Hamburg, Hamburger Kammeroper, Der Zauberflöte Zweyter Theil - Uraufführung, IOCO, 27.04.2022
DER ZAUBERFLÖTE ZWEYTER THEIL
- eine Uraufführung - aber nach Johann Wolfgang von Goethe -
von Wolfgang Schmitt
In diesem Jahr feiert die Hamburger Kammeroper im Allee-Theater ihr 25jähriges Bestehen. Anläßlich dieses Jubliäums hat sich die Intendanz etwas ganz besonderes einfallen lassen, nämlich das ehrgeizige Projekt der „Uraufführung“ des zweiten Teils der Zauberflöte.
Johann Wolfgang von Goethe war ein großer Bewunderer Mozarts und war so begeistert von diesem Werk, daß er sich Gedanken über eine Fortsetzung der Zauberflöte machte und ein Libretto entwarf. Die handelnden Personen dieses zweiten Teils sind wiederum Tamino und Pamina, sie bekommen einen Sohn, der von Monostatos geraubt und von Paminas Mutter, der Königin der Nacht, in einen goldenen Sarg gesperrt wird, doch Sarastro eilt zu Hilfe und erweckt den „kleinen Genius“ zu neuem Leben.
Auch Papageno und Papagena sind wieder dabei, wünschen sich viele Kinder, doch es klappt leider nicht so wie sie es sich vorgestellt hatten, und so hilft wiederum Sarastro auch ihnen, indem er diesem Paar drei Kinder beschert, die aus goldenen Eiern schlüpfen.
Auch Mozarts Librettist Emanuel Schikaneder schrieb aufgrund des großen Erfolges der Zauberflöte an einer Fortsetzung der Handlung und fand in Peter von Winter einen Komponisten. Es gab auch 1796 eine Uraufführung dieses zweiten Teils unter dem Titel „Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen“, doch ein Erfolg ward dem Werk nicht beschieden.
Zu Goethes Libretto fand sich seinerzeit kein Komponist bereit, dieses zu vertonen. Nun, etwa 220 Jahre nach dem Erscheinen von Goethes Libretto, hat der musikalische Leiter der Hamburger Kammeroper, Ettore Prandi, hierzu ein Opern-Pasticcio entworfen, bestehend aus frühen und weniger bekannten Opern Mozarts, u.a. Idomeneo und Bastien und Bastienne, und Teilen aus Mozart-Messen, aber auch Musik von Christoph Willibald Gluck und Antonio Vivaldi findet hier Verwendung. Insofern ist die Bezeichnung „Uraufführung“ dieser Zauberflöte Zweyter Theil nach einem Libretto von Johann Wolfgang von Goethe durchaus gerechtfertigt. Barbara Hass übernahm die Bearbeitung von Goethes Libretto sowie auch von den Texten der hier verwendeten Arien.
Kathrin Kegler entwarf das schlichte Bühnenbild, bestehend aus einem großen, die Handlung allumfassenden elliptischen Ring, im Bühnenhintergrund das allgegenwärtige Portrait Goethes, das Ganze geschickt und stimmungsvoll ausgeleuchtet von Andreas Ludewig. Die geschmackvollen eleganten Kostüme entwarf Marie-Theres Cramer, eine blau-silberne Robe für die Königin der Nacht, silbernes Jackett für Tamino, beige changierende Robe für Pamina, bunter Minirock und knallrote Jacke für Papagena, braune Lederhose und grün befiederter Mantel für Papageno, eine hellgraue Mönchskutte für Sarastro, dazu futuristisch wirkende Uniformen für Monostatos und seine Mannen und für die Wächter.
Für Alfonso Romero Mora ist es bereits die fünfte Inszenierung an der Hamburger Kammeroper. Es war beeindruckend, wie geschickt seine Personenregie auf der relativ kleinen Spielfläche ablief, ohne daß es für die Protagonisten inklusive der acht Choristen zu eng wurde.
Gesungen wurde wieder einmal beachtlich. Das Königspaar Tamino und Pamina, melancholisch und traurig wegen ihres geraubten Kindes, waren Stian Okland mit warmem, dunkel timbriertem Tenor, und Natascha Dwulecki mit ihrem edlen lyrischen, sicher geführten Sopran, sie boten ein anrührendes Portrait der um den Verlust ihres kleinen Sohnes trauernden Eltern. Eine heitere Note brachten wiederum Papageno und Papagena ins Geschehen, ein Ehepaar, das es sich gut gehen läßt mit einem Glas Champagner in der Hand trotz der Enttäuschung, daß es mit dem Kindersegen zunächst nicht so recht klappen will. Der Bass-Bariton Titus Witt war ganz in seinem Element als lustiger fröhlicher Vogelmensch, und die temperamentvolle Anne Elisabeth Sorbara bezauberte mit ihrem hellen klaren Koloratursopran. Megan Brunning beeindruckte in ihren dramatischen Koloraturarien als Königin der Nacht mit glasklaren, funkelnden Spitzentönen. Bruno Vargas bot als Sarastro mit seinem sonoren Bass eine grundsolide Leistung, und David Heimbucher mit hellem Charaktertenor war als Monostatos in seinen Szenen gemeinsam mit seinen beiden Dienern in ihren schwarz-roten Kriegerkostümen auch darstellerisch ansprechend. Besonders klangschön in ihrem Zwiegesang waren die beiden Mezzosopranistinnen Feline Knabe und Iva Krusic als Sargträgerinnen, die die Aufgabe hatten, den goldenen Sarg – hier eine große goldene Kugel – in Bewegung zu halten, damit das geraubte Kind von Tamino und Pamina, der „kleine Genius“, überleben kann. Die drei Kinder von Papageno und Papagena sorgen am Ende dafür, daß der kleine Genius aus den Fängen der Königin der Nacht befreit wird, der Countertenor Chen-Han Lin verkörpert diesen und singt eine wunderschöne Vivaldi-Arie. Stellvertretend für die acht Choristen sei Svenja Schicktanz genannt, die in einer Szene auch die Dame der Königin darstellt.
Das kleine Kammerorchester unter der Leitung von Ettore Prandi war wieder einmal in Bestform, es bestach durch Präzision, Klangbalance und Musikalität, insbesondere die Flöte und das Fagott fielen auf und trugen über weite Strecken diesen herrlichen, interessanten Abend. Es gibt noch ca. 20 Vorstellungen bis Ende Juni, und man sollte sich diese Uraufführung der ZAUBERFLÖTE ZWEYTER THEIL in der Kammeroper keinesfalls entgehen lassen.
---| IOCO Kritik Allee Theater Hamburg |---