ihr teilnahmsvoll involviertes Spiel. Mit wundervoller Zartheit und Beseeltheit ließ sie den Flügel erklingen. Schroffe Momente und Kontraste hob sie wie unter einem Brennglas hervor. Sofort konnte sie sodann wieder in einen wunderbar poetischen Klang zurückfinden. Durch ihr Spiel entstanden Melancholie, Lebensfreude und Hoffnung der Kompositionen unmittelbar im Raum.
Ein Duo mit vollendeter künstlerischer Meisterschaft und unvergleichlicher Seelentiefe. Ein großer Abend der lange nachwirken wird. In Kürze nachzuhören auf https://strate.net/konzerte/.