Hamburg, Hamburger Kammeroper, DIE FLEDERMAUS - Johann Strauss, IOCO Kritik, 08.02.2023
DIE FLEDERMAUS - Johann Strauss
- Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist -
von Wolfgang Schmitt
Mehr als ein Dutzend Operetten schrieb Johann Strauß (1825 – 1899) während der letzten 30 Jahre seines Lebens und Schaffens. Zu seinen erfolgreichsten und am häufigsten aufgeführten Werken zählen Eine Nacht in Venedig, Der Zigeunerbaron und auch Wiener Blut. Sein erfolgreichstes Werk ist jedoch Die Fledermaus, die zu Recht als „Königin der Operette“ bezeichnet wird.
Die Hamburger Kammeroper präsentiert diese „Königin“ in der herrlich vergnüglichen Inszenierung von Toni Burkhardt, die phantasievollen Jugendstil-Bühnenbilder entwarf Kathrin Kegler, und die prachtvollen, eleganten Kostüme kreierte Marie-Theres Cramer. IOCO berichtete bereits über den Premierenabend der Fledermaus am 15.12.2022, lesen Sie HIER!
In der Aufführung der Fledermaus am 5. Februar 2023 kam man nun in den Genuß der „Zweitbesetzung“, die sich jedoch genauso wunderbar hören lassen konnte wie die Premierenbesetzung im Dezember. Auch wirkten die Sänger im Ganzen lockerer, um auch noch ein bißchen mehr Frivolität zu wagen.
Franka Kraneis gestaltete an diesem Abend die Partie der Rosalinde mit ihrem glockenhellen, silbrigen, virtuos eingesetzten lyrischen Sopran. Sie sah wunderschön aus sowohl in ihrem blaßgrünem Morgenrock als auch in ihrer knallroten Abendrobe, betörte die Männer auf Orlofskys Ball mit gekonntem ungarischen Akzent und sang einen temperamentvollen „Czárdas“. In ihrer anfänglichen Szene mit ihrem Möchtegern-Liebhaber Alfred prickelte es nur so vor Erotik, was aber auch an Luca Festner lag, denn dieser sympathische Sonnyboy gab sich derart verführerisch und betörend in seinen Versuchen, seine Angebetete Rosalinde mit „Dein ist mein ganzes Herz“ stürmisch zu umgarnen. Insofern war es dann auch gar nicht verwunderlich, daß Rosalinde in dieser Inszenierung, nachdem sie ihren untreuen Ehemann durchschaut hatte, am Ende offenbar mit Alfred durchbrennt. Luca Festners strahlenderer Tenor klingt kräftig und bis auf ein paar leicht flattrige Spitzentöne gut geführt. Im letzten Akt gab er vergnüglich sogar einige heldentenorale Passagen aus Lohengrin, Fidelio, Siegfried, und dem Vogelhändler aus der Gefängniszelle von sich.
Rosalindes Ehemann, Gabriel von Eisenstein alias Marquis Renard, ist ein eitler Beau, der es offensichtlich auch mit seiner Kammerzofe Adele treibt und wohl auch sonst Seitensprüngen nicht abgeneigt ist. Robert Elibay-Hartog war optisch ideal in dieser Rolle des feinen Lebemannes, darstellerisch gewandt und perfekt in seiner Ausstrahlung, tänzerisch begabt und originell in seinen Szenen mit Rosalinde und mit seinem Freund Dr. Falke. Sein schlank geführter Kavaliersbariton klingt gefällig, wobei er allerdings in den hohen Lagen etwas Mühe hatte.
Feline Knabe sang an diesem Abend den Prinzen Orlofsky. Sie war der perfekte Gastgeber des großen Balls, sang das Couplet recht effektvoll mit ihrem hell timbrierten Mezzosopran, und bestach auch durch ihren wunderbar vorgetragenen russischen Akzent. Man hatte ihr ein neues Kostüm gegeben, einen eleganten schwarzgrauen Cutaway, der die Persönlichkeit des Prinzen Orlofsky noch erheblich unterstrich.
Der Frosch war diesmal der Schauspieler Olaf Kreutzenbeck, ein dauer-alkoholisierter Gefängniswärter, der in fröhlichem Plauderton einige Humoresken zum Besten gab.
Die weiteren Künstler waren bereits in der Premiere dabei: Anne Elizabeth Sorbara brillierte wiederum als Adele mit ihrem kostbaren Koloratursopran in ihren Arien vom „Herrn Marquis“ und der „Unschuld vom Lande“, spielte hinreißend die zu höheren Schauspielkünsten berufene Olga, und sah wieder betörend schön aus in ihrem türkisblauen Abendkleid.
Cairan Ryan gefiel in der Partie des Dr. Falke mit seinem volltönendem Bariton, guter Diktion und natürlicher Phrasierung, auch darstellerisch als vornehmerer Bonvivant konnte er auf Orlofskys Ball und in den Szenen mit Eisenstein punkten. Seine gefühlsbetont vorgetragene Arie vom „Brüderlein und Schwesterlein“ wurde zu einem stimmungsvollen Höhepunkt des Ball-Aktes, als das Ensemble unisono in den Refrain einstimmte, sich die Paare zu den Klängen im Tanz wiegten und für einen geradezu magischen Moment sorgten.
Natasha Dwulecki in der enorm aufgewerteten Partie der Ida erntete mit ihrer in die Handlung eingefügte, beschwingt vorgetragenen Arie vom „Wiener Blut“ während des Balles verdienten stürmischen Applaus.
Als Gefängnisdirektor Frank gab sich Lukas Anton als Partylöwe, inkognito als Chevalier Chagrin unterwegs in elegantem Frack, der durchaus Gefallen sowohl an Ida als auch an Adele findet. Gesanglich konnte er in seinen Szenen mit seinem lyrischen, in der Höhe noch ausbaufähigem Bariton gefallen, während er im letzten Akt einen verkaterten, übernächtigten Gefängnisdirektor humorvoll zum Besten gab.
Schließlich Jonathan von Schwanenflügel, in seiner Doppelrolle als etwas tollpatschiger Dr. Blind und als Ivan, dem androgynen Diener des Prinzen Orlofsky. Er genoß sichtlich seine Auftritte in dieser eingefügten Travestie-Rolle des Ivan. Seine lasziven, erotisch-aufreizenden Bewegungen schien er seit der Premiere noch erheblich verfeinert zu haben, auch schien es bei Orlofskys Ball zwischen ihm und Eisenstein ein wenig geknistert zu haben, zumindest wurde dies angedeutet. Als Dr. Blind machte er mit seinem Charaktertenor das Beste aus diesen kurzen Szenen.
Die Leitung des kleinen Kammerorchesters hatte an diesem Abend Bruno Merse übernommen. Aus dem Graben tönte auch diesmal flirrende Geigen, klangvolle Leichtigkeit und beschwingte schwelgerische Wiener Walzerseligkeit, die das kleine Orchester und die Solisten auf der Bühne zu einer wunderbaren musikalischen Einheit zusammenschmelzen ließ.
Diese herrliche Fledermaus-Produktion sollte in der nächsten Spielzeit der Kammeroper unbedingt wieder aufgenommen werden. Es wäre schade, wenn sie nach dieser erfolgreichen Aufführungsserie so einfach verschwinden würde.