Hamburg, Altonaer Theater, THE ADDAMS FAMILY - Musical Andrew Lippa, IOCO Kritik, 15.09.2022
THE ADDAMS FAMILY - Musical Andrew Lippa
- eine schrecklich nette Familie -
von Wolfgang Schmitt
Der amerikanische Komponist Andrew Lippa (Jahrgang 1964) ist hierzulande weniger bekannt, sein erfolgreichstes Werk ist das Musical The Addams Family, für das er u.a. sogar einen Tony Award und zwei Drama Desk Awards erhielt. 2009 in Chicago aus der Taufe gehoben, wurde es in den folgenden Jahren ca. 750 Mal am New Yorker Broadway aufgeführt. Weitere Musicals von Andrew Lippa sind John and Jen, The wild Party, Asphalt Beach, und Big Fish, letzteres war ebenfalls ein preisgekrönter Broadway-Erfolg.
Andrew Lippa komponierte und schrieb die Songtexte zur Addams Family nach einem Buch von Marshall Brickman & Rick Elice, die deutsche Übersetzung stammt von Anja Hauptmann.
Nun hat die Addams Family auch Hamburg erreicht. Das Altonaer Theater eröffnete die neue Spielzeit am 11..9.2022 mit einer brillianten, schmissigen Inszenierung von Franz-Joseph Dieken. Er porträtiert dieses exzentrische, schrecklich nette Familienidyll höchst humorvoll, eher augenzwinkernd, und läßt sie eigentlich gar nicht so bösartig erscheinen, wie man es aufgrund der diversen Verfilmungen des Stückes erwartet hat, und sie sind auch nicht völlig “Gothic“-mässig in tiefschwarz gekleidet (Kostüme von Volker Deutschmann). Natürlich gibt es die Folterszene, wenn Tochter Wedenesday ihren kleinen Bruder Pugsley mit Stromstößen attackiert oder einer Taube den Hals umdreht. Die Ahnen entsteigen den Särgen, die Großmutter verfügt über Rauschpilze, Kräuter- und Zaubertränke, Onkel Fester wirkt skurril und der Hausdiener Lurch hat etwas dämonisches an sich, dennoch wirken die Charaktere recht sympathisch und gar nicht furchteinflößend.
Die Bühne (ausgestattet von Yvonne Marcour und Sabine Kohlstedt) ist schlicht, schwarz, zweckmäßig und wirkt in diesem Rahmen direkt geschmackvoll in blauem oder violettem Lichtdesign (Lichteffekte von Yannick Bomm und Mike Weidemann). An der Rückwand ist eine Ahnengalerie angedeutet – weiße Bilderrahmen jedoch ohne Portraits darin, von der Decke hängen sechs goldene Kronleuchter, außerdem gibt es ein Treppenpodest, diverse schwarz-weiße Kästen, die als Särge dienen oder auch mal als Esszimmertisch.
Die Handlung dreht sich in erster Linie um die Tochter Wednesday, die sich in einen jungen Mann, Lucas, aus respektabler Familie verliebt hat, der so gar nicht in ihre Familie paßt, der jedoch offenbar bereit ist, ihre Marotten hinzunehmen. Die Eltern, Gomez und Morticia Addams, sind nicht begeistert, doch sie willigen schließlich ein, die spießigen Eltern von Lucas, Mal und Alice Beineke, zu empfangen. Doch wie sich schließlich zeigt, haben auch sie noch „Saft“, und Alice, die versehentlich einen von Grannys Zaubertränken zu sich nimmt, erinnert sich an ihre Jugendjahre mit Mal und durchlebt diese noch einmal in der Erinnerung an die Hippie-Zeit. Und natürlich gibt es für Wedenesday und Lucas ein Happy-End.
Die Komposition von Andrew Lippa ist eine eingängige Mixtur aus Pop, Rock, Swing, Jazz, Vaudeville, mit ein bißchen Bossanova und Samba-Anklängen, für diese Produktion arrangiert von Andreas Binder. Die sängerische und schauspielerische Leistung des gesamten Ensembles war erstklassig. Gleich zu Beginn brillierte es mit der schwungvollen Nummer „Bist du ein Addams“. Das Elternpaar Gomez und Morticia Addams sind nach all den Jahren offenbar noch immer verliebt ineinander, Olaf Meyer als eine Art Latin Lover mit spanischem Akzent und südländischem Temperament, und Valerija Laubach, schlank, schön und geheimnisvoll, stimmlich und auch tänzerisch hervorragend, ihr Song „Der Tod steht um die Ecke“ und ihr Tango d'Amour mit Gomez – choreographiert von Luisa Meloni und Sven Niemeyer - waren einfach hinreißend. Alice Wittmer als Tochter Wednesday ist ein energisches junges Mädchen mit zwei langen Zöpfen und einer ausdrucksvollen Gesangsstimme, die gern mit ihrer Armbrust Kaninchen erlegt, die ihren Vater um den Finger wickeln kann, ihren kleinen Bruder Pugsley gern mit Stromschlägen malträtiert, und die ihren Freund Lucas auch ziemlich gut im Griff hat. Michael Berres gab sein Bestes als der junge schmachtende Liebhaber Lucas – seine Rolle gibt nicht allzu viel her – , ebenso wie Pierre Sanoussi-Bliss als sein gutbürgerlicher Vater Mal Beineke mit einigen humorvollen Szenen. Katrin Gerken als Alice Beineke wirkte zunächst wie eine biedere Hausfrau, doch nach dem Zaubertrank kam sie so richtig in Fahrt, präsentierte ihre große Stimme mit dem Song vom „Warten“ und dachte an die Zeiten, als sie und Mal jung und verliebt waren.
Luisa Meloni war der quirlige kleine Sohn Pugsley, der sich von seiner großen Schwester gern foltern läßt und glänzte mit dem Song „Was wäre wenn“. Fast zu jung und zu schönstimmig war Martin Markert in der Rolle des Onkel Fester, der in den Mond verliebt ist - „Sagt der Mond 'Ich liebe Dich'“ - und am Ende mit einer Rakete auf dem Rücken zu selbigem zu fliegen gedenkt. Carina Shamila war die wild kostümierte Großmutter mit ihren Kräutern, Rauschpilzen und Zaubertränken, Ingo Meß war der unheimlich grunzende Hausdiener Lurch, und Hannes Träbert in verschiedenen Rollen sowie Laura Elisabeth Husemann und Giovanni de Domenico als Ahnen und Tänzer vervollständigten das hoch engagiert singende und spielende Ensemble.
Das Publikum war begeistert und sparte am Ende nicht mit Beifall fürs Ensemble und fürs Regieteam.
THE ADDAMS FAMILY im Altonaer Theater, Hamburg; die weiteren Termine, Karten - HIER!
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