Hamburg, Hamburgische Staatsoper, ARIADNE AUF NAXOS - Richard Strauss, IOCO

Hamburg, Hamburgische Staatsoper, ARIADNE AUF NAXOS - Richard Strauss, IOCO
Hamburgische Staatsoper copyright Kurt-Michael Westermann

 

25.01.2025 Premiere 

Mit Ariadne auf Naxos von Richard Strauss brachte die Hamburgische Staatsoper ein Werk auf die Bühne, das eine verklungene Zeit erstehen lässt und das Ende einer unvergleichlichen Epoche in der Welt- und Operngeschichte versinnbildlicht.

Die Jahre der Uraufführung (1912) und der Aufführung der endgültigen Fassung (1916) markierten einzigartigen historische Umbrüche, die der erste Weltkrieg verursachte. Hugo von Hofmannsthal, hat sein Libretto mit mannigfaltiger Symbolik und raffinierter Ironie gefüllte und eine Synthese aus Komödie und Tragödie geschaffen. Zur Zeit der Entstehung des Werks und der Uraufführung befand sich Europa in einer tiefen gesellschaftlichen und kulturellen Krise. Arbeiterunruhen, Unabhängigkeitsbewegungen, Wettrüsten, Kriegslust und Verstimmungen zwischen den Großmächten sorgten für Unsicherheit und schwindenden Glauben an eine friedliche Zukunft.

Ein zentraler Aspekt der Oper ist die Kollision unterschiedlicher künstlerischer Welten. Ariadne, Bacchus, Theseus entstammen der die Tradition der griechischen Mythologie. Ariadne ist zugleich Protagonistin der Oper "Die schöne und getreue Ariadne" von Johann Georg Conradi, uraufgeführt 1691, im Hamburger Theater am Gänsemarkt. Die komödiantische Welt des Werks greift auf die italienischen Opera buffa zurück, in der die Figuren Zerbinetta, Harlekin und ihre Gefährten zentrale Elemente sind. Strauss und Hofmannsthal greifen diese Spannungen auf und wandeln sie in Konflikte zwischen den Schöpfern und Darstellern der Oper und den Komödianten um. Dies treiben sie in einzigartiger Feinfühligkeit und Poesie ironisch auf die Spitze. Das Werk ist in gewisser Weise ein Spiegelbild des kulturellen Endes der alten europäischen Ordnung, die von der Moderne und neuen künstlerischen Formen herausgefordert wird.

Im griechischen Mythos wird Ariadne von Theseus auf der Insel Naxos zurückgelassen, von Bacchus, dem Gott des Weins und der Ekstase, gerettet und zu seiner Gefährtin gemacht. Strauss und Hofmannsthal interpretieren diesen Mythos jedoch auf eine eigenwillige Weise. Ariadne wird hier als Sinnbild der existenziellen Trauer dargestellt.

Anja Kampe, Florian Panzieri, Daniel Kluge, Stephan Bootz, Aebh Kelly, Martin Gantner, Olivia Warburton, Björn Bürger copyright Jörg Landsberg

Bei Dmitri Tcherniakov resultiert ihre Einsamkeit aus dem Tod des Haushofmeisters/Theseus. Diesem begegnet sie mit Sehnsucht nach dem Tod und Hoffnung auf Erlösung. Bacchus erscheint nicht als Gott, sondern hat sich schon vorher unter die muntere Truppe gemischt, deren Bühnenbild aus den vorherigen Elektra- und Salome-Inszenierungen Tcherniakov stammt.

Die Verheißung neuen Lebens über die Transformation vom Tod zur Wiedergeburt greift die Regie wie in spielerischer Leichtigkeit gleichsam komödiantisch auf. Zerbinetta und ihre komödiantische Perspektive sind bei Tcherniakov kein Bruch sondern sie begleiten die tragisch gefangene Ariadne zurück ins Leben. In dieser Inszenierung wirkt Tcherniakovs Villa plausibel. Durch vielschichtige Interaktion der Akteure wurde eine lebendige Mischung von Ironie und Tiefsinn erreicht. So wurde Theseus Bild beim Erscheinen von Bacchus zur Seite gelegt.  Eine überaus erfrischende Inszenierung des Werkes.

 Das Dirigat des scheidenden Generalmusikdirektors Kent Nagano war von Melancholie und Elegie geprägt. Den musikalischen Feinheiten der Partitur trug er im Vorspiel Rechnung und konnte eine ausgezeichnete Balance zwischen Gesang und Orchester erreichen.

Anja Kampe, Jamez McCorkle copyright Jörg Landsberg

Anja Kampe als Ariadne brachte eine bemerkenswerte emotionale Tiefe in ihre Rolle ein. Innere Zerrissenheit und Traurigkeit der Figur veranschaulichte sie phänomenal und ließ die komplexen Emotionen der Ariadne so mit großer Kraft erstehen.

Tatortkommissar Wolfram Koch überzeugte als Theseus/Haushofmeister mit Ironie und treibendem Schwung. Jamez McCorkle war ein stimmschöner Bacchus mit angenehmen Timbre, lyrischen Momenten und komödiantischem Geschick. Björn Bürger war ein kecker Harlekin mit rundem Bariton. Nadezhda Pavlova ging spielerisch vollendet in der Rolle der Zerbinetta auf.

Auch der Rest des Ensembles brachte sich schauspielerisch vollendet in die Inszenierung ein. Die Staatsoper hatte bei der Besetzung von Bühne und Graben ausschließlich auf außerordentlich erfahrene Kräfte mit langjährigen Bühnenkarrieren gesetzt. So wurde der Endzeitaspekt des Werkes noch deutlicher herausgekehrt.

 

Eine überaus gelungene sehenswerte Inszenierung.