Hamburg, Allee Theater, Hänsel und Gretel - in der Kammeroper, IOCO Kritik, 02.12.2021
HÄNSEL UND GRETEL - Engelbert Humperdinck
- mit stimmungsvollem Bühnenbild, Monika Diensthuber, wunderbar traditionell -
von Wolfgang Schmitt
Die Vorweihnachtszeit ist die richtige Zeit für Märchenvorstellungen, und so präsentierte die Hamburger Kammeroper im Allee-Theater eine Neuproduktion von Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel. Diese überaus gelungene Inszenierung lag in den bewährten Händen des Hausherrn Marius Adam, der sie eigentlich schon für Weihnachten 2020 geplant hatte, doch leider kam der unsägliche Corona-Lockdown dazwischen und vereitelte die Aufführungen. Das stimmungsvolle Bühnenbild entwarf Monika Diensthuber, wunderbar traditionell, so wie es bei einem echten Märchen sein soll. Auch die ärmlichen Kostüme der Geschwister und ihrer Eltern passten herrlich ins Bild, von Lisa Überbacher entworfen. Für das Sandmännchen hatte sie sich eine phantasievolle weiße Stepp-Kreation ausgedacht, während das Taumännchen ein nicht so recht Sinn machendes schwarzes Kostüm mit langem hohen, kronenartigen Hut trug, der eher einer 'Königin der Nacht' alle Ehre gemacht hätte. Besonders schön war die Knusperhexe ausstaffiert, zunächst so gar nicht hexenhaft in einem blau-weißen Kleid mit weißer Halskrause und rot-weiß geringelten Strümpfen, auf dem Kopf ein weißer mit Süßigkeiten geschmückter Turban. Im Fortgang der Handlung legte sie dieses Kostüm ab, war nun ärmlich-schlampig gekleidet, jetzt sehr hexenhaft mitsamt Zahnlücke und wild zerzausten Haaren.
Die Behausung der Besenbinder-Familie war eine schlichte Holzhütte mit spärlicher Möblierung – ein Tisch, Stühle, ein Regal, fertig gebundene Besen hängen an der Wand. Geradezu gespenstisch mutete der düster ausgeleuchtete Wald an mit seinen hohen dunkelgrauen Bäumen und verschlungenen Ästen, später in der Hexen-Szene verwandelte er sich in einen rötlichen Märchenwald mit einigen Zuckerstangen-Accessoires. Auf ein Lebkuchenhaus wurde verzichtet, stattdessen gab es hier das riesengroße Abbild des Turban geschmückten Kopfes der Hexe, der Mund ließ sich aufklappen und fungierte als der Ofen, in den die Kinder die Hexe schließlich hineinschoben. Hänsel und Gretel waren hervorragende Darsteller, herrlich anzusehen wie sie tanzten, sich stritten, übermütig und fröhlich über die Bühne tollten, über Tisch und Stühle sprangen und die sich im Laufe der Zeit zu Volksliedern entwickelten Duette „Suse liebe Suse“ und „Brüderchen komm' tanz mit mir“ anstimmten. Anrührend war ihre Szene im finsteren Wald, als sie den Abendsegen beteten. 14 Engel konnten hier in diesem Rahmen natürlich nicht aufgeboten werden, aber es gab drei kleine weiß gekleidete, niedliche Kinder mit Engelshaar und Flügeln.
Maria-Teresa Bäumler, sehr brav mit zwei Zöpfen, sang die Gretel mit samtweichem lyrischen Sopran, Iva Krusic mit wilder Rastalockenmähne hatte die herbere Stimme als fideler Hänsel. Der Bariton Titus Witt legte den Peter Besenbinder als treu sorgender Vater und Ehemann an, der auch gern einmal zu tief in die Flasche guckt und sich gegenüber seiner Ehefrau auch schon mal recht derb gebärdet. Die Mezzosopranistin Feline Knabe hatte die schwierige Partie der sorgenvollen gestressten Mutter Gertrud zu bewältigen, mit Parlando-Passagen, Registerwechseln, und Spitzentönen, die man sich ein wenig leuchtender gewünscht hätte. An den größeren Opernhäusern wird diese Partie daher meist auch von dramatischen Sopranen mit guter Höhe gesungen.
Anne Elizabeth Sorbara erfreute mit ihrem silbrigen lyrischen Koloratursopran, sie sang sowohl das Sandmännchen als auch das Taumännchen mit berückender Natürlichkeit und Leichtigkeit. Besonderen Spaß hatte das Publikum an den Hokus-Pokus-Auftritten und der überzeugenden Komik von Jana Lou als Knusperhexe. Szenisch und stimmlich überaus präsent war sie in der Lage, ihren hell timbrierten Charaktersopran gekonnt schmeichlerisch, aber auch scharf und schrill einzusetzen. Ihr vergnüglicher Hexenritt auf dem Besen brachte ihr den Sonderapplaus des amüsierten Publikums ein.
Der musikalische Leiter Ettore Prandi hatte die Partitur fürs kleine Kammerorchester eingerichtet, und es gelang ihm wunderbar, die Streichinstrumente, Klarinette und Horn harmonisch zu einem warmen Klang zusammenzufügen und die Stimmungen zwischen munterem leichtem Volkslied, romantischen und auch unheilvollen Passagen als Kontrast harmonisch zu erzeugen. Schon die Ouvertüre mit dem Abendsegen-Motiv gelang herrlich klangschön, und überhaupt wurde der gesamte Abend zu einem musikalischen Hochgenuss, den das begeisterte Publikum mit lang anhaltendem Beifall quittierte. Am Ende betrat Intendant und Regisseur Marius Adam die Bühne, dankte dem Publikum, dass es dem Allee-Theater bzw. der Kammeroper auch in diesen schwierigen Pandemie-Zeiten die Treue hält, betonte den intimen, familiären Charakter dieses Theaters und dankte allen Mitwirkenden auf und hinter der Bühne für das Gelingen dieser wunderschönen Hänsel und Gretel- Produktion.
Hänsel und Gretel in der Hamburger Kammeroper, die weiteren Termine 3.12.; 5.12.; 8.12.; 10.12.; 11.12.; 12.12.; 19.12.; 26.12.2021
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