Hamburg, Kammeroper, LA TRAVIATA - Giuseppe Verdi, IOCO
Allee-Theater - Kammeroper, Hamburg: Im Ranking der beliebtesten und meist gespielten Opern weltweit steht Verdis La Traviata unangefochten an erster Stelle, mit einigem Abstand gefolgt von Carmen, La Boheme, Rigoletto und Don Giovanni.
von Wolfgang Schmitt
Im Ranking der beliebtesten und meist gespielten Opern weltweit steht Verdis La Traviata unangefochten an erster Stelle, mit einigem Abstand gefolgt von Carmen, La Boheme, Rigoletto und Don Giovanni.
Für die Hamburger Kammeroper war es ein ehrgeiziges Projekt, Verdis gefühlvolle Komposition auf der nicht gerade großen Bühne zu realisieren, doch Kathrin Kegler hatte wieder einmal (Premiere am 1.3.2024) ein traumhaft schönes Bühnenbild geschaffen – mit vergoldeten Wänden, einer mit dunkelblauem Stoff bezogenen Ottomane und einem überdimensionalen Seitenspiegel – , welches je nach Akt, je nach Bild raffiniert ausgeleuchtet wurde und so die jeweiligen den Szenen entsprechenden Stimmungen erzeugte.
In diesem geschmackvollen Ambiente inszenierte Hausherr Marius Adam das ganze Seelendrama der Kurtisane Violetta, deren Begegnung mit dem jungen Alfredo Germont sie in einen Zwiespalt der Gefühle stürzt. Sie ist verliebt in ihn, will jedoch ihr genussreiches luxuriöses Leben nicht aufgeben. Als Alfredos Vater von ihr verlangt, um der Familienehre willen auf seinen Sohn zu verzichten, verläßt sie Alfredo und kehrt zurück in ihr bisheriges pompöses Leben, wohl wissend, wie krank sie ist und daß ihr nicht mehr víel Zeit bleiben wird.
Mit viel Liebe zum Detail zeichnet Marius Adam die Stationen von Violettas Weg bis zu ihrem Ende nach. Gleich zu Anfang während der Ouvertüre steht Giorgio Germont wie ein Todesbote mit weißer Maske links am Bühnenrand und blickt auf auf seine Taschenuhr, dann öffnet sich der Vorhang und die heitere, illustre Party-Gesellschaft, die Damen elegant und geschmackvoll gekleidet in schwarz-goldenen Roben (Marie-Theres Cramer), amüsiert sich zu den Klängen von „Libiamo“.
Das zweite Bild, die Landhaus-Szene mit verschneitem Wald im Hintergrund, gelang ihm hoch emotional, wenn Violetta Giorgio Germont mit Fäusten traktiert oder wenn dieser seinen Sohn ohrfeigt und Alfredo wie ein kleines Kind weinend in der Ecke kauert.
Das dritte Bild, Floras Salon, besticht durch die rot-violette Ausleuchtung. Der verschmähte, enttäuschte Alfredo, zu Geld gekommen, schleudert Violetta zu Boden und überschüttet sie hier mit Banknoten. Das Ende des zweiten Aktes mit der wunderschön klingenden Schlußsequenz der sieben Solisten ist nur einer der vielen Höhepunkte des Abends.
Der dritte Akt schließlich war beeindruckend, wenn Violetta auf ihrem Sterbebett liegt, die Bühnenrückwand sich öffnet und in blutrotem Licht die schwarze Silhouette des Todesboten sichtbar wird. Ein unter die Haut gehender Schlußeffekt war es, als Violetta bei abgedunkelter Bühne am Ende ihrer Sterbeszene auf die Rückwand zugeht und dort als Silhouette verharrt, in gleißendes weißes Licht gehüllt.
Wieder einmal war es dem Musikalischen Leiter der Kammeroper Ettore Prandi gelungen, Verdis umfangreiche Partitur für sein kleines Orchester so zu bearbeiten, daß keinerlei Wünsche offen blieben. Unter seiner kompetenten Leitung ließen die Streichinstrumente sowie Oboe und Klarinette Verdis herrliche Komposition so wunderbar authentisch aus dem Orchestergraben ertönen und konnten eine enorme Klangfülle erzeugen, daß es einem an nichts zu fehlen schien. Die vielen raffinierten Feinheiten der Partitur ließ er prächtig aufblühen. Die Ouvertüre und das Vorspiel zum dritten Akt mit den schönen Streicherklängen gestaltete er mit bestechender Intensität, die Tempi waren fein abgestimmt, die dramatischen Passagen im zweiten und dritten Bild gelangen spannend und leidenschaftlich zupackend.
Luminita Andrei war eine hinreißende Violetta. Von aparter Erscheinung und mit einem klangvollen, schön timbrierten lyrischen Sopran konnte sie auf ganzer Linie überzeugen. Ihre Stimme verfügt über einen zarten samtenen Klang, „E strano“ offenbarte ihre lyrischen Qualitäten, während sie bei „Sempre libera“ Lebensfreude und Leidenschaft strömen ließ und mit guter Höhe und perlenden Koloraturen beeindruckte. Den vierten Akt gestaltete sie mit ausdrucksvoller Mittellage voller Melancholie und sanfter Innigkeit. Ihre Szene im zweiten Akt mit Giorgio Germont hatte etwas anrührendes, hoch emotionales.
Guillermo Valdés in der Partie des unglücklich liebenden Alfredo verfügt über einen warm timbrierten, ausdrucksstarken und in allen Lagen sicher geführten Spinto-Tenor. Die bei vielen Tenören oftmals gefürchtete Stretta im zweiten Akt gelang ihm vorzüglich mit präzisen Spitzentönen. Seine Szenen und Duette mit Violetta gestaltete er klangschön, feurig und leidenschaftlich, darstellerisch expressiv und fast schon brutal im dritten Bild, wenn er Violetta angreift und ihr ihren Lebenswandel vorwirft, im letzten Bild jedoch wieder gefühlvoll und mit lyrischem Schmelz, wenn beim Duett „Parigi o cara“ Violettas und seine Stimme wunderbar harmonierten.
Als Alfredos eleganter sittenstrenger Vater Giorgio Germont konnte Titus Witt besonders in seiner großen Arie „Di Provenza“ mit schönen Legati reüssieren, aber auch seine große Szene mit Violetta, das anrührende Zusammenspiel der Beiden und ihr Duett „Piangi Piangi“ gerieten überzeugend.
Natascha Dwulecki sah als mondäne Flora schön aus mit ihrer Haarpracht und in ihrer kostbaren schwarz-goldenen Robe, sie sang im zweiten Bild auch die Partie der Annina.
Die Partien der Verehrer Violettas, Baron Duphol, Gastone Vicomte de Letornières und Marchese d'Obigny waren adäquat besetzt und wurden perfekt dargestellt und gesungen vom lyrischen Tenor Edilson Silva Jr., den Baritonen Cornelius Lewenberg und Robert Elibay-Hartog, letzterer übernahm auch die Partie des Dottore Grenvil.
Mit dieser rundherum gelungenen Neuinszenierung dieser tragisch-schönen Verdis LA TRAVIATA ist der Hamburger Kammeroper wieder einmal ein ganz großer Wurf gelungen.