Hamburg, Hamburgische Staatsoper, SPIELZEITPRÄSENTATION 2025/26, IOCO

05.03.2025
Mit frischem Schwung das Haus entstaubt, Hamburgische Staatsoper erhält ab Herbst 2025 ein neues Leitungsteam
"Kinder, macht Neues! Neues! und abermals Neues! - hängt Ihr Euch ans Alte, so hat euch der Teufel der Inproduktivität, und Ihr seid die traurigsten Künstler!" So schrieb Richard Wagner und das trifft noch heute ins Schwarze.
Dieser Satz mag auch eine Losung des vor Elan sprühenden neuen Leitungsteams der Hamburgischen Staatsoper sein. Ballettchef Demis Volpi, Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber und Intendant Tobias Kratzer haben voller Begeisterung und vor Vitalität sprühend Einzelheiten zur neuen Spielzeit 2025/26 bekanntgegeben. Den Reigen eröffnete und verfolgte ein glänzend aufgelegter Kultursenator Carsten Brosda.
Auf das quälende jahrelange Warten auf das Ende der jetzigen Intendanz schloss sich schon in den ersten Minuten der Präsentation eine mehr als berechtigte Hoffnung an, dass der Mehltau der letzten Spielzeiten wie durch ein reinigendes Gewitter weggeblasen und eine neue Saat am norddeutschen Opernfirmament aufgehen wird.
Mit frischem Schwung wirbelte das Team durch das Magazin der Staatsoper in Hamburg-Rothenburgsort. Ein Strauß neuer Produktionen und Ideen wurde verkündet.
Wesentliches Leitmotiv der neuen Intendanz ist „No risk no fun“. Tradiertes wird bewahrt werden aber Ballast auch über Bord geworfen. In allen Sparten werden neue innovative Inhalte die Bühne und Stadt bereichern. Das Motto „Erkundung der Gattungsgrenzen“ steht für die Idee, einen Blick über die Oper hinauszuwerfen. So soll die Oper in die Mitte der Gesellschaft getragen werden und alle Hamburger für Oper und Konzert begeistern. Die erste Premiere „In fernen Weiten – Mozarts Musik Neu Entdecken“ fragt, welche Bedeutung Mozarts als zeitloses Kulturgut für uns heute hat, warum wir an Mozart festhalten, wie wir auf Bedrohungen oder die Stille des Universums reagieren und welche Chancen uns Mozart und die Oper bei der Beantwortung dieser Fragen aktuell bietet.
Dieser Ansatz bietet die Chance, dem Stammpublikum neue Horizonte zu eröffnen und der Oper zugleich eine große Sogkraft für Stadt und Region zu verleihen. Weitere Konzepte sind die Opera mobile, Kinderopern, Konzerte ausschließlich für Kinder und Jugendliche und ein Straßenfest als Begleitung zur Aufführung von Leonard Bernsteins „Mass – A Theatre Piece for Singers, Players and Dancers“ im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg 2026.
Ein Anker des Zusammenwachsens von Oper und Stadt ist die Komponente „CLICK in“. Durch dieses Programm soll ein breites Publikum angesprochen und der Zugang zur Kunst erleichtert werden. Durch gezielte Ansprache von Kindern, Jugendlichen und anderen Gruppen wird der Zugang zur Oper mit einem eigenen sichtbaren Markenkern etabliert. Ferner sollen spannende Diskussionsformaten und kuratierten Veranstaltungen den Horizonte öffnen, künstlerische Sichtweisen aufzeigen und Menschen abholen. Gerade in der digitalisierten Welt ist dies ein klug erdachter Schachzug von Sichtbarkeit aber auch zur Stärkung von Begegnung und Kommunikation.

Die erste Premiere ist eine szenische Aufführung von Robert Schumanns „Das Paradies und die Peri“. Dieses Werk ist von ungeheurer musikalischer Magie und Tiefe aber kein Kassenschlager. Mit „Monster´s Paradise“ kommt ein Werk voll brennender Aktualität der Komponistin Olga Neuwirth und der Schriftstellerin Elfriede Jelinek zur Uraufführung, das sich damit befasst, wer uns vor Monstern und Tyrannen rettet. Klassische Opernpremieren sind „Ruslan und Ljudmila“ von Michail Glinka und Il Barbiere di Siviglia.
Großartig auch das Bekenntnis von Tobias Kratzer und Omer Meir Wellber zum Opernrepertoire und dem Ensemble. Besonders hob Tobias Kratzer die wegweisenden Produktionen von Peter Konwitschny und Ruth Berghaus hervor. Auch heißt es nach langen Dürrejahren „Wagner again“ mit Fliegendem Holländer, Lohengrin und Tristan und Isolde mit spannenden Besetzungen. Italienisches kommt mit Madame Butterfly, Luisa Miller, La traviata und vielem mehr. Pique Dame wird auch wieder präsentiert als Kontrast zum lebensfrohen Glinka. Endlich haben auch die teils bizarr wirkenden und die Opern akustisch entstellenden Sängerbesetzungen beendet. Als Isolde und Tristan debutieren in Hamburg die fulminante Alison Oakes und Samuel Sakker unter der Leitung von Omer Meir Wellber. Das Trio feierte in dieser Konstellation schon 2024 in Palermo rauschende Erfolge. Barno Ismatullaeva wird nach ihrem fulminanten Norma Debut neben der übernommenen Maria Stuarda als Madame Butterfly zu hören sein. Der fulminate Kartal Karagedik aus dem Ensemble wird in zahlreichen Partien zu erleben sein. Auch mit dem Einsatz von Dovlet Nurgeldiyevs als Max im Freischütz wird auf die hervorragenden Kräfte des Ensembles zurückgegriffen.
Mitreißend hat Demis Volpi die Ballettsaison präsentiert und mit der Auswahl beeindruckt. Das Hamburg Ballett wird mit drei Premieren, einer Wiederaufnahme sowie sieben Repertoireproduktionen einen wichtigen Beitrag leisten. Auftakt der Premieren ist das Ballett „Surrogate Cities“ mit der Musik von Heiner Goebbels. Demis Volpi stellt dort seine neuen Version des Dialog mit dem urbanen Raum und dem komplexen System von Stadt und Individuum dar. Folgen wird der vierteilige Ballettabends „Kein Zurück“ in dem neben Demis Volpi Marcos Morau und Xie Xin jeweils eine Uraufführung kreieren werden und der Choreograf Angelin Preljocaj sein „Annonciation“ präsentieren wird. Den Abschluss wird die Weltpremiere Wunderland bilden, ein neues Ballett von Alexei Ratmansky, das von Lewis Carrolls zeitlosen Klassikern Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln inspiriert ist.

Omer Meir Wellber hat die Konzertsaison bekanntgegeben, die facettenreich die Ideen von Spiel und Spaß aufgreift. Neben dem Musizieren stehen in die klassischen Werke integrierte Neukompositionen. So manifestiert sich der spielerische Dialog in der Gegenüberstellung von Tradition und Gegenwart. Für das erste Philharmonische Konzert hat Omer Meir Wellber sich für die Zusammenarbeit mit Stephen Hough entschieden, der Beethovens drittes Klavierkonzert interpretieren wird: und zwar als Pianist und Komponist zugleich. Der zweite Satz wird durch ein neues komponiertes Stück von Hough ersetzt, das von Beethovens Meisterwerk inspiriert ist. Beethoven begegnet uns in unserer heutigen Zeit als Spiegel der Vergangenheit und zugleich durch Hough als Teil des Hier und Jetzt. Ein besonderer Clou ist das Gastspiel des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg mit einem neu als Krimi mit Lokalbezug gedichteten „Peter und der Wolf“ von Prokofjew im Schmidts Theater in St. Pauli.
Der Weg zur Bürgeroper beinhaltet auch Wagnisse. Verschwörungstheoretiker raunten in den Fluren der Staatsoper nach der Vertragsverlängerung der letzten Intendanz, der Hamburger Senat sei diesen Schritt gegangen, weil man die Auslastung des Hauses auf höchstens 20 Prozent senken wollte, um das renovierungsbedürftige Haus anschließend unter Verweis auf fehlende Nachfrage nach einer Oper in der Stadt gänzlich schließen zu können.

Dies haben Kultursenator Carsten Brosda und Landesregierung mit der Berufung der neuen Intendanz eindrucksvoll widerlegt. Er hat sich zu allen Ideen der neuen Leitung und zur Bürgeroper bekannt. Zentral war seine Aussage, dass jede Oper, auch ein Neubau, nur eine Hülle sei. Entscheidend sei der Geist, der im Haus wohne und was dort passiere.
Dieses Bekenntnis wird durch die Auswahl der neuen Leitung eindrucksvoll in die Tat umgesetzt. Neue Ideen, der Tatendrang die Kraft und die Kreativität des neuen Teams werden dem Haus guttun und es wieder zum Leben erwecken. Mit einigen Premieren setzt man wichtige künstlerische Impulse. Manche Hits wie Carmen fehlen. Auf die Frage an Tobias Kratzer, ob er Vorgaben zur Auslastung des Hauses habe, antwortete er schlicht mit nein. Das ist auch gut so. Wichtiger als aktuelle Auslastungszahlen sind Brosdas und Kratzers Vision, die Oper auch im 21. Jahrhundert relevant zu machen, sie als Gattung zu erhalten und dafür alles in ihrer Macht Stehende zu tun. Dafür steht die neue Leitung. Mit ihrem Einsatz und ihrer Tatkraft wird sie dies auch erreichen.
Für Tobias Kratzer gibt kein anderes Medium, in dem sich sinnliches Erleben, künstlerische Form und gesellschaftspolitische Inhalte so nahe kommen wie in der Oper. Das hat er als Regisseur häufig bewiesen.
Mit Omer Meir Wellber wurde endlich ein Generalmusikdirektor berufen, der in der Vergangenheit große Erfolge vorzuweisen hatte und auch die Werke von Strauss und Wagner unter anderem in Italien fulminant geleitet hat.
Demis Volpi leitet das Ballett seit einem Jahr und hat schon viel Jubel hervorgerufen.
Die Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des neuen Programms überzeugte und begeisterte zutiefst. Allen beteiligten ein kräftiges „Glück auf“. Endlich wieder Lust auf Oper in Hamburg.
Das Programm der neuen Spielzeit findet sich hier:
https://www.staatsoper-hamburg.de/downloads/2526/HSO_25_26_Spielzeitbuch.pdf?m=1741156497&
Der Vorverkauf beginnt am 19. Mai.