Hamburg, Kammeroper, Die PERLENFISCHER - Georges Bizet, IOCO
HAMBURGER KAMMEROPER: Georges Bizets Perlenfischer zum Ende der laufenden Spielzeit; hier die besprochene Vorstellung am 25.5.2024, in semi-konzertanter Aufführung .......
von Wolfgang Schmitt
Georges Bizet (1838 - 1875) war gerade 25 Jahre alt, als er die Perlenfischer komponierte und 1863 zur Uraufführung in Paris brachte. Den „Perlenfischern“ ward zunächst kein Erfolg beschieden, erst nach dem Tode Bizets und dem großen Erfolg seiner Carmen erinnerte man sich an seine Perlenfischer und an einige seiner anderen früheren Werke, darunter Le Docteur Miracle, Ivan IV., La jolie Fille de Perth, und Djamileh, die heutzutage jedoch kaum auf den Spielplänen der internationalen Opernhäuser zu finden sind.
Umso dankenswerter ist es, daß die Hamburger Kammeroper Bizets Perlenfischer nun zum Ende der laufenden Spielzeit, hier die besprochene Vorstellung am 25.5.2024, in semi-konzertanter Aufführung präsentiert, dramaturgisch eingerichtet vom Hausherrn des Allee-Theaters, Marius Adam. Bearbeitet wurde Bizets Partitur vom Musikalischen Leiter der Kammeroper, Ettore Prandi, für das kleine, aus 23 Musikern bestehende Hamburger Orchester Rungholt Ensemble Auf den Einsatz eines Chores mußte aus Platzgründen verzichtet werden. Stattdessen gab es einen Moderator, Lutz Hoffmann, der die Handlung der Oper schilderte und einige Erläuterungen zu Bizets Werk gab.
Die Komposition von Bizets Perlenfischern geht zurück auf ein Libretto der zur damaligen Zeit in Frankreich erfolgreichen Autoren Michel Carré und Eugène Cormon, die mit ihrem Text die damalige Begeisterung des Pariser Publikums für alles Orientalische und für Südsee-Exotik bedienten.
Die Geschichte der Perlenfischer ist in Ceylon, dem heutigen Sri Lanka, angesiedelt, wo die beiden Freunde Zurga und Nadir sich in die Brahmanen-Priesterin Leila verlieben, jedoch um ihrer Freundschaft willen beide auf sie verzichten. Später jedoch treffen sich Nadir und Leila wieder, die Liebe flammt auf, Nadir bricht seinen Treueschwur gegenüber Zurga. Leila hatte als Priesterin ein Keuschheitsgelübde ablegen müssen. Zurga als Oberhaupt der Perlenfischer fordert die Hinrichtung Leilas und Nadirs, hat jedoch ein Einsehen und läßt die beiden fliehen.
Bizets Komposition weist ein großartiges Spektrum an instrumentalen Einfällen auf, einen Klangzauber und eine ungeheure Farbenvielfalt, wobei er auf allzu indisch-folkloristisches Kolorit verzichtet hat, zumindest was die jetzt existierenden Partituren betrifft. Denn Bizets Originalpartitur gilt als verschollen, und anhand eines erhaltenen zeitgenössischen Klavier-auszuges wurde von Musikwissenschaftlern eine rekonstruierte, instrumentierte Fassung erstellt, die heutzutage in Form einer nunmehr gültigen, lyrisch expressiven Partitur vorliegt.
Das Orchester Rungholt Ensemble musizierte bravourös, ausgewogen und romantisch-nuanciert unter der Leitung von Ettore Prandi, blühte immer wieder klangvoll auf und ließ Bizets herrliche Musik mit schwelgerischer Intensität ertönen. Die Geigen schmolzen samtig dahin, die zarte Flöte, die Harfe, die Bläser und Celli boten eine gesamte Palette zwischen lyrischer Intimität und rhythmischer Emphase auf.
Gesungen wurde an diesem Abend vorzüglich in französisch. Die vier Protagonisten waren in indische Gewänder gekleidet, Leila in einem orangefarbenen, mit Gold bestickten Sari samt Kopfschleier, die drei Herren trugen indische Kaftans, waren mit Gold- und Perlenketten geschmückt und unterstrichen ihre Szenen auch darstellerisch mit verhaltener Gestik und dezenten Aktionen.
Luminita Andrei berührte als Brahmanen-Priesterin Leila. Sie sang diese Partie mit ihrem warm timbrierten, samtenen Koloratursopran, offenbarte herrlichste Spitzentöne, blitzsaubere perlende Koloraturen, wunderbare Phrasierungen und hatte innige, beseelte Momente gleich in ihrer ersten Arie „Oh dieu Brahma“, in der Romanze „Dans le ciel sans voiles“, und besonders auch in ihrer großen Arie „Comme autrefois“, Auch ihr Duett mit Nadir im zweiten Akt klang ergreifend.
Sehr gefühlvoll sang Guillermo Valdés die Tenorpartie des Nadir. Seine Bravourarie „Je crois entendre encore“ gestaltete er mit lyrischem Schmelz voller Zärtlichkeit, voller Sehnsucht, und mit seiner guten Gesangstechnik gelangen ihm die Höhen glänzend durch gekonnte „voix mixte“. Auch das berühmte Freundschaftsduett mit Zurga, „Au fond du temple saint“, in dem beide Stimmen perfekt und auf anrührende Weise miteinander harmonierten, war einer der vielen Höhepunkte des Abends.
Diesen zwischen Liebe und Rache hin und her gerissenen Zurga, Oberhaupt der Perlenfischer, sang Leonhard Geiger, ungemein präsent und mit wunderbar kontrolliert eingesetztem, kraftvollen Bariton. Seine Arie im dritten Akt „Nadir, ami de mon jeune age“ klang beein-druckend, ebenso wie das Duett mit Leila „Je frémi, je chancelle“, das die beiden mit emotionaler Leidenschaft darboten.
Mit seinem hier ausdrucksvoll eingesetzten Bass-Bariton ergänzte Titus Witt als gestrenger Nourabad das Ensemble mit seinen wenigen, aber wichtigen Passagen.
Am Ende gab es viel Applaus, dem Publikum haben Bizets Perlenfischer offensichtlich gefallen. Ein weitere Idee für die Kammeroper wäre möglicherweise Bizets Djamileh.
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