Hamburg, Kanzlei Dr. Gerhard Strate, GEWANDHAUSQUARTETT, Schumann, Grieg, IOCO
09.12.2024
Gewandhausquartett und Seungyeon Lee glänzten in phänomenalem Kammermusikabend
Hamburgs Neustadt ist eines der ältesten Quartiere und eine Keimzelle der Stadt. Das dort gelegene sogenannte Komponistenquartier erinnert mit seinem Museum an große Musiker und Gäste der Stadt. Gedacht wird beispielsweise Johannes Brahms aber auch Gustav Mahlers wegen seines Wirkens an der Hamburger Oper.
Wenige Schritte von dort befindet sich die Kanzlei des renommierten Rechtsanwaltes Dr. Gerhard Strate. Neben einem Ort der Rechtspflege hat er einen Musentempel unter seinem Dachgeschoss geschaffen. Am Tag wird dort gearbeitet und konferiert. An vielen Abenden fanden aber schon ausgezeichnete Konzerte mit erlesenen Musikern statt, die er auf seiner Webseite mit einem großen Publikum teilt (URL.: https://strate.net/konzerte/).
Das erste Konzert des Dezembers in Dr. Strates Räumen war ein Gastspiel des Leipziger Gewandhausquartetts. Dieses Ensemble ist ein wichtiger Bestandteil der jahrhundertealten bürgerlichen Leipziger Musiktradition.
Durch sie wurde Leipzig zu einer zentralen Europäischen Musikmetropole. Nach dem Wirken Johann Sebastian Bachs haben weitere große Musiker wie beispielsweise Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy oder der Thomanerchor die Musiktradition zugleich bewahrt und fortentwickelt.
Eine zentrale Säule dessen ist das Gewandhausorchester. Leipziger Kaufleute gründeten 1743 einen Konzertverein, der später im Messehaus der Tuchhändler musizierte. So ist letztlich aus dem Spielort der Orchestername erwachsen.
Die Eigenheit ihres Klanges, jenes romantisch geheimnisvolle Schweben und die immense Ausdruckskraft, die sich in vielen aktuellen und historischen Aufnahmen verfolgen lässt, haben das Orchester und seine Musiker trotz aller historischen und politischen Umbrüche bis heute bewahrt und ihm dadurch Weltgeltung verschafft.
Schon zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts veranstalteten vier Musiker des Gewandhausorchesters Quartettabende. So erlebt man noch heute ein Ensemble, dass seit Generationen in veränderter Besetzung aber ungebrochener Tradition die großen Kompositionen der Kammermusik seit der Ära Beethovens auf den Bühnen der Welt interpretiert.
Auf dem Programm standen das Klavierquintett op.44 von Robert Schumann und das Streichquartett g-Moll von Edvard Grieg.
Schumanns Klavierquintett gehört zu den berühmtesten Werken der Kammermusik der Romantik. In Aufbau und Struktur folgt es der Tradition der Symphoniker Haydn und Beethoven. Die Musiktheorie verwendete für deren viersätzigen Aufbau den Begriff der Sonatensatzform. Form und Inhalt der jeweiligen Komposition erhalten so ihre Charakteristik. Themen und Motive sind bei Schumann wie das Leipziger Tuch zutieftst miteinander zu einem komplexen Werk verwoben.
Die Beziehungen der sich begegnenden Motiven und Variationen hat Schumann gekonnt inszeniert und fortentwickelt. Wie Perlen hat er sie in seiner musikalischen Erzählung aneinandergereiht. Die vier Sätze tragen mit den Bezeichnungen Allegro brillante, In modo d'una Marcia, Scherzo und Allegro.
Sie verlangten den Musikern eine immense Klangfarben- und Gestaltungspalette ab. Dem Quintett gelang es furios und mit einem immensen Kolorit und bestrickenden Ton die mit Schwierigkeiten und mitreißenden Tönen gespickte Komposition darzubieten. Neben raumgreifender Intensität stand immer auch ein Ausloten der Farben und Kontraste in ihrer nahezu unergründlichen Tiefe und Widersprüchlichkeit.
Schon der Einstand im ersten Satz war furios aber zugleich auch von Innehalten und Melancholie geprägt. Seungyeon Lee gelang es dieses Drama inwendigem mit ihrem Klavierspiel zurückzunehmen. Der sich anschließende träumerische Dialog zwischen Klavier, Cello und Bratsche wurde feinsinnig und schwebend und tastend musiziert.
Die tragische Tiefe der Melodie wurde atemberaubend musiziert und gewaltig drängend endet der erste Satz. Der Trauermarsch, der den zweiten Satz prägt, wurde einfühlsam ohne düstere Schwere musiziert. Musikalisch dicht erweckte das Ensemble bei den Zuhörern Bilder eines in der Ferne vorbeiziehenden Trauerzuges. Auftrumpfend, behände und beseelt beendete Seungyeon Lee am Flügel den Satz mit dem Tremolo über das Marschthema. Luftig leicht und erdenfern erklang das Scherzo.
Von ganz eigener Farbe war der letzte Satz. Er ist ein Beispiel, für die Schumanns Wandern zwischen romantischer Wahrnehmung und dem Abgleiten in den Wahn. Vieles in der Musik schwebt und gleitet wie zwischen zwei Polen eines Magnets. Diese schwebende Unbestimmtheit droht oft ins Atonale zu kippen.
Mit ganz eigener Poesie fing das Ensemble dies auf und gab dem Tanzthema eine schwebende feengleiche Note. Die Kontraste der Musik, das Zögern und der Ausbruch im Finale waren von meisterlicher Qualität. Triumphale Aufschwünge wurden mit großer Pracht genommen während den zurückgenommenen Passagen betörende Poesie innewohnte. So wurden die Zuhörer auf eine unglaublich magisch koloriertes Reise in die fein gesponnene Welt Schumanns geführt. Diese intensive Darbietung war zutiefst beglückend. Zugleich wurde offenkundig, welchen großen Einfluss Schumann auf Tristans Fieberphantasien in Wagners Oper hatte.
Das Gewandhaus Quartett mit Frank-Michael Erben (1.Violine), Yun Jin Cho (2.Violine), Vincent Aucante (Viola) und Isang Enders (Violoncello) sowie Seungyeon Lee (Klavier) hatten jene glücklichen Hände die zu musikalischen Sternstunden führen.
Frank Michael Erben kombinierte brillant jenen warmen Leipziger Klang mit vollendeter Spieltechnik seelenvollem Ton und behänden Läufen.
Yun Jin Cho nahm durch ihr berührendes Spiel und ihre atemberaubende Brillanz ein.
Vicent Aucante kombinierte einen abgründig tiefen Klang mit markantem Schwung und großer Innigkeit.
Isang Enders verlieh seinem Part durch sein tief involviertes Spiel Noblesse, Gewicht und Wahrhaftigkeit.
Seungyeon Lee gesellte sich als fünfte im Bunde zu diesem grandiosen Quartett. Samt weich glänzte sie schon im ersten Satz. Das den Sturm beruhigende Solo nahm sie mit zartestem Anschlag und magischer Poesie. In jeder Phase paarte sie unbändige Ausdruckskraft mit einem unglaublich suggestiven und stets der Stimmung angepasstem Spiel. Völlig selbstverständlich und ungezwungen musizierte sie mit dem Ensemble als gehöre sie jahrelang dazu. Zudem traf sie auch jenen das Leipziger Musizieren prägenden warmen Ton und das der Schumannschen Komposition innewohnende ätherische Schweben.
Eine große Meisterleistung war das Zusammenspiel des Ensembles in diesem immens schwierigen Stück. Staunenswert wie sich alle Musiker gegenseitig zuhörten, aufeinander eingingen, sich so die Noten gleichsam zuwarfen als ob sie die Melodie stets schwebend mit immensem Zauber in der Luft halten wollten.
Darauf erklang Griegs Streichquartett g-Moll. Dieses Werk weist in seiner Anlage zahl-reiche Anlehnungen an Schumanns Klavierquintett auf. Marschthema, schroffe Aufschwünge und Kontraste mit einem experimentell anmutenden rauhen Tonansatz paarten sich mit ausgedehnten poetischen Passagen. Auch hier entwickelte das Gewandhausquartett ein immenses Gespür für den verästelten Aufbau des Werkes. Die Entwicklung der Themenkomplexe war von immenser Liebe und Beseeltheit geprägt. Die Kontraste und teils schroffen Variationen wurden mit einer virtuosen Größe in das gesamte Werk eingehegt ohne sie zu minimalisieren. Pausen wurden geschickt genutzt, um Zäsuren sichtbar zu machen.
Auch hier präsentierte das Gewandhausquartett eine vollendete Ensembleleistung, die den Zuhörern von schroffen Bergwelten, tanzenden Elfen erzählte und den musikalischen Reichtum Griegs in die Herzen des Publikums senkte. Erneut wurde ein phänomenaler nie abreißender Fluss von dramatischer Dichte geboten. Die Musiker gaben so einen bravourösen Abschluss der das Publikum atemlos zurückließ.
Ein begeistertes Publikum dankte Frank-Michael Erben, Yun Jin Cho, Vincent Aucante, Isang Enders und Seungyeon Lee mit tosendem Applaus.