Hamburg, Hamburger Kammeroper, FAUST - Charles Gounod, IOCO Kritik, 12.10.2022
FAUSt - Charles Gounod
Alfonso Romero Mora schafft eine Hommage an die Kammeroper
von Wolfgang Schmitt
Die erste Premiere am 7.10.2022, an der Hamburger Kammeroper in der neuen Opernsaison war Charles Gounods Faust. Barbara Hass hat für diese Produktion einen eigenen deutschen Text erarbeitet, und dem Musikalischen Leiter Ettore Prandi gelang wieder einmal eine geniale Bearbeitung und eine für diese Bühne notwendige Kürzung der eigentlich umfangreichen Partitur für sein kleines Orchester. Regisseur Alfonso Romero Mora, ein gern gesehener Gast-Regisseur an der Hamburger Kammeroper, hatte sich für seine Faust-Inszenierung etwas besonderes einfallen lassen, nämlich eine Art Hommage an dieses Theater.
Die Ouvertüre beginnt, der Vorhang geht auf, und der erstaunte Zuschauer erblickt auf der Bühne den genauso angeordneten Zuschauerraum mit dem goldroten Gestühl und den Wandleuchten, links und rechts von der Bühne ein Garderobentisch bzw. ein Regiepult. An diesem Regiepult sitzt der Tontechniker und gibt dem Orchester die Einsätze. Im hinteren Teil der Bühne ist ein Regisseur platziert, der gerade mit einigen Solisten pantomimisch Goethes Werther probt. Die Ouvertüre ist vorüber, die Werther-Probe ebenfalls, es wird noch ein wenig mit den Werther-Solisten diskutiert, nun kann die eigentliche Handlung beginnen.
Der Regisseur ist jetzt Faust, sinniert über sein nicht wirklich glückliches Leben, denkt an Selbstmord, das Glas mit dem Giftcocktail traut er sich jedoch nicht zu trinken. Der Tontechniker von eben tritt an Faust heran, ist jetzt Mephisto, fast in Gustav-Gründgens-Maske, stattet ihn aus mit blonder Perücke und elegantem hellen Anzug, Fausts neues jüngeres Leben kann beginnen. Titus Witt ist dieser in exquisitem schwarz gekleideter Mephisto, er wirkt zwar bösartig und gefährlich, aber auf seine eher komödiantische Art, was ohnehin seine Stärke ist. Seinem nicht allzu dunklen Spielbass konnte er viele Nuancen abgewinnen, mal verführerisch, ja sogar sexy, mal abgebrüht und mitleidslos, und auch darstellerisch war seine Leistung, flexibel und wandlungsfähig, in diesem Rahmen höchst beeindruckend.
Der Tenor Stian Okland machte ebenfalls eine gute Figur als junger Faust, seine Stimme hat in der Höhe an Strahlkraft gewonnen, die Mittellage klingt angenehm warm. Schauspielerisch gab er sich eher dezent, allzu große Aktion wurde ihm nicht abgefordert. Am Ende reicht Margarethe ihm die Pistole, mit der er sich erschießt, während sie - „Heinrich, mir graut vor dir“ - von der Bühne abgeht und Mephisto in die Unterwelt herabsteigt. Überhaupt war das in dunklen Rot-Tönen getauchte Bühnenbild des finalen Aktes besonders beeindruckend ( von Jürgen Kirner, der auch die Kostüme entwarf, die Lichtregie besorgte Ruslan Vavilov).
Natasha Dwulecki, in zarten Blau-Tönen gekleidet, sang die Margarethe mit ihrem beweglichen lyrischen, in allen Lagen gut ansprechenden, höhensicheren Sopran, die Juwelenarie gelang ihr wunderbar mit leichten perlenden Koloraturen.
Den Valentin sang Cairan Eyan, kostümiert im Military-Look, mit kräftigem, virilen Bariton, der eine Wandlung vom liebenden Bruder zum verständnislosen, brutalen Schläger durchzumachen hatte, nachdem er bei seiner Rückkehr aus dem Krieg von Margarethes Schwangerschaft erfuhr und sie zu züchtigen hatte. Susanne Lichtenberg war eine spielfreudige Marthe Schwerdtlein mit hell timbrierten Mezzo. Die Partie des Siebel ward hier mit einem Charaktertenor besetzt, Marco Trespioli sang und spielte ihn, als Hippie gekleidet in einem dreckigen schwarzen Overall und mit langer blonder Haarmähne. Der lyrische Bariton Lucas Anton schließlich rundete als Wagner das Solistenensemble ab.
Aus dem Orchestergraben kamen romantische, fein nuancierte Klänge, besonders beeindruckten Geige und Flöte, während das Horn vielleicht etwas zurückhaltender hätte eingesetzt werden können. Trotz der kleinen Besetzung gelang es Ettore Prandi, den Musikern eine gewisse Prise an französischer Eleganz zu entlocken, manche Passagen gelangen herrlich filigran und poetisch, andere wiederum dramatisch bedrohlich. Insgesamt gesehen war diese Produktion für die Kammeroper ein beglückender Auftakt in die neue Spielzeit.
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