Hamburg, Hamburger Kammeroper, DIE CSARDASFÜRSTIN - E. Kálmán, IOCO
Kammeroper Hamburg: Zwanzig Operetten hat Emmerich Kálmán (1882 - 1953) komponiert, aber die „Csárdásfürstin“ ist sein erfolgreichstes und am meisten aufgeführtes Werk.
von Wolfgang Schmitt
Zwanzig Operetten hat Emmerich Kálmán (1882 - 1953) komponiert, aber die „Csárdásfürstin“ ist sein erfolgreichstes und am meisten aufgeführtes Werk.
Die Stadt Hamburg rühmt sich ja gern, Deutschlands Musical-Hauptstadt zu sein, doch die Operette kommt im Hamburger Kulturbetrieb eigentlich immer zu kurz. Wie gut, daß jedenfalls die Kammeroper sich dem Genre 'Operette' nicht verschließt, und so konnten wir uns in den letzten Spielzeiten an den wunderbaren Neuinszenierungen vom „Land des Lächelns“, der „Fledermaus“ und „Orpheus in der Unterwelt“ erfreuen. Doch mit der Premiere der „Csárdásfürstin“ am 13. Dezember hat sich die Kammeroper mit ihrem Intendanten und Regisseur Marius Adam selbst übertroffen.
Das lag in erster Linie an seiner pointierten, ausgefeilten Personenregie, bei der die Betonung auf der humoristischen Facette des Stückes lag, und der es gelang, alle Partien mit einer eigenen lebendigen, glaubwürdigen Persönlichkeit auszustatten. Natürlich spielte sein exzellentes Ensemble hierbei vollends mit und bestach durch ausgelassene Spiel- und Tanzfreude, überschäumendes Temperament und Witz.
Die perfekte Choreographie – von Sabine Barthelmess, die sich mit ihrem Tanzpartner Henry Klein durch sämtliche Akte tanzte und dem Ganzen mit greller Schminke und aufreizenden Kostümen einen frivolen Charakter gab – , wurde insbesondere von den beiden anmutigen jungen Liebespaaren hervorragend umgesetzt.
Ebenso trug das elegante Bühnenbild von Kathrin Kegler mit den silbrigen Stufen und den sich verjüngenden Wänden, die den Bühnenraum optisch vergrößert erscheinen ließen, und den raffinierten, stets passenden Beleuchtungseffekten (Ruslan Vavilov) ganz erheblich zu diesem positiven Gesamteindruck bei. Während im „Orpheum“-Varieté-Akt ein Prospekt mit Revue-Tänzerinnen den Bühnenhintergrund bildeten, war es im Palast derer von und zu Lippert-Weylersheim eine originelle Ahnengalerie mit Gemälden u.a. von Mona Lisa, Lohengrin nebst Schwan, Sissi und Franz-Josef.
Während der Ouvertüre stürmte Sylva Varescu durch den Zuschauerraum, mondän gekleidet und mit Sonnenbrille, gefolgt von einigen Reportern und Photographen, zu einer angedeuteten Pressekonferenz bezüglich ihrer bevorstehenden Amerika-Tournee.
Dann ging der Vorhang auf und in der ersten amüsanten Szene befanden wir uns im Palast derer von und zu Lippert-Weylersheim. Der Sohn Edwin las gelangweilt in einem Buch, während seine Cousine Stasi mehr schlecht als recht auf der Geige übte und ihn mit herrlich piepsiger Stimme fragte, ob er denn wüßte, wie lieb sie ihn habe. Natürlich war er in Gedanken bei seiner Geliebten Sylva, dem „Teufelsweib“.
Anete Liepina war diese temperamentvolle Sylva Varescu, die in dieser Partie ihr Debüt an der Kammeroper gab. Sie verfügt über eine charmante Ausstrahlung und über einen feinen, schwebenden Sopran mit warmer Mittellage und sicheren strahlenden Höhen, den sie sogleich in ihrer Auftrittsarie „Heia, in den Bergen“ wirkungsvoll präsentierte. In Ljuban Zivanovic als Edwin hatte sie einen adäquaten Tenor-Partner von sympathischer Bühnenpräsenz, der in seinem Smoking, besonders aber später in seiner blauen k.u.k.-Uniform einen recht feschen Eindruck machte (alle Kostümentwürfe von Marie-Theres Cramer). Beide harmonierten wunderbar miteinander nicht nur in ihren Duetten „Mädchen gibt es wunder feine“, „Weißt du es noch“ oder „Tanzen möcht' ich“, sondern auch tänzerisch waren sie ein perfektes Paar.
Ebenfalls ließ das zweite Liebespaar, Komtesse Stasi und Graf Boni, keinerlei Wünsche offen. Paulina Ovádková war die sich fröhlich-naiv gebende Stasi, großartig in ihrer tänzerischen Spielfreude. Auch stimmlich glänzte sie mit ihrem hellen lyrischen Sopran, perfekter Stimmführung, blitzsauberem Höhenregister und brillierte in ihren Duetten mit Graf Boni, „Machen wir's den Schwalben nach“, „Mädel guck, Männer gibt’s ja genug“ und „Das ist die Liebe, die dumme Liebe“.
Der lyrische Tenor Berus Komarschela beeindruckte als Boni mit seiner schön timbrierten makellosen Stimme, die er auch kraftvoll einzusetzen verstand. Aber auch mit seinem tänzerischen Talent und seiner herrlichen Komik, die witzig und humorvoll, aber nie buffonesk albern, sondern immer recht charmant wirkte. Und besonders sein Lied „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ war natürlich ein 'Showstopper'.
Das fürstliche Elternpaar, Leopold Maria Fürst von und zu Lippert-Weylersheim und Gattin Anhilte, wurde treffend von Simon Thorbjörnsen und Feline Knabe dargestellt. Letztere war eine energische, resolute Ehefrau und Mutter, bei der ihr Ehemann und ihr Sohn zu gehorchen hatten, jedenfalls solange, bis ihre glorreiche Vergangenheit als ehemalige Provinz-Primadonna doch noch durch Feri Bacsi ans Tageslicht befördert wurde.
Titus Witt war dieser Feri Bacsi von Kerekes, der sein Leben lang der Liebe zur „Kupfer-Hilda“ nachtrauerte und mit der er nun ein stürmisches Wiedersehen feierte, sehr zum Erstaunen des alten Fürsten, der nichts davon ahnte, daß seine Gattin einst eine Varieté-Künstlerin war, und der nun seinen Widerstand gegen die Verbindung seines Sohnes mit Sylva Varescu aufgab. Titus Witt als alternder Lebemann und 'graue Eminenz' des Stückes hatte seine Momente zu Beginn im Duett mit Boni und im letzten Akt mit der Bass-Arie „Nimm Zigeuner deine Geige“ (hier umgetextet als „Nimm mein Lieber deine Geige“) - „Jay Maman Bruderherz ich kauf dir die Welt“, wofür er den Hamburger Violinisten André Böttcher – bekannt aus dem Hamburger Opernloft in „Tosca“ und „Carmen“ – auf die Bühne bat, der hier das kleine Orchester der Kammeroper verstärkte.
Ettore Prandi hatte die Partitur der „Csárdásfürstin“ für sein kleines Kammerorchester wieder einmal gekonnt bearbeitet und brachte den wunderbaren Reichtum von Kálmáns herrlicher Musik mit den vielen „Hits“ zwischen ungarisch-folkloristischem Csárdás und Wiener Walzerseligkeit – nur mit Klarinette und den Streichern – wunderbar beschwingt zur Geltung.
Frenetischen Applaus gab es am Ende für ihn, für sämtliche Solisten und fürs Regieteam. Ein nochmaliger Besuch dieser vergnüglichen, spritzig-zündenden Inszenierung sei unbedingt geboten.