Hamburg, Allee Theater, Das Land des Lächelns - in der Kammeroper, IOCO Kritik, 04.01.2022
DAS LAND DES LÄCHELNS - in der Hamburger Kammeroper
- Liebe überwindet nicht alle kulturellen Barrieren -
von Wolfgang Schmitt
2020 war das Jahr des 150. Geburtstages von Franz Lehar. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die für 2020 geplante Neuinszenierung Das Land des Lächelns aufs Jahr 2021 verschoben. Im Dezember 2021 war es dann soweit: die traurig-schöne Operette konnte nun endlich in der Hamburger Kammeroper zur Premiere gelangen.
Die Inszenierung lag wieder in den bewährten Händen des Hausherrn Marius Adam, die Bühnenbilder entwarf Monika Diensthuber: elegantes, nobles Ambiente im ersten Teil, später ein Hauch von fernöstlicher Exotik mit Bambussträuchern in felsiger Landschaft. Die Reise von Wien nach China fand offensichtlich in einem Heißluftballon im Bühnenhintergrund statt, ein höchst origineller Einfall. Mit der Geographie nahm man es nicht so genau: Auf einigen Umwegen – man überflog ägyptische Pyramiden, die Moskauer Basilius-Kathedrale, das Burgenland, das Taj Mahal, den Südpol – erreichte das Liebespaar schließlich die Heimat des Sou-Chong. Auf übertriebenen fernöstlichen Kitsch wurde hier verzichtet, auch die Kostüme wirkten dezent und doch sehr nobel.
Hannah Petersen entwarf geschmackvolle Roben, im Wien-Akt der eleganten Gründerzeit-Mode nachempfunden, später in den China-Bildern opulente, sandfarbene, fernöstliche Gewänder und Kimonos bzw, Hanfus.
Aus dem Orchestergraben kamen geradezu silbrige Klänge, Ettore Prandi hatte auch diese Partitur wieder gekonnt für kleines, aus Klavier und den Streichern bestehendes Orchester eingerichtet. Schon die Ouvertüre mutete hoch emotional an, dann gab es Momente der Heiterkeit und einer Walzerseligkeit, die manchmal auch an charmante Wiener Kaffeehausmusik erinnerte. Später im China-Akt überwogen dann doch die oftmals traurigen, melancholischen Momente, mal abgesehen von den fröhlichen Auftritten der Mi und den humorvollen Einlagen des Obereunuchen. Es gab die gefühlsbetonten, ehrlich empfundenen Passagen, und die Sänger wurden hierbei von den Streichern förmlich auf Händen getragen.
Svenja Schicktanz wurde von einer starken Erkältung geplagt, und so spielte sie auf der Bühne die Lisa und sprach die Dialoge. Raffiniert entledigte sich sich vor den Augen ihres Geliebten ihres Reiterkostüms, um sich in ihre elegante Abendrobe zu werfen. Dankenswerterweise konnte schnell für stimmlichen Ersatz gesorgt werden: Von der Seitenbühne sang Sarah Cossaboon die Lisa und präsentierte einen schönen, klangvollen, höhensicheren Sopran.
Der junge norwegische Tenor Stian Okland sang den Sou-Chong, er verfügt über eine angenehm baritonal klingende Stimme mit relativ sicherer Höhe, allerdings machten sich gegen Ende der Vorstellung gewisse Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Robert Elibay-Hartog mit seinem virilen Kavaliersbariton war der charmante Graf Gustav von Pottenstein, der Lisa um die halbe Welt nach China nachreist, wo er auf Mi trifft, die Schwester des Sou-Chong. Diese wurde gesungen von Natascha Dwulecki, ganz die chinesische Prinzessin mit langem Zopf, die nicht nur hinreißend sang, sondern auch darstellerisch jung und temperamentvoll agierte. Gleich drei Rollen hatte Titus Witt zu bewältigen, zunächst den Vater von Lisa, den noblen, distinguierten Grafen Ferdinand von Lichtenfels, sodann den in der Shinai-Kampfkunst bewanderten Onkel Tschang mit langer, wallender grauer Haarpracht, und schließlich die Buffopartie des schlitzohrigen, bestechlichen Obereunuchen, dessen humoreske Auftritte er genüsslich auskostete.
Ein Happy-End gibt es in dieser Operette leider nicht, dazu sind die beiden Welten, denen Lisa und Sou-Chong entstammen, zu unterschiedlich – hier das freie Leben, dort die Tradition und die Gegebenheiten im kaiserlichen China. Am Ende gab es einhelligen Jubel und Applaus vonseiten des Publikums, insbesondere auch für Sarah Cossaboon, die mit ihrem Einsatz die Vorstellung gerettet hatte.
---| IOCO Kritik Allee Theater Hamburg |---