Hamburg, Elbphilharmonie, RUSALKA - Antonin Dvorak, IOCO Kritik, 11.05.2022
Elbphilharmonie
RUSALKA - Antonin Dvorak
- ein lyrisches Märchen - eine Sternstunde im Hamburger Kulturleben -
von Wolfgang Schmitt
Antonin Dvoraks lyrische Märchenoper Rusalka erlebte 1901 ihre Weltpremiere und ist mittlerweile die weltweit beliebteste tschechische Oper. Eher selten schaffen es andere Opern Dvoraks wie Der Jakobiner, Armida oder Die Teufelskäthe auf deutsche Bühnen, und so zählt Rusalka neben den Slawischen Tänzen und seiner neunten Sinfonie Aus der neuen Welt auch zu den absoluten Höhepunkten in Dvoraks Gesamtwerk.
Eine grandiose semi-konzertante Aufführung dieses Werkes konnte man am 6. und 8. Mai in der Hamburger Elbphilharmonie erleben. Unter der versierten, umsichtigen Leitung ihres Chefdirigenten Alan Gilbert lief das NDR Elbphilharmonie Orchester zu absoluter Höchstform auf. Es war unglaublich faszinierend mitzuerleben, wie herrlich dieses Orchester mit den insgesamt elf erstklassigen Solisten und dem Prager Philharmonischen Chor quasi zu einer Einheit verschmolz und diese einfühlsame, beseelte Melodienführung, als auch die dramatische, spannende, ungemein packende Musik Dvoraks dem begeisterten Publikum zu Gehör brachte. Es gelang hier eine Darbietung mit etlichen Höhepunkten, von den feinen, leiseren Klängen und fröhlichen, slawisch-folkloristischen Passagen über tragend bedrohliche Stellen bis hin zu hochdramatischen, bombastischen Ausbrüchen. Die zarten Kantilenen der Flöte, die himmlischen Klänge der Harfe, die wunderbar tönenden Holzbläser, die gesamte orchestrale Wucht gepaart mit der genialen Akustik der Elbphilharmonie ließen diesen Abend zu einem außergewöhnlichen Ereignis werden.
Großartig waren auch die Solisten, allen voran die persönlichkeitsstarke, bühnenpräsente Rachel Willis-Sorensen als Rusalka. Mit ihrer edlen, großen, samtig-dunklen Sopranstimme zeichnete sie ein anrührendes Portrait der unglücklich Liebenden. Ihr innig empfundenes Lied an den Mond gelang wunderschön phrasiert mit silbriger strahlender Höhe und melancholischem Ausdruck in den tieferen Registern. In ihren Szenen mit dem Prinzen und mit Jezibaba verleiht sie ihrer Stimme Dramatik und verzweifelte Ausdruckskraft sowie Leid und Traurigkeit. Gewandet zuerst in ein silbriges langes Kleid, später nach ihrer Verwandlung in eine rote Robe war sie in diesem Rahmen auch darstellerisch engagiert. Die Solisten agierten auf dem Podest hinter dem Orchester, aber auch in den Rängen. Der Chor sang vorwiegend aus den oberen Rängen, was das brillante Klangerlebnis in diesem Auditorium nur noch unterstrich.
David Junghoon Kim als Prinz wartete mit einem kraftvollen, wohlklingenden Tenor auf, er verfügt über eine glanzvolle, strahlende Höhe, und er war seiner Rusalka ein gleichwertiger Partner, was das Stimmvolumen anbelangt. Die hohe Tessitura des Prinzen war für ihn kein Problem, und er überzeugte sowohl mit dramatischen Ausbrüchen als auch mit zarten Piani und lyrischem Schmelz.
Michelle de Young mit blonder Haartracht und in elegantem schwarzen Abendkleid war eine ausgezeichnete Jezibaba, die ihren großen dramatischen Mezzosopran sowohl einschmeichelnd gefühlvoll als auch bedrohlich und angsteinflößend einzusetzen verstand. In ihren Szenen deutete sie gekonnt dezentes Spiel an, während ihres Zaubers flackerten im Saal die Lichter, überhaupt wurde während der Aufführung des öfteren mit Lichteffekten gearbeitet, was den Bühnenzauber dieser semi-konzertanten Aufführung noch verstärkte.
Der Bass-Bariton Eric Owens bot ein eindringliches Portrait des stets flehentlich warnenden Wassermanns. Seine kultivierte, nicht allzu dunkle Stimme versteht er nuanciert einzusetzen, er gestaltete seine Partie mit schön klingender Mittellage und sonorem Tiefenregister. Eine heitere Szene hatte er mit den drei Waldnymphen: Catherina Witting, Lucy de Butts und Anna-Maria Torkel boten einen aparten schönstimmigen, harmonischen Gleichklang.
In der Partie der Fremden Fürstin in blau-grün schillernder Robe glänzte Ekaterina Gubanova mit ihrem hell timbrierten Mezzosopran, den sie ausdrucksstark, erotisch-verführerisch gegenüber dem Prinzen, und kalt-ironisch verachtend bei Rusalka einzusetzen verstand. Attilio Glaser sang den Förster mit angenehm timbrierten, leicht geführtem Tenor, ihm zur Seite stand die junge lyrische Sopranistin Anastasiya Taratorkina, die mit heller glasklarer Stimme quirlig und spielfreudig den Küchenjungen sang. Der junge Nicholas Mogg vom Opernstudio der Hamburger Staatsoper beeindruckte in seiner Szene als Jäger mit seinem klangschönen lyrischem Bariton.
Der von Lukas Vasilek perfekt einstudierte Prager Philharmonischer Chor ward in den oberen Rängen platziert und sang wunderbar ausgewogen, klangvoll und differenziert.
Dieser beglückende Abend war wahrlich eine Sternstunde im Hamburger Kulturleben, man sollte diese Aufführung als CD herausbringen. Die erste Aufführung vom 6. Mai 2022 wurde live im Rundfunk auf „NDR Kultur“übertragen
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